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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes,

führerischen Besuch Lauchstädts gern gesehen hätte, wenn auch nicht mehr Ver¬
hältnisse wie unter Friedrich dem Großen maßgebend sein konnten, der der An¬
sicht war, daß der Student überhaupt kein Recht habe, das verderbliche Theater
aufzusuchen. Im Gegenteil war in Halle jetzt eine Strömung bemerkbar, welche
für die Übersiedlung des Goethischen Theaters von Lcmchstädt sich thätig zeigte.

So kam die Zeit, wo Goethe dem ergiebigen Halle selbst zusteuerte. Hinzu
kam, daß die alte, fast sprichwörtlich gewordene schmutzige Stadt wie rin einem
Zauberschlage sich den Ruf eines Bades erworben hatte, das Goethe von
Lauchstädt aus zuerst ganz nebensächlich behandelte, bis er dann 1812 Halle
ausschließlich besuchen und sein eignes Schauspielhaus in Lauchstädt einer unter¬
geordneten Truppe überlassen konnte. Nur 1814 ließ er sich auf dringliche
Vorstellungen erweichen, ab und zu die Truppe nach Lauchstädt zu entsenden.
Dann kehrte er dem Städtchen für immer den Rücken.

Mußte Goethe auf die Ertragsfähigkeit seines Theaters Gewicht lege", so
fand er diese in Halle doppelt so hoch als in Lauchstädt, wenn auch die Kosten
der Aufführung den Reinertrag vielfach beeinträchtigten. Die Hauptsache war
aber, daß in der Universität ein gebildetes Publikum seine Absichten zu wür¬
digen und seine Schauspieler zu ehren verstand. Zwar hat Halle finanziell nie
das erzielt, waS Leipzig brachte, aber andrerseits muß mau auch bedenken, wie
mit den Jahren die Ansprüche Goethes und die Forderungen des Publikums
sich steigerten, welche gewaltige Entwicklung des ganzen kunstvollen Apparates
vorlag, den Weimar allein nicht ermöglichen konnte.

Wenn wir heute auf die Fortentwicklung unsers Theaters in Weimar stolz
sein können, so dürfte man nach diesen Ausführungen schwerlich mehr daran
zweifeln, daß die Wiege des Weimarer Theaters nicht ausschließlich in Weimar,
sondern auch in Lauchstädt und Halle zu suchen ist.

Vor allem lag die gewaltige Arbeit Goethes in dem äußerst schwierige"
Erwerb der nötige" Mittel, welche zur Erhaltung des großen Ganzen unum¬
gänglich nötig waren. Er wie die seit 1797 bestehende Theaterkommission hat
in wahrhaft umfassender Weise gearbeitet, um den tausendfachen Hindernissen
mit Erfolg begegnen zu können. Man war weit entfernt, die Stätten thea¬
tralischen Wirkens sozusagen schablonenmäßig zu behandeln; im Gegenteil, man
studirte die charakteristischen Eigentümlichkeiten, huldigte bis zu einem gewissen
Grade dem Geschmack des großen Publikums, ohne daß man das große Ziel
Goethes nur einen Angenblick ans dem Auge verlor, fördernd und läuternd zu
wirken.

Wenn man in Ansehung äußerer Mittel erwägt, daß Goethe 1791 sein
Theater mit 16 "Akteurs" in Weimar eröffnete und Raum für 26 allseitig
gebildete Künstler geschaffen hat, wenn man erwägt, daß er in Weimar wieder¬
holt den Ausbau des Theaters mit ausschließlich erworbenen Mitteln bestritten,
in Lauchstädt das alte Schauspielhaus angekauft und ein neues, den Anforde-


Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes,

führerischen Besuch Lauchstädts gern gesehen hätte, wenn auch nicht mehr Ver¬
hältnisse wie unter Friedrich dem Großen maßgebend sein konnten, der der An¬
sicht war, daß der Student überhaupt kein Recht habe, das verderbliche Theater
aufzusuchen. Im Gegenteil war in Halle jetzt eine Strömung bemerkbar, welche
für die Übersiedlung des Goethischen Theaters von Lcmchstädt sich thätig zeigte.

So kam die Zeit, wo Goethe dem ergiebigen Halle selbst zusteuerte. Hinzu
kam, daß die alte, fast sprichwörtlich gewordene schmutzige Stadt wie rin einem
Zauberschlage sich den Ruf eines Bades erworben hatte, das Goethe von
Lauchstädt aus zuerst ganz nebensächlich behandelte, bis er dann 1812 Halle
ausschließlich besuchen und sein eignes Schauspielhaus in Lauchstädt einer unter¬
geordneten Truppe überlassen konnte. Nur 1814 ließ er sich auf dringliche
Vorstellungen erweichen, ab und zu die Truppe nach Lauchstädt zu entsenden.
Dann kehrte er dem Städtchen für immer den Rücken.

Mußte Goethe auf die Ertragsfähigkeit seines Theaters Gewicht lege», so
fand er diese in Halle doppelt so hoch als in Lauchstädt, wenn auch die Kosten
der Aufführung den Reinertrag vielfach beeinträchtigten. Die Hauptsache war
aber, daß in der Universität ein gebildetes Publikum seine Absichten zu wür¬
digen und seine Schauspieler zu ehren verstand. Zwar hat Halle finanziell nie
das erzielt, waS Leipzig brachte, aber andrerseits muß mau auch bedenken, wie
mit den Jahren die Ansprüche Goethes und die Forderungen des Publikums
sich steigerten, welche gewaltige Entwicklung des ganzen kunstvollen Apparates
vorlag, den Weimar allein nicht ermöglichen konnte.

