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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Aunstdenkmäler.

die nächste Zukunft sind wir durch Frankreich und Rußland noch in die Zwangs¬
lage versetzt, ein großes Heer zu halten, das trotz seiner gewichtigen, leider
vielfach unterschätzten wirtschaftlichen Vorteile und Segnungen doch zuviel
Mittel beansprucht, als daß noch ebensoviel für Kunstzwecke übrig bleiben könnte
wie in Frankreich.

Allerdings dürfte zu befürchten sein, daß wirklich sachverständige Männer,
die zur Übernahme des obengenannten Ehrenamtes eines Korrespondenten sich
bereit finden würden, vorerst nicht in der genügenden Zahl zu haben sein werden.
Trifft man doch in unsern gebildeten Kreisen oft eine wunderbare Unkenntnis
in kunstgeschichtlichen, besonders baugeschichtlicher Sachen. Selbst unsre Archi¬
tekten, die am ehesten in Frage kommen würden, erfreuen sich vielfach der ge¬
diegensten Unkenntnis in der Geschichte ihres Faches, während z. B. unsre
Gymnasiallehrer viel zu ausschließlich mit der antiken Kunst beschäftigt sind
jnicht einmal mit der! D. Red. j, als daß sie für die eignen heimatlichen Alter¬
tümer Zeit und Interesse übrig hätten. Erst kürzlich wurde in einem der her¬
vorragendsten philologischen Fachblätter in einem sonst sehr verständigen Aufsätze
alles Ernstes und nachdrücklichst erörtert, daß für den Unterricht in der
Schule lediglich die griechische und römische Kunst heranzuziehen sei. Und hier¬
mit komme ich auf einen sehr wesentlichen Punkt. Ich bin ganz im Gegensatz
zu dem Verfasser jenes Artikels der Meinung, daß unsre Jugend vornehmlich
mit der vaterländischen Kunst vertraut zu machen sei, damit so für die Zu¬
kunft ein tüchtiger Stamm von Mitarbeitern an der Erhaltung der Denkmäler,
andrerseits überhaupt ein größeres Interesse, ein besserer Sinn und ein leben¬
digeres Verständnis für unsre Vergangenheit und für unsre Kunst großge¬
zogen werde.

Man wird mir einwerfen, es sei verfehlt, in einer Zeit, wo überall wegen
Überbürdung der Schüler Klagen, und zum großen Teil sehr berechtigte Klagen,
erschallen, gar noch einen neuen Unterrichtsgegenstand einführen zu wollen. Aber
nichts liegt mir ferner als eine Steigerung dieser Überbürdung; ich glaube vielmehr
mit meinem Vorschlage dazu beizutragen, daß unser Gymnasialuuterrichtswesen
von der falschen Bahn, auf der es gegenwärtig unstreitig wandelt, wieder auf
eine richtigere gelenkt werde, vom Buchstaben zurück zum Geist. Unterricht in
der Kunstgeschichte darf auf den Schulen, wie auch in dem erwähnten philo¬
logischen Aufsatze betont ist, nie und nimmer systematisch erteilt werden, keines¬
falls an bestimmten Stunden der Woche. Es müßten vielmehr gemeinschaftliche
Spaziergänge unter Leitung eines fachmännisch gebildeten Lehrers unternommen
werden, auf welchen von diesem in freier Unterhaltung den Schülern vor der
Kirche oder vor dem Profanbau selbst, in einem Museum oder dergleichen die
Bedeutung eines Kunstwerkes in verständlicher Weise dargelegt und sein Zu¬
sammenhang mit der allgemeinen kunstgeschichtlichen oder überhaupt geschichtlichen
Entwicklung gezeigt würde. Auf diesen Ausflügen dürften mich vorgeschichtliche


Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Aunstdenkmäler.

die nächste Zukunft sind wir durch Frankreich und Rußland noch in die Zwangs¬
lage versetzt, ein großes Heer zu halten, das trotz seiner gewichtigen, leider
vielfach unterschätzten wirtschaftlichen Vorteile und Segnungen doch zuviel
Mittel beansprucht, als daß noch ebensoviel für Kunstzwecke übrig bleiben könnte
wie in Frankreich.

Allerdings dürfte zu befürchten sein, daß wirklich sachverständige Männer,
die zur Übernahme des obengenannten Ehrenamtes eines Korrespondenten sich
bereit finden würden, vorerst nicht in der genügenden Zahl zu haben sein werden.
Trifft man doch in unsern gebildeten Kreisen oft eine wunderbare Unkenntnis
in kunstgeschichtlichen, besonders baugeschichtlicher Sachen. Selbst unsre Archi¬
tekten, die am ehesten in Frage kommen würden, erfreuen sich vielfach der ge¬
diegensten Unkenntnis in der Geschichte ihres Faches, während z. B. unsre
Gymnasiallehrer viel zu ausschließlich mit der antiken Kunst beschäftigt sind
jnicht einmal mit der! D. Red. j, als daß sie für die eignen heimatlichen Alter¬
tümer Zeit und Interesse übrig hätten. Erst kürzlich wurde in einem der her¬
vorragendsten philologischen Fachblätter in einem sonst sehr verständigen Aufsätze
alles Ernstes und nachdrücklichst erörtert, daß für den Unterricht in der
Schule lediglich die griechische und römische Kunst heranzuziehen sei. Und hier¬
mit komme ich auf einen sehr wesentlichen Punkt. Ich bin ganz im Gegensatz
zu dem Verfasser jenes Artikels der Meinung, daß unsre Jugend vornehmlich
mit der vaterländischen Kunst vertraut zu machen sei, damit so für die Zu¬
kunft ein tüchtiger Stamm von Mitarbeitern an der Erhaltung der Denkmäler,
andrerseits überhaupt ein größeres Interesse, ein besserer Sinn und ein leben¬
digeres Verständnis für unsre Vergangenheit und für unsre Kunst großge¬
zogen werde.

