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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

Verheiratung ihrer beiden ältesten Töchter (an Nichtadeliche) einigermaßen erlöst
wurden war, den Wert einer guten Partie kennen und schätzen gelernt. Ihr
Hallwetter Botho von Falkenberg hatte sich deshalb schon zweimal bei ihr
eine" Korb geholt. Er war zwar von altem Adel, aber nichts weiter als ein
geschätzter Privatdozent der Astronomie an einer, wie sie es nannte, obskuren
Universität und konnte höchstens eine Frau Professorin aus ihr machen.

Wir haben wirklich Glück gehabt, sagte Kaspar Benedikt zu Frau Anna,
man kann in einer Gegend nicht freundlichere Menschen finden. Etwas freilich
müssen wir auf Rechnung dieses merkwürdigen Rahmens bringen, in welche uns
die Leute gleich von vornherein kennen gelernt haben. Es ist etwas Eignes
darum. Hast du den Major heute auf den Busch klopfen hören? Er ist eine
ehrliche Haut und kann sich nicht ruhig schlafen legen, wenn er nicht wenigstens
einen Menschen glücklich gemacht hat. Aber ist's denn wahr, daß jeder, der unsre
Villa gesehen hat, sich draußen unser Messingschild mit dem simpeln Namen
K. B. Hartig kopfschüttelnd ansieht? Zuletzt -- was liegt daran? Laß sie
schütteln.

Laß sie schütteln, stimmte Frau Anna bei, wenn auch etwas zögernd; denn
nicht ganz so stark wie bei ihrem Gatten war bei ihr die Abneigung gegen alles
entwickelt, was in eine höhere Standessphärc hinausführen konnte.

K. B. Hartig klingt freilich etwas kurz angebunden, setzte sie daher hinzu.

Wieso kurz angebunden? fuhr Kaspar Benedikt auf.

Versteh mich recht, Alter --

Das möcht' ich eben.

Du hast mich ganz aus dem Text gebracht.

Ich frage einfach: wieso kurz angebunden?

Als ob du nicht nur den kleinen Finger zu rühren brauchtest, und andern
Tags wären wir Kommerzienrat.

Warum nicht gar geheimer Kommerzienmt!

Und andern Tags wären wir geheimer Kommerzienrath, verbesserte sich
Frau Anna, ich wollte nur nicht gleich mit der Thür ins Haus fallen, aber
Herr von Waltershausen sagte neulich, den Geheimen wollte er für dich in vier-
undzwanzig Stunden herunterschütteln, der hänge reif am Baum.

Hier griff sich Kaspar Benedikt in die spärlichen Haare. Wie rasch die
Weiber vergessen! rief er; geheimer Kommerzienrat! Und dir läuft bei dem
bloßen Klänge geheimer Kommerzienrat nicht schon eine Gänsehaut über den Leib?

Frau Anna wurde kleinlaut. Du denkst an Gebhardi, sagte sie.

War er etwa nicht geheimer Kommerzienrat?

Dn hast Recht.

Auch ein Mann, zu dem sich alles drängte, den man um seiner Millionen
willen mit Orden und Titeln überschüttete --

Und der als Fälscher und Bankcrotteur im Zuchthaus endete.


Auf der Leiter des Glücks.

Verheiratung ihrer beiden ältesten Töchter (an Nichtadeliche) einigermaßen erlöst
wurden war, den Wert einer guten Partie kennen und schätzen gelernt. Ihr
Hallwetter Botho von Falkenberg hatte sich deshalb schon zweimal bei ihr
eine» Korb geholt. Er war zwar von altem Adel, aber nichts weiter als ein
geschätzter Privatdozent der Astronomie an einer, wie sie es nannte, obskuren
Universität und konnte höchstens eine Frau Professorin aus ihr machen.

Wir haben wirklich Glück gehabt, sagte Kaspar Benedikt zu Frau Anna,
man kann in einer Gegend nicht freundlichere Menschen finden. Etwas freilich
müssen wir auf Rechnung dieses merkwürdigen Rahmens bringen, in welche uns
die Leute gleich von vornherein kennen gelernt haben. Es ist etwas Eignes
darum. Hast du den Major heute auf den Busch klopfen hören? Er ist eine
ehrliche Haut und kann sich nicht ruhig schlafen legen, wenn er nicht wenigstens
einen Menschen glücklich gemacht hat. Aber ist's denn wahr, daß jeder, der unsre
Villa gesehen hat, sich draußen unser Messingschild mit dem simpeln Namen
K. B. Hartig kopfschüttelnd ansieht? Zuletzt — was liegt daran? Laß sie
schütteln.

Laß sie schütteln, stimmte Frau Anna bei, wenn auch etwas zögernd; denn
nicht ganz so stark wie bei ihrem Gatten war bei ihr die Abneigung gegen alles
entwickelt, was in eine höhere Standessphärc hinausführen konnte.

K. B. Hartig klingt freilich etwas kurz angebunden, setzte sie daher hinzu.

Wieso kurz angebunden? fuhr Kaspar Benedikt auf.

Versteh mich recht, Alter —

Das möcht' ich eben.

Du hast mich ganz aus dem Text gebracht.

Ich frage einfach: wieso kurz angebunden?

Als ob du nicht nur den kleinen Finger zu rühren brauchtest, und andern
Tags wären wir Kommerzienrat.

Warum nicht gar geheimer Kommerzienmt!

Und andern Tags wären wir geheimer Kommerzienrath, verbesserte sich
Frau Anna, ich wollte nur nicht gleich mit der Thür ins Haus fallen, aber
Herr von Waltershausen sagte neulich, den Geheimen wollte er für dich in vier-
undzwanzig Stunden herunterschütteln, der hänge reif am Baum.

Hier griff sich Kaspar Benedikt in die spärlichen Haare. Wie rasch die
Weiber vergessen! rief er; geheimer Kommerzienrat! Und dir läuft bei dem
bloßen Klänge geheimer Kommerzienrat nicht schon eine Gänsehaut über den Leib?

Frau Anna wurde kleinlaut. Du denkst an Gebhardi, sagte sie.

War er etwa nicht geheimer Kommerzienrat?

Dn hast Recht.

Auch ein Mann, zu dem sich alles drängte, den man um seiner Millionen
willen mit Orden und Titeln überschüttete —

Und der als Fälscher und Bankcrotteur im Zuchthaus endete.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/61>, abgerufen am 22.07.2024.