Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Die Kommilitonen. aber jeder meinte, er könne garnicht anders heißen. Der sechste, jener Finster¬ Archimedes, der Erfinder der Sanduhr und der Hydraulik, Das sollten zwei Hexameter sein. Der achte, der Mediziner, Kreisphysikus und Der Gymnasialdirektor musterte die Reihe der acht Vorgetretenen mit Auf Obenhofen! ergänzte Mirbl, es geschieht nur behufs Unterscheidung Sehr wohl, winkte der Direktor, und vervollständigte die Spalte. Der Geistliche, welcher wußte, daß die Zeremonie auf eine Beglaubigung Auf vielen Gesichtern machte sich der vorhin von Kautschuk ausgesprochene Demnächst traten die Sieben zurück, und der "blasse Heinrich" bestieg das Die Kommilitonen. aber jeder meinte, er könne garnicht anders heißen. Der sechste, jener Finster¬ Archimedes, der Erfinder der Sanduhr und der Hydraulik, Das sollten zwei Hexameter sein. Der achte, der Mediziner, Kreisphysikus und Der Gymnasialdirektor musterte die Reihe der acht Vorgetretenen mit Auf Obenhofen! ergänzte Mirbl, es geschieht nur behufs Unterscheidung Sehr wohl, winkte der Direktor, und vervollständigte die Spalte. Der Geistliche, welcher wußte, daß die Zeremonie auf eine Beglaubigung Auf vielen Gesichtern machte sich der vorhin von Kautschuk ausgesprochene Demnächst traten die Sieben zurück, und der „blasse Heinrich" bestieg das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194786"/> <fw type="header" place="top"> Die Kommilitonen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_309" prev="#ID_308"> aber jeder meinte, er könne garnicht anders heißen. Der sechste, jener Finster¬<lb/> schauende, war ein Geheimrat, nervös, mit etwas gebückter Haltung. Seit Quinta<lb/> hieß er Kautschuk, wegen seines Ganges, der den Eindruck machte, als habe er<lb/> immerfort Gummischuhe an. Der siebente, ein dürftiges, aber sich sehr empor¬<lb/> reckendes Kerlchen in abgetragenem Zivil, darüber einen Militärpaletot, dessen<lb/> zinnoberroter Kragen das einzige Neue daran war, hatte Unglück im Referendar-<lb/> cxamen gehabt und war Rendant in einer Administrativstelle geworden, Archimed<lb/> schon früher wegen seiner Geschicklichkeit im Arithmetischen genannt und zuletzt<lb/> in Sekunda vou neuem getauft; die Klaffenschüler hatten damals ein Gedicht<lb/> über den Tod des Archimedes zu fertigen, und bei Beurteilung ihrer Leistungen<lb/> hatte der Korrektor gesagt: Auf der niedrigsten Stufe poetischer Auffassung und<lb/> Versschreibung steht unser er beginnt seine Epopöe:</p><lb/> <quote> Archimedes, der Erfinder der Sanduhr und der Hydraulik,<lb/> Lebte 212 vor Christi Geburt zu Syrakus.</quote><lb/> <p xml:id="ID_310"> Das sollten zwei Hexameter sein. Der achte, der Mediziner, Kreisphysikus und<lb/> Stabsarzt a. D, wieder eine Charaktermaske, trug den Spitznamen „Cohn,"<lb/> seitdem in Unterprima der zerstreute Lehrer ihn einmal mit diesem Namen auf¬<lb/> gerufen hatte. Der Schüler hatte unwirsch gesagt: Aber entschuldigen Sie,<lb/> Herr Oberlehrer, ich heiße doch garnicht so! worauf dieser ihn hatte beruhigen<lb/> wollen: Sie sehen aber doch ganz wie ein Cohn aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_311"> Der Gymnasialdirektor musterte die Reihe der acht Vorgetretenen mit<lb/> starren Blicken und dem Ausdruck von Ungehaltenheit, fühlte sich aber einiger¬<lb/> maßen beschwichtigt, als er unter ihnen den Ortsgeistlichen, einen Stabsoffizier<lb/> und zwei sonstige vornehme Herrengestalten unterschied. Er durchflog die Album¬<lb/> aufzeichnungen, indem er halblaut nachlas: Geheimrat, Generalstabsoberst,<lb/> Assessor von —</p><lb/> <p xml:id="ID_312"> Auf Obenhofen! ergänzte Mirbl, es geschieht nur behufs Unterscheidung<lb/> von einem gleichnamigen Vetter (der aber garnicht anwesend war).</p><lb/> <p xml:id="ID_313"> Sehr wohl, winkte der Direktor, und vervollständigte die Spalte.</p><lb/> <p xml:id="ID_314"> Der Geistliche, welcher wußte, daß die Zeremonie auf eine Beglaubigung<lb/> hinauslaufe, wies auf den „blassen Heinrich" mit den Worten: Hier, unser lieber<lb/> Schulfreund — und damit nannte er den Namen. Der Direktor dankte durch<lb/> Nicken, durchforschte die Spalte und fragte nur: Privatlehrer? Dieser bejahte;<lb/> der Direktor räusperte sich, nickte wieder, aber sichtlich weniger verbindlich, dann<lb/> sagte er: Danke, meine Herren Kommilitonen, bitte (gedehnt gesprochen) Herr<lb/> Kommilito!</p><lb/> <p xml:id="ID_315"> Auf vielen Gesichtern machte sich der vorhin von Kautschuk ausgesprochene<lb/> Gedanke bemerkbar: Wie kann ein so Zurückgebliebener es wagen, hier unter<lb/> uns das Wort führen zu wollen?</p><lb/> <p xml:id="ID_316" next="#ID_317"> Demnächst traten die Sieben zurück, und der „blasse Heinrich" bestieg das<lb/> kleine Katheder. Er war es, der vorhin auf Befragen zu dem Nebenmanne das Wort</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
Die Kommilitonen.
