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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Der Literarische verein'in Stuttgart.

Derselben Familie der Tücher, die noch heute in Nürnberg blüht, entstammte
auch Anton Tucher, dessen Haushaltbuch aus den Jahren 1507 bis 1517
Wilhelm Loose nach einer der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden ge¬
hörigen Handschrift bekannt machte. Diese Publikation hangt überdies mit zwei
andern aufs engste zusammen, mit dem Handlungsbuche des Ott Ruland und
dem Einnahmen- und Ausgaben-Register des Rcichserbkämmerers Conrad
von Weinsberg. Ott Ruland, der Chef eines bedeutenden Handlungshauses der
Reichsstadt Ulm, gewährt uns in seinem Handlungsbuche mannichfache Aufschlüsse
über den Verkehr eines süddeutschen Großhändlers des 15. Jahrhunderts; aus
des Herrn von Weinsberg Register lernen wir sowohl den Haushalt eines hoch¬
stehende" adlichen Herrn als auch seine amtlichen Angelegenheiten und die damit
in Beziehung stehenden finanziellen Verhältnisse kennen; Anton Tuchcrs Haus¬
haltbuch endlich ermöglicht uns einen Einblick in die vielen Bedürfnisse eines
vornehmen und reichen Bürgerhauses am Anfange des 16. Jahrhunderts. Alle
drei Bände aber belehren uns über sozialpolitische Verhältnisse, von denen uns
ja die Blätter der politischen Geschichte so wenig zu berichten wissen, und zwar
mit unmittelbarer Treue, da die in ihnen mitgeteilten Aufzeichnungen nie für
die Öffentlichkeit, sondern nur zu privatem Gebrauche bestimmt waren.

Ziemlich abweichend von dem sonst bei den Ausgaben des Literarischen
Vereins festgehaltenen Grundsätze ist der Band, welchen Emil Weller ver¬
öffentlichte: Die ersten deutschen Zeitungen. Derjenige Teil, welcher dem
Abdruck der ersten sechs Zeitungen und solcher, die Lcinderentdecknngen und
Kriegsvorfälle bis zum Jahre 1535 beschreiben, gewidmet ist, ist bei weitem
kürzer als der zweite, welcher eine Bibliographie der Zeitungen aus den Jahren
1505 bis 1599 enthält. Selbstverständlich konnte ein erster Versuch, diese wichtigen
literarischen Erzeugnisse zu verzeichnen, nicht erschöpfend ausfallen; Weller hat
selbst eine Nachlese veranstaltet (Germania, N. F., Jahrg. 14, Heft 1), und da
er im wesentlichen nur die Bestände süddeutscher Bibliotheken, die auf diesem
Gebiete allerdings am reichsten sind, in seine Sammlung aufnahm, werden sich
dieselben gewiß noch durch eine Reihe wertvoller Ergänzungen erweitern lassen.
Auch wird es gut sein, sich nicht ausschließlich, wie Weller that, auf das Stich¬
wort "Zeitung" zu beschränken; man wird vielmehr auch die zeitungsartigen
Erscheinungen ins Auge zu sassen haben, die sich als "Anzeigen," "Berichte,"
"Historien," "Relationen" u, s. w. geben.

Mit Übergehung alles dessen, was Keller unter den Rubriken "Natur¬
wissenschaftliches," "Reisen," "Spanische, provenzalische, französische und nieder¬
ländische Poesie" zusammenstellt, wollen wir schließlich nur noch auf zwei Pu¬
blikationen aufmerksam machen, die unter der Rubrik "Briefe" aufgeführt sind.
Die erste derselben, Johann Reuchlins Briefwechsel, gesammelt und
herausgegeben von Ludwig Geiger, trägt einen durchaus gelehrten Charakter.
Sie bildet eine dankenswerte Ergänzung zu Geigers trefflicher Reuchliubiographie.


Der Literarische verein'in Stuttgart.

Derselben Familie der Tücher, die noch heute in Nürnberg blüht, entstammte
auch Anton Tucher, dessen Haushaltbuch aus den Jahren 1507 bis 1517
Wilhelm Loose nach einer der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden ge¬
hörigen Handschrift bekannt machte. Diese Publikation hangt überdies mit zwei
andern aufs engste zusammen, mit dem Handlungsbuche des Ott Ruland und
dem Einnahmen- und Ausgaben-Register des Rcichserbkämmerers Conrad
von Weinsberg. Ott Ruland, der Chef eines bedeutenden Handlungshauses der
Reichsstadt Ulm, gewährt uns in seinem Handlungsbuche mannichfache Aufschlüsse
über den Verkehr eines süddeutschen Großhändlers des 15. Jahrhunderts; aus
des Herrn von Weinsberg Register lernen wir sowohl den Haushalt eines hoch¬
stehende» adlichen Herrn als auch seine amtlichen Angelegenheiten und die damit
in Beziehung stehenden finanziellen Verhältnisse kennen; Anton Tuchcrs Haus¬
haltbuch endlich ermöglicht uns einen Einblick in die vielen Bedürfnisse eines
vornehmen und reichen Bürgerhauses am Anfange des 16. Jahrhunderts. Alle
drei Bände aber belehren uns über sozialpolitische Verhältnisse, von denen uns
ja die Blätter der politischen Geschichte so wenig zu berichten wissen, und zwar
mit unmittelbarer Treue, da die in ihnen mitgeteilten Aufzeichnungen nie für
die Öffentlichkeit, sondern nur zu privatem Gebrauche bestimmt waren.

