Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

Auch des Schutzes der laichenden Fische hat man sich verständigerweise
angenommen, aber gerade hier ist ein Punkt, der -- und vielleicht mit Recht --
den zahlreichsten Angriffen ausgesetzt gewesen ist und noch ist. Um den Fisch¬
bestand auf die alte Höhe zu bringen oder darüber hinaus zu heben, hat man
Schourevierc, an denen garnicht gefischt werden darf, und nach Analogie der
Jagdbestimmnngen auch Schonzeiten festgesetzt. Wenn diese Schonreviere nicht
allzugroß genommen und durch wirklich sorgfältige Untersuchung und Beobachtung
richtig ausgewählt werden -- was leider nicht überall der Fall ist --, so kann
man sie sich schon gefallen lassen. Anders ist dies mit den allgemeinen Schon¬
zeiten. Zur Festsetzung derselben hat man die artenreiche Klasse der Fische ein¬
geteilt in Winter- und Soinmerlaicher. Die ersteren müssen (nach Erlaß vom
30. Mai 1874) vom 15. April bis zum 14. Juni, die andern vom 15. Oktober
bis zum 14, Dezember laichen, wenn sie gedeihen wollen. Dies liegt nun wohl
in der Absicht der Fische, die Bestimmungen des Gesetzes aber nicht in ihrer
Einsicht, und so ist es denn nicht zu verwundern, wenn vielfach Verstöße ihrer¬
seits dagegen vorkommen. So laichen z. B die einen, wenn die Sonne schön
scheint oder es sonst ihrer Gewohnheit gemäß ist, schon vor dem 15. April,
die andern schon vor dem 15. Oktober. Dann aber gehen die Fische nach wie
bor zu Grunde, und die Fischer haben zwei Monate umsonst gehungert, da ja
der Fischfang so lange geruht hat. Eine Einteilung der Fische in Sommer-
nnd Wintertaucher nach Kalendertagen ist offenbar ohne Sinn und geradezu
unhaltbar. Man kann nicht genug dagegen protestiren, schon aus naturhistorischen
Gründen, ganz abgesehen davon, daß durch diese Einteilung eine ganze große
Klasse von Menschen in ihrem Erwerbe aufs empfindlichste beeinträchtigt wird.
Warum in aller Welt hob das Gesetz die Bestimmung der Fischerciverordnung
von 1845 auf, wonach es den Aufsichtsbeamten überlassen blieb, in jeder Pro¬
vinz je nach den Umständen die Schonzeiten festzusetzen? Warum wird nicht
noch viel zweckentsprechender bestimmt, daß von den betreffenden Beamten nach
sachverständigen Urteil für die einzelnen Fischarten je nach den Witterungs-
verhältnissen oder sonstigen Anzeichen die Schonzeit bekannt gemacht werden
solle? Durch eine solche Bestimmung und eine dementsprechende einfache Markt-
koutrole konnte die Schonung wirklich erreicht werden, und die Fischer erlitten,
da stets nur wenige Fische in Schonung waren, keine nennenswerte Unter¬
brechung in ihrem Verdienste. Jetzt hat man sich genötigt gesehen, die Fischerei
wenigstens an drei Tagen der Woche auch während der Schonzeit freizugeben,
eine Marttkontrole ist so gut wie unmöglich, die Fischer werden systematisch zu
Kontraventionen angehalten, und die erstrebte Schonung des Fisches bleibt
mindestens fraglich.

Und endlich, ganz abgesehen davon, daß gerade in den betreffenden Monaten
der Frühjahrsschonzcit an vielen Orten der Fischfang am besten ist und nach einem
Ausdrucke von Seidlitz der Fisch darin "komisch ist," daß er nur nützt, wenn


