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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Der Buchdruck vor Gurenberg.

der Text nur kurz und neben den Figuren angebracht; später gelangte man
dazu, ihn auf besondern Seiten beizudrücken, sodaß immer Text und Bild einander
gegenüberstanden. Man nennt diese Drucke, weil sie mit dem ganzen Holz¬
block, der ganzen Holztafel hergestellt wurden, Blockbücher oder Holztafeldrucke.

Die Literatur, welche dieselben umfassen, ist eine ausgedehntere, als man
denken sollte. Da das fünfzehnte Jahrhundert eine besonders religiös angelegte
Zeit war, entstand in erster Linie eine ganze Reihe kirchlicher Bücher, die kaum
eine Seite des religiösen Lebens unbeachtet ließen.

Das Werk, das am meisten in Holztafeldrucken verbreitet wurde, war die
Bibel. Doch besaß man noch nicht die eigentliche Bibel, sondern mir eine
sogenannte Konkordanz des alten und neuen Testamentes. Ein Cyklus neu-
testamentlicher Vorstellungen wurde mit beständiger Hinweisung auf das alte
Testament vorgeführt, welches der Auffassung des Mittelalters gemäß das
neue vorbereitete. Man bezeichnete dieses Buch, da es von den sogenannten
vNixores Ow'isti, den Franziskanern, Karthäusern und Kapuzinern, bei ihren
Kanzelvorträgen benutzt wurde, als die Armenbibel, IZidlig, xg,uxorunr. Die
Bilder sind immer so angeordnet, daß die Hauptdarstellung mit ihren Neben¬
bildern, also je eine Szene ans dem neuen, umgeben von je zwei Szenen aus
dem alten Testament, gleichsam in der Mitte eines geöffneten Flügelaltares
erscheint, in dessen Predelle und Lünette je zwei Propheten mit Spruchbändern
angebracht sind; ein kurzer Text deutet die Beziehungen der Nebenbilder auf
das Hauptbild an.

Außer diesem Hauptwerke wurden auch viele kleinere Teile der Bibel be¬
handelt. Die zehn Gebote schildert ein kleines, aus zehn Blättern bestehendes
Werkchen mit dem Titel "Die zehn Bott für die ungelernte Leut," während
das aus zwanzig Folioblättern bestehende "Buch der Könige" die alttestament-
lichen Begebenheiten aus den Büchern Samuels vorführt.

Weit mehr aber als das alte Testament wurde das neue bearbeitet. Die
Lieblingsgestalt desselben war die Jungfrau Maria. Ihr ist das Lkmtivnm
"kmtiooruin, das Hohe Lied gewidmet, ein Cyklus von zweiunddreißig Dar¬
stellungen, welche im Anschluß an die Salomonische Dichtung das Verhältnis
Christi zu seiner Braut, der als Sinnbild der christlichen Kirche gedachten
Jungfrau Maria schildern. An das tü-uitioiuu schließt sich das 3s,los Rsg'inÄ,
dessen vierzehn Holzschnitte eine Reihe von Wundern darstellen, die teils von
Maria selbst, teils durch Absingen des L^los rsMia vollbracht worden waren.
Noch öfter wurde das Leben Jesu bearbeitet, das in nicht weniger als vier
Büchern vorgeführt wird, von denen das aus sechzehn Kleinoktavblättern be¬
stehende "Zeitglöcklein des Lebens Jesu" das wichtigste ist. Das Gebet Christi
wurde in den: üxsroitinro. snxizr Mtörnostsr ausgelegt. Ein Priester bittet
Gott, ihn beten zu lehren, darauf wird ihm ein Engel gesendet, welcher zu ihm
spricht: V"ziü, cloosdo x^ehr lip8ehr; und so unterrichtet er ihn in den einzelnen


Der Buchdruck vor Gurenberg.

der Text nur kurz und neben den Figuren angebracht; später gelangte man
dazu, ihn auf besondern Seiten beizudrücken, sodaß immer Text und Bild einander
gegenüberstanden. Man nennt diese Drucke, weil sie mit dem ganzen Holz¬
block, der ganzen Holztafel hergestellt wurden, Blockbücher oder Holztafeldrucke.

Die Literatur, welche dieselben umfassen, ist eine ausgedehntere, als man
denken sollte. Da das fünfzehnte Jahrhundert eine besonders religiös angelegte
Zeit war, entstand in erster Linie eine ganze Reihe kirchlicher Bücher, die kaum
eine Seite des religiösen Lebens unbeachtet ließen.

Das Werk, das am meisten in Holztafeldrucken verbreitet wurde, war die
Bibel. Doch besaß man noch nicht die eigentliche Bibel, sondern mir eine
sogenannte Konkordanz des alten und neuen Testamentes. Ein Cyklus neu-
testamentlicher Vorstellungen wurde mit beständiger Hinweisung auf das alte
Testament vorgeführt, welches der Auffassung des Mittelalters gemäß das
neue vorbereitete. Man bezeichnete dieses Buch, da es von den sogenannten
vNixores Ow'isti, den Franziskanern, Karthäusern und Kapuzinern, bei ihren
Kanzelvorträgen benutzt wurde, als die Armenbibel, IZidlig, xg,uxorunr. Die
Bilder sind immer so angeordnet, daß die Hauptdarstellung mit ihren Neben¬
bildern, also je eine Szene ans dem neuen, umgeben von je zwei Szenen aus
dem alten Testament, gleichsam in der Mitte eines geöffneten Flügelaltares
erscheint, in dessen Predelle und Lünette je zwei Propheten mit Spruchbändern
angebracht sind; ein kurzer Text deutet die Beziehungen der Nebenbilder auf
das Hauptbild an.