Ziemlich abweichend von dem sonst bei den Ausgaben des Literarischen
Vereins festgehaltenen Grundsätze ist der Band, welchen Emil Weller ver¬
öffentlichte: Die ersten deutschen Zeitungen. Derjenige Teil, welcher dem
Abdruck der ersten sechs Zeitungen und solcher, die Lcinderentdecknngen und
Kriegsvorfälle bis zum Jahre 1535 beschreiben, gewidmet ist, ist bei weitem
kürzer als der zweite, welcher eine Bibliographie der Zeitungen aus den Jahren
1505 bis 1599 enthält. Selbstverständlich konnte ein erster Versuch, diese wichtigen
literarischen Erzeugnisse zu verzeichnen, nicht erschöpfend ausfallen; Weller hat
selbst eine Nachlese veranstaltet (Germania, N. F., Jahrg. 14, Heft 1), und da
er im wesentlichen nur die Bestände süddeutscher Bibliotheken, die auf diesem
Gebiete allerdings am reichsten sind, in seine Sammlung aufnahm, werden sich
dieselben gewiß noch durch eine Reihe wertvoller Ergänzungen erweitern lassen.
Auch wird es gut sein, sich nicht ausschließlich, wie Weller that, auf das Stich¬
wort „Zeitung" zu beschränken; man wird vielmehr auch die zeitungsartigen
Erscheinungen ins Auge zu sassen haben, die sich als „Anzeigen," „Berichte,"
„Historien," „Relationen" u, s. w. geben.

Mit Übergehung alles dessen, was Keller unter den Rubriken „Natur¬
wissenschaftliches," „Reisen," „Spanische, provenzalische, französische und nieder¬
ländische Poesie" zusammenstellt, wollen wir schließlich nur noch auf zwei Pu¬
blikationen aufmerksam machen, die unter der Rubrik „Briefe" aufgeführt sind.
Die erste derselben, Johann Reuchlins Briefwechsel, gesammelt und
herausgegeben von Ludwig Geiger, trägt einen durchaus gelehrten Charakter.
Sie bildet eine dankenswerte Ergänzung zu Geigers trefflicher Reuchliubiographie.


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[0570] Der Literarische verein'in Stuttgart. Derselben Familie der Tücher, die noch heute in Nürnberg blüht, entstammte auch Anton Tucher, dessen Haushaltbuch aus den Jahren 1507 bis 1517 Wilhelm Loose nach einer der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden ge¬ hörigen Handschrift bekannt machte. Diese Publikation hangt überdies mit zwei andern aufs engste zusammen, mit dem Handlungsbuche des Ott Ruland und dem Einnahmen- und Ausgaben-Register des Rcichserbkämmerers Conrad von Weinsberg. Ott Ruland, der Chef eines bedeutenden Handlungshauses der Reichsstadt Ulm, gewährt uns in seinem Handlungsbuche mannichfache Aufschlüsse über den Verkehr eines süddeutschen Großhändlers des 15. Jahrhunderts; aus des Herrn von Weinsberg Register lernen wir sowohl den Haushalt eines hoch¬ stehende» adlichen Herrn als auch seine amtlichen Angelegenheiten und die damit in Beziehung stehenden finanziellen Verhältnisse kennen; Anton Tuchcrs Haus¬ haltbuch endlich ermöglicht uns einen Einblick in die vielen Bedürfnisse eines vornehmen und reichen Bürgerhauses am Anfange des 16. Jahrhunderts. Alle drei Bände aber belehren uns über sozialpolitische Verhältnisse, von denen uns ja die Blätter der politischen Geschichte so wenig zu berichten wissen, und zwar mit unmittelbarer Treue, da die in ihnen mitgeteilten Aufzeichnungen nie für die Öffentlichkeit, sondern nur zu privatem Gebrauche bestimmt waren. Ziemlich abweichend von dem sonst bei den Ausgaben des Literarischen Vereins festgehaltenen Grundsätze ist der Band, welchen Emil Weller ver¬ öffentlichte: Die ersten deutschen Zeitungen. Derjenige Teil, welcher dem Abdruck der ersten sechs Zeitungen und solcher, die Lcinderentdecknngen und Kriegsvorfälle bis zum Jahre 1535 beschreiben, gewidmet ist, ist bei weitem kürzer als der zweite, welcher eine Bibliographie der Zeitungen aus den Jahren 1505 bis 1599 enthält. Selbstverständlich konnte ein erster Versuch, diese wichtigen literarischen Erzeugnisse zu verzeichnen, nicht erschöpfend ausfallen; Weller hat selbst eine Nachlese veranstaltet (Germania, N. F., Jahrg. 14, Heft 1), und da er im wesentlichen nur die Bestände süddeutscher Bibliotheken, die auf diesem Gebiete allerdings am reichsten sind, in seine Sammlung aufnahm, werden sich dieselben gewiß noch durch eine Reihe wertvoller Ergänzungen erweitern lassen. Auch wird es gut sein, sich nicht ausschließlich, wie Weller that, auf das Stich¬ wort „Zeitung" zu beschränken; man wird vielmehr auch die zeitungsartigen Erscheinungen ins Auge zu sassen haben, die sich als „Anzeigen," „Berichte," „Historien," „Relationen" u, s. w. geben. Mit Übergehung alles dessen, was Keller unter den Rubriken „Natur¬ wissenschaftliches," „Reisen," „Spanische, provenzalische, französische und nieder¬ ländische Poesie" zusammenstellt, wollen wir schließlich nur noch auf zwei Pu¬ blikationen aufmerksam machen, die unter der Rubrik „Briefe" aufgeführt sind. Die erste derselben, Johann Reuchlins Briefwechsel, gesammelt und herausgegeben von Ludwig Geiger, trägt einen durchaus gelehrten Charakter. Sie bildet eine dankenswerte Ergänzung zu Geigers trefflicher Reuchliubiographie.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/570>, abgerufen am 27.08.2024.