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

Auch des Schutzes der laichenden Fische hat man sich verständigerweise
angenommen, aber gerade hier ist ein Punkt, der — und vielleicht mit Recht —
den zahlreichsten Angriffen ausgesetzt gewesen ist und noch ist. Um den Fisch¬
bestand auf die alte Höhe zu bringen oder darüber hinaus zu heben, hat man
Schourevierc, an denen garnicht gefischt werden darf, und nach Analogie der
Jagdbestimmnngen auch Schonzeiten festgesetzt. Wenn diese Schonreviere nicht
allzugroß genommen und durch wirklich sorgfältige Untersuchung und Beobachtung
richtig ausgewählt werden — was leider nicht überall der Fall ist —, so kann
man sie sich schon gefallen lassen. Anders ist dies mit den allgemeinen Schon¬
zeiten. Zur Festsetzung derselben hat man die artenreiche Klasse der Fische ein¬
geteilt in Winter- und Soinmerlaicher. Die ersteren müssen (nach Erlaß vom
30. Mai 1874) vom 15. April bis zum 14. Juni, die andern vom 15. Oktober
bis zum 14, Dezember laichen, wenn sie gedeihen wollen. Dies liegt nun wohl
in der Absicht der Fische, die Bestimmungen des Gesetzes aber nicht in ihrer
Einsicht, und so ist es denn nicht zu verwundern, wenn vielfach Verstöße ihrer¬
seits dagegen vorkommen. So laichen z. B die einen, wenn die Sonne schön
scheint oder es sonst ihrer Gewohnheit gemäß ist, schon vor dem 15. April,
die andern schon vor dem 15. Oktober. Dann aber gehen die Fische nach wie
bor zu Grunde, und die Fischer haben zwei Monate umsonst gehungert, da ja
der Fischfang so lange geruht hat. Eine Einteilung der Fische in Sommer-
nnd Wintertaucher nach Kalendertagen ist offenbar ohne Sinn und geradezu
unhaltbar. Man kann nicht genug dagegen protestiren, schon aus naturhistorischen
Gründen, ganz abgesehen davon, daß durch diese Einteilung eine ganze große
Klasse von Menschen in ihrem Erwerbe aufs empfindlichste beeinträchtigt wird.
Warum in aller Welt hob das Gesetz die Bestimmung der Fischerciverordnung
von 1845 auf, wonach es den Aufsichtsbeamten überlassen blieb, in jeder Pro¬
vinz je nach den Umständen die Schonzeiten festzusetzen? Warum wird nicht
noch viel zweckentsprechender bestimmt, daß von den betreffenden Beamten nach
sachverständigen Urteil für die einzelnen Fischarten je nach den Witterungs-
verhältnissen oder sonstigen Anzeichen die Schonzeit bekannt gemacht werden
solle? Durch eine solche Bestimmung und eine dementsprechende einfache Markt-
koutrole konnte die Schonung wirklich erreicht werden, und die Fischer erlitten,
da stets nur wenige Fische in Schonung waren, keine nennenswerte Unter¬
brechung in ihrem Verdienste. Jetzt hat man sich genötigt gesehen, die Fischerei
wenigstens an drei Tagen der Woche auch während der Schonzeit freizugeben,
eine Marttkontrole ist so gut wie unmöglich, die Fischer werden systematisch zu
Kontraventionen angehalten, und die erstrebte Schonung des Fisches bleibt
mindestens fraglich.