Außer diesem Hauptwerke wurden auch viele kleinere Teile der Bibel be¬
handelt. Die zehn Gebote schildert ein kleines, aus zehn Blättern bestehendes
Werkchen mit dem Titel „Die zehn Bott für die ungelernte Leut," während
das aus zwanzig Folioblättern bestehende „Buch der Könige" die alttestament-
lichen Begebenheiten aus den Büchern Samuels vorführt.

Weit mehr aber als das alte Testament wurde das neue bearbeitet. Die
Lieblingsgestalt desselben war die Jungfrau Maria. Ihr ist das Lkmtivnm
«kmtiooruin, das Hohe Lied gewidmet, ein Cyklus von zweiunddreißig Dar¬
stellungen, welche im Anschluß an die Salomonische Dichtung das Verhältnis
Christi zu seiner Braut, der als Sinnbild der christlichen Kirche gedachten
Jungfrau Maria schildern. An das tü-uitioiuu schließt sich das 3s,los Rsg'inÄ,
dessen vierzehn Holzschnitte eine Reihe von Wundern darstellen, die teils von
Maria selbst, teils durch Absingen des L^los rsMia vollbracht worden waren.
Noch öfter wurde das Leben Jesu bearbeitet, das in nicht weniger als vier
Büchern vorgeführt wird, von denen das aus sechzehn Kleinoktavblättern be¬
stehende „Zeitglöcklein des Lebens Jesu" das wichtigste ist. Das Gebet Christi
wurde in den: üxsroitinro. snxizr Mtörnostsr ausgelegt. Ein Priester bittet
Gott, ihn beten zu lehren, darauf wird ihm ein Engel gesendet, welcher zu ihm
spricht: V«ziü, cloosdo x^ehr lip8ehr; und so unterrichtet er ihn in den einzelnen


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[0143] Der Buchdruck vor Gurenberg. der Text nur kurz und neben den Figuren angebracht; später gelangte man dazu, ihn auf besondern Seiten beizudrücken, sodaß immer Text und Bild einander gegenüberstanden. Man nennt diese Drucke, weil sie mit dem ganzen Holz¬ block, der ganzen Holztafel hergestellt wurden, Blockbücher oder Holztafeldrucke. Die Literatur, welche dieselben umfassen, ist eine ausgedehntere, als man denken sollte. Da das fünfzehnte Jahrhundert eine besonders religiös angelegte Zeit war, entstand in erster Linie eine ganze Reihe kirchlicher Bücher, die kaum eine Seite des religiösen Lebens unbeachtet ließen. Das Werk, das am meisten in Holztafeldrucken verbreitet wurde, war die Bibel. Doch besaß man noch nicht die eigentliche Bibel, sondern mir eine sogenannte Konkordanz des alten und neuen Testamentes. Ein Cyklus neu- testamentlicher Vorstellungen wurde mit beständiger Hinweisung auf das alte Testament vorgeführt, welches der Auffassung des Mittelalters gemäß das neue vorbereitete. Man bezeichnete dieses Buch, da es von den sogenannten vNixores Ow'isti, den Franziskanern, Karthäusern und Kapuzinern, bei ihren Kanzelvorträgen benutzt wurde, als die Armenbibel, IZidlig, xg,uxorunr. Die Bilder sind immer so angeordnet, daß die Hauptdarstellung mit ihren Neben¬ bildern, also je eine Szene ans dem neuen, umgeben von je zwei Szenen aus dem alten Testament, gleichsam in der Mitte eines geöffneten Flügelaltares erscheint, in dessen Predelle und Lünette je zwei Propheten mit Spruchbändern angebracht sind; ein kurzer Text deutet die Beziehungen der Nebenbilder auf das Hauptbild an. Außer diesem Hauptwerke wurden auch viele kleinere Teile der Bibel be¬ handelt. Die zehn Gebote schildert ein kleines, aus zehn Blättern bestehendes Werkchen mit dem Titel „Die zehn Bott für die ungelernte Leut," während das aus zwanzig Folioblättern bestehende „Buch der Könige" die alttestament- lichen Begebenheiten aus den Büchern Samuels vorführt. Weit mehr aber als das alte Testament wurde das neue bearbeitet. Die Lieblingsgestalt desselben war die Jungfrau Maria. Ihr ist das Lkmtivnm «kmtiooruin, das Hohe Lied gewidmet, ein Cyklus von zweiunddreißig Dar¬ stellungen, welche im Anschluß an die Salomonische Dichtung das Verhältnis Christi zu seiner Braut, der als Sinnbild der christlichen Kirche gedachten Jungfrau Maria schildern. An das tü-uitioiuu schließt sich das 3s,los Rsg'inÄ, dessen vierzehn Holzschnitte eine Reihe von Wundern darstellen, die teils von Maria selbst, teils durch Absingen des L^los rsMia vollbracht worden waren. Noch öfter wurde das Leben Jesu bearbeitet, das in nicht weniger als vier Büchern vorgeführt wird, von denen das aus sechzehn Kleinoktavblättern be¬ stehende „Zeitglöcklein des Lebens Jesu" das wichtigste ist. Das Gebet Christi wurde in den: üxsroitinro. snxizr Mtörnostsr ausgelegt. Ein Priester bittet Gott, ihn beten zu lehren, darauf wird ihm ein Engel gesendet, welcher zu ihm spricht: V«ziü, cloosdo x^ehr lip8ehr; und so unterrichtet er ihn in den einzelnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/143>, abgerufen am 22.07.2024.