aber jeder meinte, er könne garnicht anders heißen. Der sechste, jener Finster¬
schauende, war ein Geheimrat, nervös, mit etwas gebückter Haltung. Seit Quinta
hieß er Kautschuk, wegen seines Ganges, der den Eindruck machte, als habe er
immerfort Gummischuhe an. Der siebente, ein dürftiges, aber sich sehr empor¬
reckendes Kerlchen in abgetragenem Zivil, darüber einen Militärpaletot, dessen
zinnoberroter Kragen das einzige Neue daran war, hatte Unglück im Referendar-
cxamen gehabt und war Rendant in einer Administrativstelle geworden, Archimed
schon früher wegen seiner Geschicklichkeit im Arithmetischen genannt und zuletzt
in Sekunda vou neuem getauft; die Klaffenschüler hatten damals ein Gedicht
über den Tod des Archimedes zu fertigen, und bei Beurteilung ihrer Leistungen
hatte der Korrektor gesagt: Auf der niedrigsten Stufe poetischer Auffassung und
Versschreibung steht unser er beginnt seine Epopöe:
Archimedes, der Erfinder der Sanduhr und der Hydraulik,
Lebte 212 vor Christi Geburt zu Syrakus.
Das sollten zwei Hexameter sein. Der achte, der Mediziner, Kreisphysikus und
Stabsarzt a. D, wieder eine Charaktermaske, trug den Spitznamen „Cohn,"
seitdem in Unterprima der zerstreute Lehrer ihn einmal mit diesem Namen auf¬
gerufen hatte. Der Schüler hatte unwirsch gesagt: Aber entschuldigen Sie,
Herr Oberlehrer, ich heiße doch garnicht so! worauf dieser ihn hatte beruhigen
wollen: Sie sehen aber doch ganz wie ein Cohn aus.
Der Gymnasialdirektor musterte die Reihe der acht Vorgetretenen mit
starren Blicken und dem Ausdruck von Ungehaltenheit, fühlte sich aber einiger¬
maßen beschwichtigt, als er unter ihnen den Ortsgeistlichen, einen Stabsoffizier
und zwei sonstige vornehme Herrengestalten unterschied. Er durchflog die Album¬
aufzeichnungen, indem er halblaut nachlas: Geheimrat, Generalstabsoberst,
Assessor von —
Auf Obenhofen! ergänzte Mirbl, es geschieht nur behufs Unterscheidung
von einem gleichnamigen Vetter (der aber garnicht anwesend war).
Sehr wohl, winkte der Direktor, und vervollständigte die Spalte.
Der Geistliche, welcher wußte, daß die Zeremonie auf eine Beglaubigung
hinauslaufe, wies auf den „blassen Heinrich" mit den Worten: Hier, unser lieber
Schulfreund — und damit nannte er den Namen. Der Direktor dankte durch
Nicken, durchforschte die Spalte und fragte nur: Privatlehrer? Dieser bejahte;
der Direktor räusperte sich, nickte wieder, aber sichtlich weniger verbindlich, dann
sagte er: Danke, meine Herren Kommilitonen, bitte (gedehnt gesprochen) Herr
Kommilito!
Auf vielen Gesichtern machte sich der vorhin von Kautschuk ausgesprochene
Gedanke bemerkbar: Wie kann ein so Zurückgebliebener es wagen, hier unter
uns das Wort führen zu wollen?
Demnächst traten die Sieben zurück, und der „blasse Heinrich" bestieg das
kleine Katheder. Er war es, der vorhin auf Befragen zu dem Nebenmanne das Wort
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