Und endlich, ganz abgesehen davon, daß gerade in den betreffenden Monaten
der Frühjahrsschonzcit an vielen Orten der Fischfang am besten ist und nach einem
Ausdrucke von Seidlitz der Fisch darin „komisch ist," daß er nur nützt, wenn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0549" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155432"/>
          <fw type="header" place="top"> Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2211"> Auch des Schutzes der laichenden Fische hat man sich verständigerweise<lb/>
angenommen, aber gerade hier ist ein Punkt, der &#x2014; und vielleicht mit Recht &#x2014;<lb/>
den zahlreichsten Angriffen ausgesetzt gewesen ist und noch ist. Um den Fisch¬<lb/>
bestand auf die alte Höhe zu bringen oder darüber hinaus zu heben, hat man<lb/>
Schourevierc, an denen garnicht gefischt werden darf, und nach Analogie der<lb/>
Jagdbestimmnngen auch Schonzeiten festgesetzt. Wenn diese Schonreviere nicht<lb/>
allzugroß genommen und durch wirklich sorgfältige Untersuchung und Beobachtung<lb/>
richtig ausgewählt werden &#x2014; was leider nicht überall der Fall ist &#x2014;, so kann<lb/>
man sie sich schon gefallen lassen. Anders ist dies mit den allgemeinen Schon¬<lb/>
zeiten. Zur Festsetzung derselben hat man die artenreiche Klasse der Fische ein¬<lb/>
geteilt in Winter- und Soinmerlaicher. Die ersteren müssen (nach Erlaß vom<lb/>
30. Mai 1874) vom 15. April bis zum 14. Juni, die andern vom 15. Oktober<lb/>
bis zum 14, Dezember laichen, wenn sie gedeihen wollen. Dies liegt nun wohl<lb/>
in der Absicht der Fische, die Bestimmungen des Gesetzes aber nicht in ihrer<lb/>
Einsicht, und so ist es denn nicht zu verwundern, wenn vielfach Verstöße ihrer¬<lb/>
seits dagegen vorkommen. So laichen z. B die einen, wenn die Sonne schön<lb/>
scheint oder es sonst ihrer Gewohnheit gemäß ist, schon vor dem 15. April,<lb/>
die andern schon vor dem 15. Oktober. Dann aber gehen die Fische nach wie<lb/>
bor zu Grunde, und die Fischer haben zwei Monate umsonst gehungert, da ja<lb/>
der Fischfang so lange geruht hat. Eine Einteilung der Fische in Sommer-<lb/>
nnd Wintertaucher nach Kalendertagen ist offenbar ohne Sinn und geradezu<lb/>
unhaltbar. Man kann nicht genug dagegen protestiren, schon aus naturhistorischen<lb/>
Gründen, ganz abgesehen davon, daß durch diese Einteilung eine ganze große<lb/>
Klasse von Menschen in ihrem Erwerbe aufs empfindlichste beeinträchtigt wird.<lb/>
Warum in aller Welt hob das Gesetz die Bestimmung der Fischerciverordnung<lb/>
von 1845 auf, wonach es den Aufsichtsbeamten überlassen blieb, in jeder Pro¬<lb/>
vinz je nach den Umständen die Schonzeiten festzusetzen? Warum wird nicht<lb/>
noch viel zweckentsprechender bestimmt, daß von den betreffenden Beamten nach<lb/>
sachverständigen Urteil für die einzelnen Fischarten je nach den Witterungs-<lb/>
verhältnissen oder sonstigen Anzeichen die Schonzeit bekannt gemacht werden<lb/>
solle? Durch eine solche Bestimmung und eine dementsprechende einfache Markt-<lb/>
koutrole konnte die Schonung wirklich erreicht werden, und die Fischer erlitten,<lb/>
da stets nur wenige Fische in Schonung waren, keine nennenswerte Unter¬<lb/>
brechung in ihrem Verdienste. Jetzt hat man sich genötigt gesehen, die Fischerei<lb/>
wenigstens an drei Tagen der Woche auch während der Schonzeit freizugeben,<lb/>
eine Marttkontrole ist so gut wie unmöglich, die Fischer werden systematisch zu<lb/>
Kontraventionen angehalten, und die erstrebte Schonung des Fisches bleibt<lb/>
mindestens fraglich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2212" next="#ID_2213"> Und endlich, ganz abgesehen davon, daß gerade in den betreffenden Monaten<lb/>
der Frühjahrsschonzcit an vielen Orten der Fischfang am besten ist und nach einem<lb/>
Ausdrucke von Seidlitz der Fisch darin &#x201E;komisch ist," daß er nur nützt, wenn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0549] Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei. Auch des Schutzes der laichenden Fische hat man sich verständigerweise angenommen, aber gerade hier ist ein Punkt, der — und vielleicht mit Recht — den zahlreichsten Angriffen ausgesetzt gewesen ist und noch ist. Um den Fisch¬ bestand auf die alte Höhe zu bringen oder darüber hinaus zu heben, hat man Schourevierc, an denen garnicht gefischt werden darf, und nach Analogie der Jagdbestimmnngen auch Schonzeiten festgesetzt. Wenn diese Schonreviere nicht allzugroß genommen und durch wirklich sorgfältige Untersuchung und Beobachtung richtig ausgewählt werden — was leider nicht überall der Fall ist —, so kann man sie sich schon gefallen lassen. Anders ist dies mit den allgemeinen Schon¬ zeiten. Zur Festsetzung derselben hat man die artenreiche Klasse der Fische ein¬ geteilt in Winter- und Soinmerlaicher. Die ersteren müssen (nach Erlaß vom 30. Mai 1874) vom 15. April bis zum 14. Juni, die andern vom 15. Oktober bis zum 14, Dezember laichen, wenn sie gedeihen wollen. Dies liegt nun wohl in der Absicht der Fische, die Bestimmungen des Gesetzes aber nicht in ihrer Einsicht, und so ist es denn nicht zu verwundern, wenn vielfach Verstöße ihrer¬ seits dagegen vorkommen. So laichen z. B die einen, wenn die Sonne schön scheint oder es sonst ihrer Gewohnheit gemäß ist, schon vor dem 15. April, die andern schon vor dem 15. Oktober. Dann aber gehen die Fische nach wie bor zu Grunde, und die Fischer haben zwei Monate umsonst gehungert, da ja der Fischfang so lange geruht hat. Eine Einteilung der Fische in Sommer- nnd Wintertaucher nach Kalendertagen ist offenbar ohne Sinn und geradezu unhaltbar. Man kann nicht genug dagegen protestiren, schon aus naturhistorischen Gründen, ganz abgesehen davon, daß durch diese Einteilung eine ganze große Klasse von Menschen in ihrem Erwerbe aufs empfindlichste beeinträchtigt wird. Warum in aller Welt hob das Gesetz die Bestimmung der Fischerciverordnung von 1845 auf, wonach es den Aufsichtsbeamten überlassen blieb, in jeder Pro¬ vinz je nach den Umständen die Schonzeiten festzusetzen? Warum wird nicht noch viel zweckentsprechender bestimmt, daß von den betreffenden Beamten nach sachverständigen Urteil für die einzelnen Fischarten je nach den Witterungs- verhältnissen oder sonstigen Anzeichen die Schonzeit bekannt gemacht werden solle? Durch eine solche Bestimmung und eine dementsprechende einfache Markt- koutrole konnte die Schonung wirklich erreicht werden, und die Fischer erlitten, da stets nur wenige Fische in Schonung waren, keine nennenswerte Unter¬ brechung in ihrem Verdienste. Jetzt hat man sich genötigt gesehen, die Fischerei wenigstens an drei Tagen der Woche auch während der Schonzeit freizugeben, eine Marttkontrole ist so gut wie unmöglich, die Fischer werden systematisch zu Kontraventionen angehalten, und die erstrebte Schonung des Fisches bleibt mindestens fraglich. Und endlich, ganz abgesehen davon, daß gerade in den betreffenden Monaten der Frühjahrsschonzcit an vielen Orten der Fischfang am besten ist und nach einem Ausdrucke von Seidlitz der Fisch darin „komisch ist," daß er nur nützt, wenn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/549
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/549>, abgerufen am 25.08.2024.