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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Line neue Niederlage Englands im Sudan.

den Truppen, die er in Wirklichkeit unter sich hatte, mußte er unterliegen. Auf
alleu Seite" umringt von Schwärmen sudanischer Araber (es sind vorzüglich
Leute vom Stamme der Hadendoa), feuerten die widerwillig ins Feld geführten
Fcllahiu und Bazarbummler der beiden ägyptischen Bataillone Bakers ein paar
Salven ab, dann brach die vierte Seite des Vierecks, das man gebildet hatte, vor
dem Ansturme der durch den Pulverdampf herzueilenden wilden Krieger zu-
sammen, nach einer Weile lösten sich auch die andern Seiten auf, und zehn
Minuten nach Beginn des Gefechtes war das Heer Bakers nur noch eine
wirre Masse, die sich um jeden Preis aus dem jetzt beginnenden Gemetzel zu
retten suchte. Was stehen blieb, fiel bald vor der Übermacht. Auch von den
Flüchtigen wurden viele niedergemacht; denn die Sieger kannten kein Erbarmen.

Was jetzt die Folge sein wird, ist trauriger als diese Abschlachtung armer
untauglicher Fellahin. Es kann kaum anders kommen, als daß die tapfern
und treuen Besatzungen von Tokar und Sinkat jetzt dem Untergänge verfallen,
gegen den sie sich lange Wochen standhaft gewehrt haben. (Nach einem Tele¬
gramm aus Suakin, welches indes noch der Bestätigung bedarf, hätte Tewsik
Pascha, der Kommandant von Sinkat, den Versuch gemacht, sich mit 400 Manu
durchzuschlagen, wäre aber von den Hndendva umzingelt und mit allen seinen
Leuten zusammengehalten worden.) Wenn die Verteidiger Tvkars während der
Schlacht bei Teb nicht imstande waren, den Truppen Bakers durch einen
Ausfall zu Hilfe zu kommen, so werden sie nicht lange zu warten haben, bis
die Aufständischen sie ernstlich angreifen, und dann wird ihr Widerstand nur
ein kurzer sein. Nach den letzten Berichten hatten sie der Mann nur noch
vierzehn Patronen, und jetzt sind sie wohl schon allesamt unter den zweischneidigen
Speeren und Schwertern der Gegner gefallen. So wird unter den Augen
Europas, welches das Thun der Engländer in diesen Gegenden sorgfältig
beobachtete und kritisirte, eine Festung nur deshalb verloren gehen, weil Herr
Gladstone die Politik des Zögerns und der Unentschlossenheit in diesen An¬
gelegenheiten sür die beste hielt und sich weigerte, zu rechter Stunde zur Rettung
einzuschreiten. Dasselbe gilt von Sinkat. Auch hier ging man nach deu letzten
sichern Nachrichten rasch der Vernichtung entgegen. Die Vorräte waren ziemlich
aufgezehrt, der letzte Sack mit Gerstenmehl geöffnet, das letzte Schaf, das letzte
Kamel geschlachtet, und die Araberschechs, die man mit reichen Geschenken ge¬
wonnen zu haben glaubte, der Garnison Lebensmittel zuzuführen, haben ent¬
weder ihre Aufgabe zu schwierig gefunden oder einfach ihren Kontrakt gebrochen,
nachdem sie ihr Geld eingestrichen. Die Hoffnungen Sinkats beruhten einzig
und allein auf einem siegreichen Vordringen Bakers, und nach seiner Nieder¬
lage ist die Vernichtung der dort stehenden ägyptischen Truppen, wenn sie nicht
schon erfolgt ist, nur noch eine Frage der Zeit. Denn es ist kaum zu erwarten,
daß die so schimpflich von den Protektoren Ägyptens im Stiche gelassenen Leute
Tewfiks in der Lage sein werden, sich dnrch Niederlegung der Waffen bei dem


