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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zur Geschichte der Theciterleitung Goethes.

ringen der Zeit entsprechendes an seine Stelle gesetzt hat, so beweisen diese
Schöpfungen schon, daß in finanzieller Beziehung das Hoftheater Weimars
mit großer Umsicht geleitet war, zumal da es bei sich stets steigernden An¬
sprüchen mit im ganzen mäßigen Unterstützungen des Hofes sich selbst zu
erhalten imstande war. Allerdings darf man nicht an die Befriedigung der außer-
ordentlichen Ansprüche denken, welche heute das Publikum an eine Theatcrvcr-
waltung erhebt. Die Goethische Einrichtung stand weit hinter der zurück, welche
selbst vor mehr als fünfzig Jahren schon dem Weimarischen Theater eigen war.
Der Typus des klassischen Theaters hat sich uns annähernd nur in Lanchstädt er¬
halten. Noch zeigt das Parterre die alten unbequemen Holzbänke, deren vordere
Reihen höchstens sich durch ein mangelhaftes Polster auszeichnen. Während
das feinere Publikum in Seitenlogen gedrängt war, die bezüglich ihrer Ursprüng¬
lichkeit nichts zu wünschen übrigen lassen, war der vierte Platz, den man für
den bescheidenen Preis von zwei Groschen einnehmen konnte, in Form der heutigen
weit zurücktretenden Galerie über dem Parterre aufgebaut. Immerhin war sie
noch besser als in dem von Goethe unterhaltenen Hoftheater in Rudolstadt,
wo die Zuschauer des letzten Platzes den Vorstellungen hinter einem Latten-
verschlage stehend beiwohnten, dem der Volkswitz alsbald in treffendem Vergleich
den Namen "Gänsestall" beilegte.^)

Analog dieser Einrichtung war auch die Beleuchtung auf der Bühne und
im Zuschauerraum. Mehr als siebzig gezogene Lichter erhellten das gesamte
Theater nicht, der wandelnde Lichtputzer hatte vollauf zu thun, um eine freund-
liche Begrüßung des nicht allzufernen Nachbars zu ermöglichen. Ein Kron¬
leuchter galt umsomehr als Luxus, als er im Beginn des Lauchstädter Theaters
-nicht einmal in der Idee vorhanden war. Sieht man sich im iibrigen die
Ziffern für die Aufwande des ersten Jahres an, so bezeichnen sie die rührende
Einfachheit der Ansprüche eines Publikums, das eben in das Theater ging, um
sich dem geistigen Genuß in vollem Maße hinzugeben. Zahlen sprechen in dieser
Beziehung deutlicher, ihrer Wucht vermag sich auch die glänzendste Darstellung
der Verhältnisse nicht zur Seite zu stellen. Als die wandelnde Hofbühne 1791
vom 7. Mai bis zum 25. September in Weimar, Lanchstädt und Erfurt thätig
gewesen war, hatte man 73 Spieltage hinter sich. Man muß staunen, daß in
der halbjährigen angestrengten Thätigkeit das Theater nicht mehr als 4113 Thaler
gekostet hatte. Hatte man für Dekorationen Is, für Garderobe 34, für Musi-
kalien 2, für Rolleyschreiber 10, für Beleuchtung 68, für Orchester 162, für
Wache und Statisten 28, für Regie 86, für Miete, Abgaben und Erhaltung
des Schauspielhauses 156 Thaler aufgewandt, so waren auf Reisediäten nicht



*) Der Leipziger denkt dabei an die "Hühnerstcige" im Leipziger Gelvandhauskonzert-
D. Red. sanl, auf der freilich ein Platz - drei Mark kostet. '
Zur Geschichte der Theciterleitung Goethes.

ringen der Zeit entsprechendes an seine Stelle gesetzt hat, so beweisen diese
Schöpfungen schon, daß in finanzieller Beziehung das Hoftheater Weimars
mit großer Umsicht geleitet war, zumal da es bei sich stets steigernden An¬
sprüchen mit im ganzen mäßigen Unterstützungen des Hofes sich selbst zu
erhalten imstande war. Allerdings darf man nicht an die Befriedigung der außer-
ordentlichen Ansprüche denken, welche heute das Publikum an eine Theatcrvcr-
waltung erhebt. Die Goethische Einrichtung stand weit hinter der zurück, welche
selbst vor mehr als fünfzig Jahren schon dem Weimarischen Theater eigen war.
Der Typus des klassischen Theaters hat sich uns annähernd nur in Lanchstädt er¬
halten. Noch zeigt das Parterre die alten unbequemen Holzbänke, deren vordere
Reihen höchstens sich durch ein mangelhaftes Polster auszeichnen. Während
das feinere Publikum in Seitenlogen gedrängt war, die bezüglich ihrer Ursprüng¬
lichkeit nichts zu wünschen übrigen lassen, war der vierte Platz, den man für
den bescheidenen Preis von zwei Groschen einnehmen konnte, in Form der heutigen
weit zurücktretenden Galerie über dem Parterre aufgebaut. Immerhin war sie
noch besser als in dem von Goethe unterhaltenen Hoftheater in Rudolstadt,
wo die Zuschauer des letzten Platzes den Vorstellungen hinter einem Latten-
verschlage stehend beiwohnten, dem der Volkswitz alsbald in treffendem Vergleich
den Namen „Gänsestall" beilegte.^)

