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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Vor kurzenr wußten fremde Zeitungen von einer Liga gegen den Minister
Taaffe zu erzählen und wurden dafür von ministeriellen Organen abgeführt.
Diesen war die Arbeit bequem gemacht, denn in der That zeugte die Wahl der
Namen, welche in jene angebliche Aktion verflochten wurden, von sehr geringer
Personenkenntnis, Immerhin lag, wenn die ganze Geschichte erfunden sein sollte,
der Erfindung die Wahrheit zu Grunde, daß der Kern des österreichischen
Beamtentums und nicht minder die gebildeten Militärkreise durch die jetzige
"autonomistische" Politik, die bald wird eine atomistische genannt werden können,
mit ernster Sorge erfüllt werden. Militärische Fachblätter haben bereits wieder¬
holt ihre Bedenken gegen ein System ausgesprochen, welches die eine österreichische
Armee in eine Anzahl nationaler Armeen aufzulösen droht; und der entsprechende
Vorgang auf dem Gebiete der politischen Verwaltung wird nur von verhallten
Strebern als ganz unbedenklich dargestellt. Bei diesen Gegnern der herrschenden
Politik spielt die Nationalität eine untergeordnete Rolle, und wenn slawische
Blätter glauben machen wollen, lediglich die "deutsche Bürokratie" im Zivil¬
dienst und im Heere mache dem Ministerium stille Opposition, so reden sie gegen
besseres Wissen. Die Überzeugung, daß Österreich nicht zu einem Staatenbunde
gemacht werden dürfe, bildet eben das Bindeglied zwischen der national-deutschen
Partei und der schwarzgelben, mit welchem Namen wir heute, wo er seine ge¬
hässige Bedeutung verloren hat, die Militär- und Zivilbürokraten belegen dürfen.
Und die Männer dieser österreichischen oder kaiserlichen Partei sind ebenso mi߬
trauisch gegen die extremen Parteien im deutschen wie im tschechischen und
polnischen Lager; sagt ihnen, sie sollen "preußisch" werden, und sie werden ein
Österreich unter slawischer Führung als das kleinere Übel wählen,

Zu dieser Partei kommt eine dritte, die katholische ans den deutschen Alpen¬
ländern, welche bisher mit der slawischen Rechten gegangen ist, aber Miene
macht, sich von dieser abzulösen. Sie ist, während man die Schwnrzgelben haupt¬
sächlich im Herrenhause zu suchen hat, im Abgeordnetenhause durch eine Fraktion
vertreten, welche nicht groß an Zahl, aber von großer Bedeutung ist, weil sie
für die eine oder die andre Seite den Ausschlag geben kann.

Und in dem Verhältnis zu ihr dokumentirt sich wieder die Geringfügigkeit
des politischen Talentes, über welches die leitenden Organe der Verfassungs¬
partei verfügen. Die ebensogut deutschen wie gut katholischen Bauern in Ober-
österreich, Salzburg u. s. w. sind die längste Zeit damit einverstanden gewesen,
daß ihre Erwählten mit der Rechten stimmten, weil sie von der Linken ihren
Glauben bedroht glaubten. Seitdem aber die Tschechen es nicht mehr für nötig
halten, ihrem nationalen Fanatismus ein Müntelchen umzuhängen, die alte
Hnssitenmtur in ihrer ganzen Ungeschlachtheit herauskehren, und die Polen so
aufrichtig geworden sind (welche Tugend ihnen sonst selten nachgerühmt wurde),
zu bekennen, daß sie gut österreichisch seien, so lange in allem ihr Wille ge¬
schieht -- seitdem ist den Älplern unheimlich zu Mute geworden und haben


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Vor kurzenr wußten fremde Zeitungen von einer Liga gegen den Minister
Taaffe zu erzählen und wurden dafür von ministeriellen Organen abgeführt.
Diesen war die Arbeit bequem gemacht, denn in der That zeugte die Wahl der
Namen, welche in jene angebliche Aktion verflochten wurden, von sehr geringer
Personenkenntnis, Immerhin lag, wenn die ganze Geschichte erfunden sein sollte,
der Erfindung die Wahrheit zu Grunde, daß der Kern des österreichischen
Beamtentums und nicht minder die gebildeten Militärkreise durch die jetzige
„autonomistische" Politik, die bald wird eine atomistische genannt werden können,
mit ernster Sorge erfüllt werden. Militärische Fachblätter haben bereits wieder¬
holt ihre Bedenken gegen ein System ausgesprochen, welches die eine österreichische
Armee in eine Anzahl nationaler Armeen aufzulösen droht; und der entsprechende
Vorgang auf dem Gebiete der politischen Verwaltung wird nur von verhallten
Strebern als ganz unbedenklich dargestellt. Bei diesen Gegnern der herrschenden
Politik spielt die Nationalität eine untergeordnete Rolle, und wenn slawische
Blätter glauben machen wollen, lediglich die „deutsche Bürokratie" im Zivil¬
dienst und im Heere mache dem Ministerium stille Opposition, so reden sie gegen
besseres Wissen. Die Überzeugung, daß Österreich nicht zu einem Staatenbunde
gemacht werden dürfe, bildet eben das Bindeglied zwischen der national-deutschen
Partei und der schwarzgelben, mit welchem Namen wir heute, wo er seine ge¬
hässige Bedeutung verloren hat, die Militär- und Zivilbürokraten belegen dürfen.
Und die Männer dieser österreichischen oder kaiserlichen Partei sind ebenso mi߬
trauisch gegen die extremen Parteien im deutschen wie im tschechischen und
polnischen Lager; sagt ihnen, sie sollen „preußisch" werden, und sie werden ein
Österreich unter slawischer Führung als das kleinere Übel wählen,

Zu dieser Partei kommt eine dritte, die katholische ans den deutschen Alpen¬
ländern, welche bisher mit der slawischen Rechten gegangen ist, aber Miene
macht, sich von dieser abzulösen. Sie ist, während man die Schwnrzgelben haupt¬
sächlich im Herrenhause zu suchen hat, im Abgeordnetenhause durch eine Fraktion
vertreten, welche nicht groß an Zahl, aber von großer Bedeutung ist, weil sie
für die eine oder die andre Seite den Ausschlag geben kann.

Und in dem Verhältnis zu ihr dokumentirt sich wieder die Geringfügigkeit
des politischen Talentes, über welches die leitenden Organe der Verfassungs¬
partei verfügen. Die ebensogut deutschen wie gut katholischen Bauern in Ober-
österreich, Salzburg u. s. w. sind die längste Zeit damit einverstanden gewesen,
daß ihre Erwählten mit der Rechten stimmten, weil sie von der Linken ihren
Glauben bedroht glaubten. Seitdem aber die Tschechen es nicht mehr für nötig
halten, ihrem nationalen Fanatismus ein Müntelchen umzuhängen, die alte
Hnssitenmtur in ihrer ganzen Ungeschlachtheit herauskehren, und die Polen so
aufrichtig geworden sind (welche Tugend ihnen sonst selten nachgerühmt wurde),
zu bekennen, daß sie gut österreichisch seien, so lange in allem ihr Wille ge¬
schieht — seitdem ist den Älplern unheimlich zu Mute geworden und haben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/69>, abgerufen am 22.07.2024.