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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Lin Wort über Vunstschulcn.

ihre Rolle; sie sind auch hier wieder Träger des Werkes. Nun kann sich eine
virtuose Kraft ja sicher in verzwickten Aufgaben am glänzendsten bethätigen,
allein das höchste Ziel des Künstlers ist es doch wohl nicht, Virtuose zu sein.
Das tiefe und reine germanische Gemüt verlangt andre Nahrung als die, deren
Ils-utZont durch starke Pfefferung maskirt ist. Ihm hat Spielhagen früher ge¬
recht werden können, ihm soll er wieder gerecht werden. Wir wünschen von
.Herzen, daß der Dichter unsre oft absprechende" Worte nicht als Ausfluß wohl¬
feiler Tadelsucht ansehen möge. Vieles wäre noch zu sagen über Schilderung,
Ökonomie der Handlung u. s. w., Anerkennendes, Bewunderndes und Tadelndes.
Wir wollten nur das hervorheben, was uns das Bedenklichste, was uns ungesund
schien. Ein Roman von Spielhagcn ist immer ein bedeutendes Buch, das auf
die Achtung der' Nation Anspruch machen kann. Aber eben weit der Dichter
nationale Bedeutung besitzt, sollte er seinen höchsten Ruhm darin finden, national
zu sein. Den tiefsten und reinsten Ausdruck germanischer Empfindung und
Weltanschauung sollte er suchen. Nicht der Beifall der Kenner über technische
Meisterschaft, nicht das Behagen des literarischen Gourmands über interessante
und geistreich behandelte Stoffe kann dem Dichter den warmen Herzschlag er¬
setzen, welchen ihm das Volk entgegenbringt, dessen innerstem Fühlen, dessen
stummem Streben er Ausdruck verlieh. Das Volk macht ihn groß, dem Volke
soll er dienen.


G. Härtung.


Gin Wort über Kunstschulen.

le schreibseligcn Maler, die zu glauben scheinen, daß die Drucker¬
schwärze ihnen zu den Lorbern verhelfen werde, welche die Ölfarbe
versagt hat, können sich eines Erfolges bereits rühmen: alle
lebenden Künstler stehen jetzt in dem Verdacht, von Brotneid
gegen die toten verzehrt zu werden. Diejenigen, welche der
Vorwurf nicht trifft, mögen sich dafür bei den in jedem Sinne unberufenen
Wortführern bedanken, welche bald direkt, bald durch irgend ein unschuldiges
Mundstück die Lehre verkünden, daß das Geld, welches jetzt zur Erwerbung
alter Kunstschätze aufgewandt wird, von Gottes und Rechtswegen der Heran¬
bildung junger Künstler in den Akademien und Unterstützung älterer durch
Ankauf ihrer Werke gewidmet werden müsse. Mitgefangen, angehangen!
Künstler von wirklicher Bedeutung sind gewöhnlich friedfertige Leute und lassen
lieber ihre Werke sprechen, als daß sie sich in Zeitungspolemik mischen, ihr


Lin Wort über Vunstschulcn.

ihre Rolle; sie sind auch hier wieder Träger des Werkes. Nun kann sich eine
virtuose Kraft ja sicher in verzwickten Aufgaben am glänzendsten bethätigen,
allein das höchste Ziel des Künstlers ist es doch wohl nicht, Virtuose zu sein.
Das tiefe und reine germanische Gemüt verlangt andre Nahrung als die, deren
Ils-utZont durch starke Pfefferung maskirt ist. Ihm hat Spielhagen früher ge¬
recht werden können, ihm soll er wieder gerecht werden. Wir wünschen von
.Herzen, daß der Dichter unsre oft absprechende» Worte nicht als Ausfluß wohl¬
feiler Tadelsucht ansehen möge. Vieles wäre noch zu sagen über Schilderung,
Ökonomie der Handlung u. s. w., Anerkennendes, Bewunderndes und Tadelndes.
Wir wollten nur das hervorheben, was uns das Bedenklichste, was uns ungesund
schien. Ein Roman von Spielhagcn ist immer ein bedeutendes Buch, das auf
die Achtung der' Nation Anspruch machen kann. Aber eben weit der Dichter
nationale Bedeutung besitzt, sollte er seinen höchsten Ruhm darin finden, national
zu sein. Den tiefsten und reinsten Ausdruck germanischer Empfindung und
Weltanschauung sollte er suchen. Nicht der Beifall der Kenner über technische
Meisterschaft, nicht das Behagen des literarischen Gourmands über interessante
und geistreich behandelte Stoffe kann dem Dichter den warmen Herzschlag er¬
setzen, welchen ihm das Volk entgegenbringt, dessen innerstem Fühlen, dessen
stummem Streben er Ausdruck verlieh. Das Volk macht ihn groß, dem Volke
soll er dienen.


G. Härtung.


Gin Wort über Kunstschulen.

le schreibseligcn Maler, die zu glauben scheinen, daß die Drucker¬
schwärze ihnen zu den Lorbern verhelfen werde, welche die Ölfarbe
versagt hat, können sich eines Erfolges bereits rühmen: alle
lebenden Künstler stehen jetzt in dem Verdacht, von Brotneid
gegen die toten verzehrt zu werden. Diejenigen, welche der
Vorwurf nicht trifft, mögen sich dafür bei den in jedem Sinne unberufenen
Wortführern bedanken, welche bald direkt, bald durch irgend ein unschuldiges
Mundstück die Lehre verkünden, daß das Geld, welches jetzt zur Erwerbung
alter Kunstschätze aufgewandt wird, von Gottes und Rechtswegen der Heran¬
bildung junger Künstler in den Akademien und Unterstützung älterer durch
Ankauf ihrer Werke gewidmet werden müsse. Mitgefangen, angehangen!
Künstler von wirklicher Bedeutung sind gewöhnlich friedfertige Leute und lassen
lieber ihre Werke sprechen, als daß sie sich in Zeitungspolemik mischen, ihr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/622>, abgerufen am 25.07.2024.