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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Erhaltung und Lederherstellung älterer Bau- und Kunstdenkmäler.

Funde, Pfahlbauten, sogenannte Teufelsmauern und dergl. zu berücksichtige,!
sein.

Ich habe den Wert solcher gemeinsamen Ausflüge in der Landesschule
Pforte kennen und schätzen gelernt. Jährlich wurde dort unter Führung deS
nunmehr verstorbenen geistlichen Inspektors Dr. Büßler eine der schönen Kirchen
der Umgegend besucht, und ich erinnere mich deutlich, wie anregend diese Besuche
wirkten; wurde doch vornehmlich durch sie mein Interesse an diesen Dingen
geweckt und gestärkt. Auch noch ein späteres Erlebnis möchte ich als Beleg für die
Richtigkeit meiner Ansicht anführen. Als ich in Zürich die Sammlungen der anti¬
quarischen Gesellschaft besuchte, die sich besonders durch ihre reichen und schönen
Pfahlbautenfunde auszeichnen, trat eine Klasse der Mittelschule ein, die unter
Aufsicht ihres Lehrers die Sammlung besichtigte. In trefflicher Weise erläuterte
der Kustos den Buben und Mädchen die Sachen, praktisch führte er ihnen die alte
Steinbohrung vor und zeigte den Gebrauch der urtümlichen Geräte. Es war eine
Freude, die Begeisterung der Kleinen zu beobachten, zu sehen, wie andächtig
und aufmerksam sie den Worten folgten, und wie sie durch Frage und Antwort
ihr Interesse und Verständnis bezeugten. Aus dem Munde des Lehrers wurde
mir bestätigt, daß diese in der Schweiz allgemein üblichen Museumsbesuche von
großem Erfolge begleitet seien. Die Kinder sammeln in ihren freien Stunden
am Ufer des Sees die Reste der alten Kultur, die der See jedes Jahr von
neuem zu Tage fördert, sehr eifrig, und schon viel und wichtiges Material ist
dadurch eingekommen, sodaß auch die Schulen sich kleine Altertumsmuseen haben
anlegen können, während früher, als jene Einrichtung noch nicht bestand, un¬
zählige von den alten Stein-, Bronze- und Thongerütcn weggeworfen worden,
verloren gegangen, vernichtet worden oder in die Hände von Ausländern ge¬
raten sind.

In gleicher Weise wird sich auch bei unsrer Jugend ein lebendigerer Sinn
sür die historische Vergangenheit und deren Denkmale wecken lassen, und der Staat
-- oder seine Abzweigungen -- dadurch ohne weitere Kosten seine Sammlungen
bedeutend vermehren können. Selbstverständlich müßte an den Universitäten für
eine Vermehrung der Lehrkräfte für mittelalterliche und neuere Kunstgeschichte
Sorge getragen und dem Lehrer, der an der Schule den kunstgeschichtlichen
Unterricht übernimmt, dieser trotz seiner abweichenden Art als Dienststunde an¬
gerechnet werden. Das Interesse, das auf die geschilderte Weise bei den Schülern
erzeugt werden würde, würde bei der Mehrzahl kein äußerliches bleiben, es
würde sogar von hervorragender Bedeutung für die Ausbildung des Charakters
werden. Es würde dadurch eine regere Liebe zur Heimat und ein cmsgcbildeterer
Sinn für ihre Eigentümlichkeiten und Vorzüge großgezogen, es würde den jugend¬
lichen Gemütern Pietät und Patriotismus eingepflanzt, eine größere Seßhaftig¬
keit erzielt und damit vielleicht ein Gegengewicht gegen die durch die Freizügigkeit
hervorgerufenen Nachteile geschaffen werden.


Die Erhaltung und Lederherstellung älterer Bau- und Kunstdenkmäler.

Funde, Pfahlbauten, sogenannte Teufelsmauern und dergl. zu berücksichtige,!
sein.

Ich habe den Wert solcher gemeinsamen Ausflüge in der Landesschule
Pforte kennen und schätzen gelernt. Jährlich wurde dort unter Führung deS
nunmehr verstorbenen geistlichen Inspektors Dr. Büßler eine der schönen Kirchen
der Umgegend besucht, und ich erinnere mich deutlich, wie anregend diese Besuche
wirkten; wurde doch vornehmlich durch sie mein Interesse an diesen Dingen
geweckt und gestärkt. Auch noch ein späteres Erlebnis möchte ich als Beleg für die
Richtigkeit meiner Ansicht anführen. Als ich in Zürich die Sammlungen der anti¬
quarischen Gesellschaft besuchte, die sich besonders durch ihre reichen und schönen
Pfahlbautenfunde auszeichnen, trat eine Klasse der Mittelschule ein, die unter
Aufsicht ihres Lehrers die Sammlung besichtigte. In trefflicher Weise erläuterte
der Kustos den Buben und Mädchen die Sachen, praktisch führte er ihnen die alte
Steinbohrung vor und zeigte den Gebrauch der urtümlichen Geräte. Es war eine
Freude, die Begeisterung der Kleinen zu beobachten, zu sehen, wie andächtig
und aufmerksam sie den Worten folgten, und wie sie durch Frage und Antwort
ihr Interesse und Verständnis bezeugten. Aus dem Munde des Lehrers wurde
mir bestätigt, daß diese in der Schweiz allgemein üblichen Museumsbesuche von
großem Erfolge begleitet seien. Die Kinder sammeln in ihren freien Stunden
am Ufer des Sees die Reste der alten Kultur, die der See jedes Jahr von
neuem zu Tage fördert, sehr eifrig, und schon viel und wichtiges Material ist
dadurch eingekommen, sodaß auch die Schulen sich kleine Altertumsmuseen haben
anlegen können, während früher, als jene Einrichtung noch nicht bestand, un¬
zählige von den alten Stein-, Bronze- und Thongerütcn weggeworfen worden,
verloren gegangen, vernichtet worden oder in die Hände von Ausländern ge¬
raten sind.

In gleicher Weise wird sich auch bei unsrer Jugend ein lebendigerer Sinn
sür die historische Vergangenheit und deren Denkmale wecken lassen, und der Staat
— oder seine Abzweigungen — dadurch ohne weitere Kosten seine Sammlungen
bedeutend vermehren können. Selbstverständlich müßte an den Universitäten für
eine Vermehrung der Lehrkräfte für mittelalterliche und neuere Kunstgeschichte
Sorge getragen und dem Lehrer, der an der Schule den kunstgeschichtlichen
Unterricht übernimmt, dieser trotz seiner abweichenden Art als Dienststunde an¬
gerechnet werden. Das Interesse, das auf die geschilderte Weise bei den Schülern
erzeugt werden würde, würde bei der Mehrzahl kein äußerliches bleiben, es
würde sogar von hervorragender Bedeutung für die Ausbildung des Charakters
werden. Es würde dadurch eine regere Liebe zur Heimat und ein cmsgcbildeterer
Sinn für ihre Eigentümlichkeiten und Vorzüge großgezogen, es würde den jugend¬
lichen Gemütern Pietät und Patriotismus eingepflanzt, eine größere Seßhaftig¬
keit erzielt und damit vielleicht ein Gegengewicht gegen die durch die Freizügigkeit
hervorgerufenen Nachteile geschaffen werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/98>, abgerufen am 24.08.2024.