Wenn wir heute auf die Fortentwicklung unsers Theaters in Weimar stolz
sein können, so dürfte man nach diesen Ausführungen schwerlich mehr daran
zweifeln, daß die Wiege des Weimarer Theaters nicht ausschließlich in Weimar,
sondern auch in Lauchstädt und Halle zu suchen ist.

Vor allem lag die gewaltige Arbeit Goethes in dem äußerst schwierige»
Erwerb der nötige» Mittel, welche zur Erhaltung des großen Ganzen unum¬
gänglich nötig waren. Er wie die seit 1797 bestehende Theaterkommission hat
in wahrhaft umfassender Weise gearbeitet, um den tausendfachen Hindernissen
mit Erfolg begegnen zu können. Man war weit entfernt, die Stätten thea¬
tralischen Wirkens sozusagen schablonenmäßig zu behandeln; im Gegenteil, man
studirte die charakteristischen Eigentümlichkeiten, huldigte bis zu einem gewissen
Grade dem Geschmack des großen Publikums, ohne daß man das große Ziel
Goethes nur einen Angenblick ans dem Auge verlor, fördernd und läuternd zu
wirken.

Wenn man in Ansehung äußerer Mittel erwägt, daß Goethe 1791 sein
Theater mit 16 „Akteurs" in Weimar eröffnete und Raum für 26 allseitig
gebildete Künstler geschaffen hat, wenn man erwägt, daß er in Weimar wieder¬
holt den Ausbau des Theaters mit ausschließlich erworbenen Mitteln bestritten,
in Lauchstädt das alte Schauspielhaus angekauft und ein neues, den Anforde-


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[0084] Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes, führerischen Besuch Lauchstädts gern gesehen hätte, wenn auch nicht mehr Ver¬ hältnisse wie unter Friedrich dem Großen maßgebend sein konnten, der der An¬ sicht war, daß der Student überhaupt kein Recht habe, das verderbliche Theater aufzusuchen. Im Gegenteil war in Halle jetzt eine Strömung bemerkbar, welche für die Übersiedlung des Goethischen Theaters von Lcmchstädt sich thätig zeigte. So kam die Zeit, wo Goethe dem ergiebigen Halle selbst zusteuerte. Hinzu kam, daß die alte, fast sprichwörtlich gewordene schmutzige Stadt wie rin einem Zauberschlage sich den Ruf eines Bades erworben hatte, das Goethe von Lauchstädt aus zuerst ganz nebensächlich behandelte, bis er dann 1812 Halle ausschließlich besuchen und sein eignes Schauspielhaus in Lauchstädt einer unter¬ geordneten Truppe überlassen konnte. Nur 1814 ließ er sich auf dringliche Vorstellungen erweichen, ab und zu die Truppe nach Lauchstädt zu entsenden. Dann kehrte er dem Städtchen für immer den Rücken. Mußte Goethe auf die Ertragsfähigkeit seines Theaters Gewicht lege», so fand er diese in Halle doppelt so hoch als in Lauchstädt, wenn auch die Kosten der Aufführung den Reinertrag vielfach beeinträchtigten. Die Hauptsache war aber, daß in der Universität ein gebildetes Publikum seine Absichten zu wür¬ digen und seine Schauspieler zu ehren verstand. Zwar hat Halle finanziell nie das erzielt, waS Leipzig brachte, aber andrerseits muß mau auch bedenken, wie mit den Jahren die Ansprüche Goethes und die Forderungen des Publikums sich steigerten, welche gewaltige Entwicklung des ganzen kunstvollen Apparates vorlag, den Weimar allein nicht ermöglichen konnte. Wenn wir heute auf die Fortentwicklung unsers Theaters in Weimar stolz sein können, so dürfte man nach diesen Ausführungen schwerlich mehr daran zweifeln, daß die Wiege des Weimarer Theaters nicht ausschließlich in Weimar, sondern auch in Lauchstädt und Halle zu suchen ist. Vor allem lag die gewaltige Arbeit Goethes in dem äußerst schwierige» Erwerb der nötige» Mittel, welche zur Erhaltung des großen Ganzen unum¬ gänglich nötig waren. Er wie die seit 1797 bestehende Theaterkommission hat in wahrhaft umfassender Weise gearbeitet, um den tausendfachen Hindernissen mit Erfolg begegnen zu können. Man war weit entfernt, die Stätten thea¬ tralischen Wirkens sozusagen schablonenmäßig zu behandeln; im Gegenteil, man studirte die charakteristischen Eigentümlichkeiten, huldigte bis zu einem gewissen Grade dem Geschmack des großen Publikums, ohne daß man das große Ziel Goethes nur einen Angenblick ans dem Auge verlor, fördernd und läuternd zu wirken. Wenn man in Ansehung äußerer Mittel erwägt, daß Goethe 1791 sein Theater mit 16 „Akteurs" in Weimar eröffnete und Raum für 26 allseitig gebildete Künstler geschaffen hat, wenn man erwägt, daß er in Weimar wieder¬ holt den Ausbau des Theaters mit ausschließlich erworbenen Mitteln bestritten, in Lauchstädt das alte Schauspielhaus angekauft und ein neues, den Anforde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/84>, abgerufen am 28.09.2024.