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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Rnnstdenkmciler,

Ob nach Kreisen oder nach Landschaften vorgegangen werden soll, läßt
sich nur im Einzelfall entscheiden; genaue und zuverlässige Register werden der¬
artige Ungleichheiten aufheben. Für die Herstellung des Textes sind Historiker
von Fach zuzuziehen; erst dadurch wird es ermöglicht, die Inschriften, welche
mitgeteilt werden, richtig aufzulösen, die mittelalterliche Datirungsweise nach
Tagen der Heiligen in die moderne "ach Monatstagen umzuwandeln, eine ge¬
naue chronologische Bestimmung aller Gegenstände herbeizuführen, überhaupt
dem Ganzen den richtigen verfasfungs- und kulturgeschichtlichen Untergrund zu
geben. Bisher sind in dieser Beziehung noch viele Fehler gemacht worden.
Die Anfertigung der Abbildungen wird am besten gebildeten und bewährten
Architekten zu übertragen sein; ans ihre Zahl und die Art ihrer Wiedergabe
werden selbstverständlich die verfügbaren Gelder den größten Einfluß ausüben.
Durch Schenkungen und Stiftungen landcseingcsessener Privaten werden sich
dieselben vielleicht vermehren lassen; auch wird sich durch vorherige Ausschrei¬
bung und dadurch gewonnene sichrere finanzielle Grundlage mehr leisten
lassen. Bei geringen Mitteln empfiehlt es sich, die Zeichnungen in Zinkographie
in den Text drucken zu lassen; keinesfalls sind sie ganz zu entbehren. Gerade
durch sie soll mit die Grundlage geschaffen werden zu einer Geschichte der Ent¬
wicklung des Ornaments, die uns so sehr notthut, und sür die Karl Lamprecht
kürzlich eine bahnbrechende und von dem glücklichsten Erfolg begleitete Studie
veröffentlicht hat.

Sind endlich durch diese Jnventarisationsarbeiten, deren Ausführung Jahre
und Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, alle Bau- und Kunstdenkmäler, die
uns geblieben, bekannt geworden, so wird die nächste Aufgabe die Sichtung des
Materials sein. Nach dem Vorbilde Frankreichs wird durch gemeinsamen Be¬
schluß von Abgeordneten aller deutschen Landesteile, wenn möglich mit Hilfe
der Gesetzgebung, festzustellen sein, welche Denkmäler unbedingt vor Untergang
zu sichern sind. Unter diese nationalen Heiligtümer, wie ich sie nennen möchte,
würden natürlich bloß Werke von allerersten historischen oder künstlerischen
Range aufzunehmen sein. Über die Behandlung und Erhaltung der andern
wird, unter Regelung durch Landesgesetze, vor allem die Bedürfnisfrage und
das vorhandene Geld entscheiden. Alles wird sich ja auf die Dauer nicht er¬
halten lassen, manches wird den Anforderungen des modernen Verkehrs geopfert
werden müssen, andres wird schon zu morsch und baufällig sein, als daß es
noch einmal geflickt werden könnte. Das Bessere ist auch hier der Feind des
Guten, und das Gesetz, das rundweg die sorgfältigste Erhaltung sämtlicher alten
Mauern anbefehlen wollte, würde nur allzubald einen Rückschlag in der für
die vorliegende Frage gegenwärtig sehr günstigen öffentlichen Meinung (soweit
man hier überhaupt von einer öffentlichen Meinung sprechen kann) hervorrufen.
So war die Beseitigung der Beischläge in der Langgasse zu Danzig, so be¬
trübend sie war, doch eine unabweisbare, im Interesse der menschlichen Sicher-


Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Rnnstdenkmciler,

Ob nach Kreisen oder nach Landschaften vorgegangen werden soll, läßt
sich nur im Einzelfall entscheiden; genaue und zuverlässige Register werden der¬
artige Ungleichheiten aufheben. Für die Herstellung des Textes sind Historiker
von Fach zuzuziehen; erst dadurch wird es ermöglicht, die Inschriften, welche
mitgeteilt werden, richtig aufzulösen, die mittelalterliche Datirungsweise nach
Tagen der Heiligen in die moderne »ach Monatstagen umzuwandeln, eine ge¬
naue chronologische Bestimmung aller Gegenstände herbeizuführen, überhaupt
dem Ganzen den richtigen verfasfungs- und kulturgeschichtlichen Untergrund zu
geben. Bisher sind in dieser Beziehung noch viele Fehler gemacht worden.
Die Anfertigung der Abbildungen wird am besten gebildeten und bewährten
Architekten zu übertragen sein; ans ihre Zahl und die Art ihrer Wiedergabe
werden selbstverständlich die verfügbaren Gelder den größten Einfluß ausüben.
Durch Schenkungen und Stiftungen landcseingcsessener Privaten werden sich
dieselben vielleicht vermehren lassen; auch wird sich durch vorherige Ausschrei¬
bung und dadurch gewonnene sichrere finanzielle Grundlage mehr leisten
lassen. Bei geringen Mitteln empfiehlt es sich, die Zeichnungen in Zinkographie
in den Text drucken zu lassen; keinesfalls sind sie ganz zu entbehren. Gerade
durch sie soll mit die Grundlage geschaffen werden zu einer Geschichte der Ent¬
wicklung des Ornaments, die uns so sehr notthut, und sür die Karl Lamprecht
kürzlich eine bahnbrechende und von dem glücklichsten Erfolg begleitete Studie
veröffentlicht hat.

Sind endlich durch diese Jnventarisationsarbeiten, deren Ausführung Jahre
und Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, alle Bau- und Kunstdenkmäler, die
uns geblieben, bekannt geworden, so wird die nächste Aufgabe die Sichtung des
Materials sein. Nach dem Vorbilde Frankreichs wird durch gemeinsamen Be¬
schluß von Abgeordneten aller deutschen Landesteile, wenn möglich mit Hilfe
der Gesetzgebung, festzustellen sein, welche Denkmäler unbedingt vor Untergang
zu sichern sind. Unter diese nationalen Heiligtümer, wie ich sie nennen möchte,
würden natürlich bloß Werke von allerersten historischen oder künstlerischen
Range aufzunehmen sein. Über die Behandlung und Erhaltung der andern
wird, unter Regelung durch Landesgesetze, vor allem die Bedürfnisfrage und
das vorhandene Geld entscheiden. Alles wird sich ja auf die Dauer nicht er¬
halten lassen, manches wird den Anforderungen des modernen Verkehrs geopfert
werden müssen, andres wird schon zu morsch und baufällig sein, als daß es
noch einmal geflickt werden könnte. Das Bessere ist auch hier der Feind des
Guten, und das Gesetz, das rundweg die sorgfältigste Erhaltung sämtlicher alten
Mauern anbefehlen wollte, würde nur allzubald einen Rückschlag in der für
die vorliegende Frage gegenwärtig sehr günstigen öffentlichen Meinung (soweit
man hier überhaupt von einer öffentlichen Meinung sprechen kann) hervorrufen.
So war die Beseitigung der Beischläge in der Langgasse zu Danzig, so be¬
trübend sie war, doch eine unabweisbare, im Interesse der menschlichen Sicher-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/94>, abgerufen am 25.08.2024.