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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

im Kreise heiterer Menschen noch oft dem Gotte der Reben Opfer und Liba-
tionen darbringen werde.

Damit waren die Siegel geschmolzen, unter denen das verfängliche Thema
solange in der merkwürdigen Villa sekretirt gelegen hatte. Und min kam na¬
türlich auch endlich die Retterin Bertholds wieder aufs Tapet.

Es war dies ein kaum minder heikles Thema als die Sache selbst, denn
der Fabrikant hatte über dem Zerwürfnis zwischen Berthold und Hermione an¬
fangs die beabsichtigt gewesene Anfrage, ob Loren ein Geldgeschenk oder ein
Kleid als Dankesbezeigung lieber sei, zu thun versäumt, und als die Tollwut¬
befürchtungen dann die Leistung Lorens auf einmal in eine viel bedeutendere
Beleuchtung rückten, kam er mit der nun für das arme Mädchen eingesiegclten,
sehr belangreichen Dotation zu spät -- Lore war entlassen worden, und ihr
jetziger Aufenthalt ließ sich nicht ermitteln. In dem Maße, wie damals die Sorge
um Bertholds Befinden wuchs, hatte der Fabrikant im Eingeständnis mit Frau
Anna die Summe verdoppelt -- vorausgesetzt, daß das gefürchtete Ereignis
nicht eintrete --, darauf verdreifacht und endlich vervierfacht, es war dem alten
Paare, als erkauften sie von dem Himmel Ablaß, aber sie hätten, wenn sie
allen Ernstes der Meinung gewesen wären, mit der Vorsehung einen solchen
Handel machen zu dürfen, die ganze Villa Anna daran gegeben und wohl auch
alles, was sie sonst besaßen.

Dies und andres kam zu Tage, nun der Retterin Bertholds doch einmal
Vonseiten des Majors laut und anerkennend gedacht war, und es wurde von letz-
term dann auch der Vorschlag gemacht, man solle sie öffentlich auffordern, sich
in der Villa Anna oder, wenn man Aussehen vermeiden wolle, an einem dritten
Orte zu melden, damit ein ihr zugedachtes, nicht unbedeutendes Geschenk ihr
ausgezahlt werden könne.

Hiergegen erhob aber Berthold, der sich ziemlich schweigend verhalten hatte,
Einspruch. Man fand das nicht auffallend, da die Vorgänge in der Villa
Mockritz leicht von neuem dadurch in den Mund der Leute kommen konnten,
und die Möglichkeit ja auch nicht abgeschnitten war, Lorens Aufenthalt bei all¬
seitigen Bemühungen auf minder öffentliche Weise zu ermitteln.

Forschen wir denn im stillen weiter, sagte der Fabrikant, einstweilen werde
ich ihr den kleinen Notpfennig, als habe sie ihn mir anvertraut, mit fünf, nein,
mit sechs Prozent jährlich verzinsen, Zins auf Zins. Verstanden? Zins auf Zins.




Siebzehntes Aapitel.

Eine ansehnliche Reihe abnehmender und zunehmender, trüber und sonniger,
gleichgiltig einförmiger und munter anregender Tage war seit dem eben beschrie¬
benen Mittagsmahl über dem schönen bläulichen Schieferdache und dem Fasanen¬
wäldchen wie über dem tadellos gepflegten Garten der merkwürdigen Villa


Auf der Leiter des Glücks.

im Kreise heiterer Menschen noch oft dem Gotte der Reben Opfer und Liba-
tionen darbringen werde.

Damit waren die Siegel geschmolzen, unter denen das verfängliche Thema
solange in der merkwürdigen Villa sekretirt gelegen hatte. Und min kam na¬
türlich auch endlich die Retterin Bertholds wieder aufs Tapet.

Es war dies ein kaum minder heikles Thema als die Sache selbst, denn
der Fabrikant hatte über dem Zerwürfnis zwischen Berthold und Hermione an¬
fangs die beabsichtigt gewesene Anfrage, ob Loren ein Geldgeschenk oder ein
Kleid als Dankesbezeigung lieber sei, zu thun versäumt, und als die Tollwut¬
befürchtungen dann die Leistung Lorens auf einmal in eine viel bedeutendere
Beleuchtung rückten, kam er mit der nun für das arme Mädchen eingesiegclten,
sehr belangreichen Dotation zu spät — Lore war entlassen worden, und ihr
jetziger Aufenthalt ließ sich nicht ermitteln. In dem Maße, wie damals die Sorge
um Bertholds Befinden wuchs, hatte der Fabrikant im Eingeständnis mit Frau
Anna die Summe verdoppelt — vorausgesetzt, daß das gefürchtete Ereignis
nicht eintrete —, darauf verdreifacht und endlich vervierfacht, es war dem alten
Paare, als erkauften sie von dem Himmel Ablaß, aber sie hätten, wenn sie
allen Ernstes der Meinung gewesen wären, mit der Vorsehung einen solchen
Handel machen zu dürfen, die ganze Villa Anna daran gegeben und wohl auch
alles, was sie sonst besaßen.