Man wird mir einwerfen, es sei verfehlt, in einer Zeit, wo überall wegen
Überbürdung der Schüler Klagen, und zum großen Teil sehr berechtigte Klagen,
erschallen, gar noch einen neuen Unterrichtsgegenstand einführen zu wollen. Aber
nichts liegt mir ferner als eine Steigerung dieser Überbürdung; ich glaube vielmehr
mit meinem Vorschlage dazu beizutragen, daß unser Gymnasialuuterrichtswesen
von der falschen Bahn, auf der es gegenwärtig unstreitig wandelt, wieder auf
eine richtigere gelenkt werde, vom Buchstaben zurück zum Geist. Unterricht in
der Kunstgeschichte darf auf den Schulen, wie auch in dem erwähnten philo¬
logischen Aufsatze betont ist, nie und nimmer systematisch erteilt werden, keines¬
falls an bestimmten Stunden der Woche. Es müßten vielmehr gemeinschaftliche
Spaziergänge unter Leitung eines fachmännisch gebildeten Lehrers unternommen
werden, auf welchen von diesem in freier Unterhaltung den Schülern vor der
Kirche oder vor dem Profanbau selbst, in einem Museum oder dergleichen die
Bedeutung eines Kunstwerkes in verständlicher Weise dargelegt und sein Zu¬
sammenhang mit der allgemeinen kunstgeschichtlichen oder überhaupt geschichtlichen
Entwicklung gezeigt würde. Auf diesen Ausflügen dürften mich vorgeschichtliche


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[0097] Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Aunstdenkmäler. die nächste Zukunft sind wir durch Frankreich und Rußland noch in die Zwangs¬ lage versetzt, ein großes Heer zu halten, das trotz seiner gewichtigen, leider vielfach unterschätzten wirtschaftlichen Vorteile und Segnungen doch zuviel Mittel beansprucht, als daß noch ebensoviel für Kunstzwecke übrig bleiben könnte wie in Frankreich. Allerdings dürfte zu befürchten sein, daß wirklich sachverständige Männer, die zur Übernahme des obengenannten Ehrenamtes eines Korrespondenten sich bereit finden würden, vorerst nicht in der genügenden Zahl zu haben sein werden. Trifft man doch in unsern gebildeten Kreisen oft eine wunderbare Unkenntnis in kunstgeschichtlichen, besonders baugeschichtlicher Sachen. Selbst unsre Archi¬ tekten, die am ehesten in Frage kommen würden, erfreuen sich vielfach der ge¬ diegensten Unkenntnis in der Geschichte ihres Faches, während z. B. unsre Gymnasiallehrer viel zu ausschließlich mit der antiken Kunst beschäftigt sind jnicht einmal mit der! D. Red. j, als daß sie für die eignen heimatlichen Alter¬ tümer Zeit und Interesse übrig hätten. Erst kürzlich wurde in einem der her¬ vorragendsten philologischen Fachblätter in einem sonst sehr verständigen Aufsätze alles Ernstes und nachdrücklichst erörtert, daß für den Unterricht in der Schule lediglich die griechische und römische Kunst heranzuziehen sei. Und hier¬ mit komme ich auf einen sehr wesentlichen Punkt. Ich bin ganz im Gegensatz zu dem Verfasser jenes Artikels der Meinung, daß unsre Jugend vornehmlich mit der vaterländischen Kunst vertraut zu machen sei, damit so für die Zu¬ kunft ein tüchtiger Stamm von Mitarbeitern an der Erhaltung der Denkmäler, andrerseits überhaupt ein größeres Interesse, ein besserer Sinn und ein leben¬ digeres Verständnis für unsre Vergangenheit und für unsre Kunst großge¬ zogen werde. Man wird mir einwerfen, es sei verfehlt, in einer Zeit, wo überall wegen Überbürdung der Schüler Klagen, und zum großen Teil sehr berechtigte Klagen, erschallen, gar noch einen neuen Unterrichtsgegenstand einführen zu wollen. Aber nichts liegt mir ferner als eine Steigerung dieser Überbürdung; ich glaube vielmehr mit meinem Vorschlage dazu beizutragen, daß unser Gymnasialuuterrichtswesen von der falschen Bahn, auf der es gegenwärtig unstreitig wandelt, wieder auf eine richtigere gelenkt werde, vom Buchstaben zurück zum Geist. Unterricht in der Kunstgeschichte darf auf den Schulen, wie auch in dem erwähnten philo¬ logischen Aufsatze betont ist, nie und nimmer systematisch erteilt werden, keines¬ falls an bestimmten Stunden der Woche. Es müßten vielmehr gemeinschaftliche Spaziergänge unter Leitung eines fachmännisch gebildeten Lehrers unternommen werden, auf welchen von diesem in freier Unterhaltung den Schülern vor der Kirche oder vor dem Profanbau selbst, in einem Museum oder dergleichen die Bedeutung eines Kunstwerkes in verständlicher Weise dargelegt und sein Zu¬ sammenhang mit der allgemeinen kunstgeschichtlichen oder überhaupt geschichtlichen Entwicklung gezeigt würde. Auf diesen Ausflügen dürften mich vorgeschichtliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/97>, abgerufen am 24.08.2024.