Line neue Niederlage Englands im Sudan.

den Truppen, die er in Wirklichkeit unter sich hatte, mußte er unterliegen. Auf
alleu Seite» umringt von Schwärmen sudanischer Araber (es sind vorzüglich
Leute vom Stamme der Hadendoa), feuerten die widerwillig ins Feld geführten
Fcllahiu und Bazarbummler der beiden ägyptischen Bataillone Bakers ein paar
Salven ab, dann brach die vierte Seite des Vierecks, das man gebildet hatte, vor
dem Ansturme der durch den Pulverdampf herzueilenden wilden Krieger zu-
sammen, nach einer Weile lösten sich auch die andern Seiten auf, und zehn
Minuten nach Beginn des Gefechtes war das Heer Bakers nur noch eine
wirre Masse, die sich um jeden Preis aus dem jetzt beginnenden Gemetzel zu
retten suchte. Was stehen blieb, fiel bald vor der Übermacht. Auch von den
Flüchtigen wurden viele niedergemacht; denn die Sieger kannten kein Erbarmen.

Was jetzt die Folge sein wird, ist trauriger als diese Abschlachtung armer
untauglicher Fellahin. Es kann kaum anders kommen, als daß die tapfern
und treuen Besatzungen von Tokar und Sinkat jetzt dem Untergänge verfallen,
gegen den sie sich lange Wochen standhaft gewehrt haben. (Nach einem Tele¬
gramm aus Suakin, welches indes noch der Bestätigung bedarf, hätte Tewsik
Pascha, der Kommandant von Sinkat, den Versuch gemacht, sich mit 400 Manu
durchzuschlagen, wäre aber von den Hndendva umzingelt und mit allen seinen
Leuten zusammengehalten worden.) Wenn die Verteidiger Tvkars während der
Schlacht bei Teb nicht imstande waren, den Truppen Bakers durch einen
Ausfall zu Hilfe zu kommen, so werden sie nicht lange zu warten haben, bis
die Aufständischen sie ernstlich angreifen, und dann wird ihr Widerstand nur
ein kurzer sein. Nach den letzten Berichten hatten sie der Mann nur noch
vierzehn Patronen, und jetzt sind sie wohl schon allesamt unter den zweischneidigen
Speeren und Schwertern der Gegner gefallen. So wird unter den Augen
Europas, welches das Thun der Engländer in diesen Gegenden sorgfältig
beobachtete und kritisirte, eine Festung nur deshalb verloren gehen, weil Herr
Gladstone die Politik des Zögerns und der Unentschlossenheit in diesen An¬
gelegenheiten sür die beste hielt und sich weigerte, zu rechter Stunde zur Rettung
einzuschreiten. Dasselbe gilt von Sinkat. Auch hier ging man nach deu letzten
sichern Nachrichten rasch der Vernichtung entgegen. Die Vorräte waren ziemlich
aufgezehrt, der letzte Sack mit Gerstenmehl geöffnet, das letzte Schaf, das letzte
Kamel geschlachtet, und die Araberschechs, die man mit reichen Geschenken ge¬
wonnen zu haben glaubte, der Garnison Lebensmittel zuzuführen, haben ent¬
weder ihre Aufgabe zu schwierig gefunden oder einfach ihren Kontrakt gebrochen,
nachdem sie ihr Geld eingestrichen. Die Hoffnungen Sinkats beruhten einzig
und allein auf einem siegreichen Vordringen Bakers, und nach seiner Nieder¬
lage ist die Vernichtung der dort stehenden ägyptischen Truppen, wenn sie nicht
schon erfolgt ist, nur noch eine Frage der Zeit. Denn es ist kaum zu erwarten,
daß die so schimpflich von den Protektoren Ägyptens im Stiche gelassenen Leute
Tewfiks in der Lage sein werden, sich dnrch Niederlegung der Waffen bei dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/382>, abgerufen am 04.07.2024.