Dies und andres kam zu Tage, nun der Retterin Bertholds doch einmal
Vonseiten des Majors laut und anerkennend gedacht war, und es wurde von letz-
term dann auch der Vorschlag gemacht, man solle sie öffentlich auffordern, sich
in der Villa Anna oder, wenn man Aussehen vermeiden wolle, an einem dritten
Orte zu melden, damit ein ihr zugedachtes, nicht unbedeutendes Geschenk ihr
ausgezahlt werden könne.

Hiergegen erhob aber Berthold, der sich ziemlich schweigend verhalten hatte,
Einspruch. Man fand das nicht auffallend, da die Vorgänge in der Villa
Mockritz leicht von neuem dadurch in den Mund der Leute kommen konnten,
und die Möglichkeit ja auch nicht abgeschnitten war, Lorens Aufenthalt bei all¬
seitigen Bemühungen auf minder öffentliche Weise zu ermitteln.

Forschen wir denn im stillen weiter, sagte der Fabrikant, einstweilen werde
ich ihr den kleinen Notpfennig, als habe sie ihn mir anvertraut, mit fünf, nein,
mit sechs Prozent jährlich verzinsen, Zins auf Zins. Verstanden? Zins auf Zins.




Siebzehntes Aapitel.

Eine ansehnliche Reihe abnehmender und zunehmender, trüber und sonniger,
gleichgiltig einförmiger und munter anregender Tage war seit dem eben beschrie¬
benen Mittagsmahl über dem schönen bläulichen Schieferdache und dem Fasanen¬
wäldchen wie über dem tadellos gepflegten Garten der merkwürdigen Villa


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[0481] Auf der Leiter des Glücks. im Kreise heiterer Menschen noch oft dem Gotte der Reben Opfer und Liba- tionen darbringen werde. Damit waren die Siegel geschmolzen, unter denen das verfängliche Thema solange in der merkwürdigen Villa sekretirt gelegen hatte. Und min kam na¬ türlich auch endlich die Retterin Bertholds wieder aufs Tapet. Es war dies ein kaum minder heikles Thema als die Sache selbst, denn der Fabrikant hatte über dem Zerwürfnis zwischen Berthold und Hermione an¬ fangs die beabsichtigt gewesene Anfrage, ob Loren ein Geldgeschenk oder ein Kleid als Dankesbezeigung lieber sei, zu thun versäumt, und als die Tollwut¬ befürchtungen dann die Leistung Lorens auf einmal in eine viel bedeutendere Beleuchtung rückten, kam er mit der nun für das arme Mädchen eingesiegclten, sehr belangreichen Dotation zu spät — Lore war entlassen worden, und ihr jetziger Aufenthalt ließ sich nicht ermitteln. In dem Maße, wie damals die Sorge um Bertholds Befinden wuchs, hatte der Fabrikant im Eingeständnis mit Frau Anna die Summe verdoppelt — vorausgesetzt, daß das gefürchtete Ereignis nicht eintrete —, darauf verdreifacht und endlich vervierfacht, es war dem alten Paare, als erkauften sie von dem Himmel Ablaß, aber sie hätten, wenn sie allen Ernstes der Meinung gewesen wären, mit der Vorsehung einen solchen Handel machen zu dürfen, die ganze Villa Anna daran gegeben und wohl auch alles, was sie sonst besaßen. Dies und andres kam zu Tage, nun der Retterin Bertholds doch einmal Vonseiten des Majors laut und anerkennend gedacht war, und es wurde von letz- term dann auch der Vorschlag gemacht, man solle sie öffentlich auffordern, sich in der Villa Anna oder, wenn man Aussehen vermeiden wolle, an einem dritten Orte zu melden, damit ein ihr zugedachtes, nicht unbedeutendes Geschenk ihr ausgezahlt werden könne. Hiergegen erhob aber Berthold, der sich ziemlich schweigend verhalten hatte, Einspruch. Man fand das nicht auffallend, da die Vorgänge in der Villa Mockritz leicht von neuem dadurch in den Mund der Leute kommen konnten, und die Möglichkeit ja auch nicht abgeschnitten war, Lorens Aufenthalt bei all¬ seitigen Bemühungen auf minder öffentliche Weise zu ermitteln. Forschen wir denn im stillen weiter, sagte der Fabrikant, einstweilen werde ich ihr den kleinen Notpfennig, als habe sie ihn mir anvertraut, mit fünf, nein, mit sechs Prozent jährlich verzinsen, Zins auf Zins. Verstanden? Zins auf Zins. Siebzehntes Aapitel. Eine ansehnliche Reihe abnehmender und zunehmender, trüber und sonniger, gleichgiltig einförmiger und munter anregender Tage war seit dem eben beschrie¬ benen Mittagsmahl über dem schönen bläulichen Schieferdache und dem Fasanen¬ wäldchen wie über dem tadellos gepflegten Garten der merkwürdigen Villa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/481>, abgerufen am 04.07.2024.