Analog dieser Einrichtung war auch die Beleuchtung auf der Bühne und
im Zuschauerraum. Mehr als siebzig gezogene Lichter erhellten das gesamte
Theater nicht, der wandelnde Lichtputzer hatte vollauf zu thun, um eine freund-
liche Begrüßung des nicht allzufernen Nachbars zu ermöglichen. Ein Kron¬
leuchter galt umsomehr als Luxus, als er im Beginn des Lauchstädter Theaters
-nicht einmal in der Idee vorhanden war. Sieht man sich im iibrigen die
Ziffern für die Aufwande des ersten Jahres an, so bezeichnen sie die rührende
Einfachheit der Ansprüche eines Publikums, das eben in das Theater ging, um
sich dem geistigen Genuß in vollem Maße hinzugeben. Zahlen sprechen in dieser
Beziehung deutlicher, ihrer Wucht vermag sich auch die glänzendste Darstellung
der Verhältnisse nicht zur Seite zu stellen. Als die wandelnde Hofbühne 1791
vom 7. Mai bis zum 25. September in Weimar, Lanchstädt und Erfurt thätig
gewesen war, hatte man 73 Spieltage hinter sich. Man muß staunen, daß in
der halbjährigen angestrengten Thätigkeit das Theater nicht mehr als 4113 Thaler
gekostet hatte. Hatte man für Dekorationen Is, für Garderobe 34, für Musi-
kalien 2, für Rolleyschreiber 10, für Beleuchtung 68, für Orchester 162, für
Wache und Statisten 28, für Regie 86, für Miete, Abgaben und Erhaltung
des Schauspielhauses 156 Thaler aufgewandt, so waren auf Reisediäten nicht



*) Der Leipziger denkt dabei an die „Hühnerstcige" im Leipziger Gelvandhauskonzert-
D. Red. sanl, auf der freilich ein Platz - drei Mark kostet. '
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[0085] Zur Geschichte der Theciterleitung Goethes. ringen der Zeit entsprechendes an seine Stelle gesetzt hat, so beweisen diese Schöpfungen schon, daß in finanzieller Beziehung das Hoftheater Weimars mit großer Umsicht geleitet war, zumal da es bei sich stets steigernden An¬ sprüchen mit im ganzen mäßigen Unterstützungen des Hofes sich selbst zu erhalten imstande war. Allerdings darf man nicht an die Befriedigung der außer- ordentlichen Ansprüche denken, welche heute das Publikum an eine Theatcrvcr- waltung erhebt. Die Goethische Einrichtung stand weit hinter der zurück, welche selbst vor mehr als fünfzig Jahren schon dem Weimarischen Theater eigen war. Der Typus des klassischen Theaters hat sich uns annähernd nur in Lanchstädt er¬ halten. Noch zeigt das Parterre die alten unbequemen Holzbänke, deren vordere Reihen höchstens sich durch ein mangelhaftes Polster auszeichnen. Während das feinere Publikum in Seitenlogen gedrängt war, die bezüglich ihrer Ursprüng¬ lichkeit nichts zu wünschen übrigen lassen, war der vierte Platz, den man für den bescheidenen Preis von zwei Groschen einnehmen konnte, in Form der heutigen weit zurücktretenden Galerie über dem Parterre aufgebaut. Immerhin war sie noch besser als in dem von Goethe unterhaltenen Hoftheater in Rudolstadt, wo die Zuschauer des letzten Platzes den Vorstellungen hinter einem Latten- verschlage stehend beiwohnten, dem der Volkswitz alsbald in treffendem Vergleich den Namen „Gänsestall" beilegte.^) Analog dieser Einrichtung war auch die Beleuchtung auf der Bühne und im Zuschauerraum. Mehr als siebzig gezogene Lichter erhellten das gesamte Theater nicht, der wandelnde Lichtputzer hatte vollauf zu thun, um eine freund- liche Begrüßung des nicht allzufernen Nachbars zu ermöglichen. Ein Kron¬ leuchter galt umsomehr als Luxus, als er im Beginn des Lauchstädter Theaters -nicht einmal in der Idee vorhanden war. Sieht man sich im iibrigen die Ziffern für die Aufwande des ersten Jahres an, so bezeichnen sie die rührende Einfachheit der Ansprüche eines Publikums, das eben in das Theater ging, um sich dem geistigen Genuß in vollem Maße hinzugeben. Zahlen sprechen in dieser Beziehung deutlicher, ihrer Wucht vermag sich auch die glänzendste Darstellung der Verhältnisse nicht zur Seite zu stellen. Als die wandelnde Hofbühne 1791 vom 7. Mai bis zum 25. September in Weimar, Lanchstädt und Erfurt thätig gewesen war, hatte man 73 Spieltage hinter sich. Man muß staunen, daß in der halbjährigen angestrengten Thätigkeit das Theater nicht mehr als 4113 Thaler gekostet hatte. Hatte man für Dekorationen Is, für Garderobe 34, für Musi- kalien 2, für Rolleyschreiber 10, für Beleuchtung 68, für Orchester 162, für Wache und Statisten 28, für Regie 86, für Miete, Abgaben und Erhaltung des Schauspielhauses 156 Thaler aufgewandt, so waren auf Reisediäten nicht *) Der Leipziger denkt dabei an die „Hühnerstcige" im Leipziger Gelvandhauskonzert- D. Red. sanl, auf der freilich ein Platz - drei Mark kostet. '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/85>, abgerufen am 28.09.2024.