Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Gedanken über Goethe. Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die LiebeI Derselben Geliebten hatte er einige Jahre vorher, als sie seiner Glut immer -- es steht mir gar zu fern, worauf die Freunde erwiedern: Die Sterne, die begehrt man nicht, ganz wie Alexis sich selbst anklagt, nicht früher von Doras Schönheit betroffen Auf einmal erschein ich, Noch spät, als die betrachtende Zeit schon gekommen war, findet sich in der Grenzlwteu I. 1884. 44
Gedanken über Goethe. Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die LiebeI Derselben Geliebten hatte er einige Jahre vorher, als sie seiner Glut immer — es steht mir gar zu fern, worauf die Freunde erwiedern: Die Sterne, die begehrt man nicht, ganz wie Alexis sich selbst anklagt, nicht früher von Doras Schönheit betroffen Auf einmal erschein ich, Noch spät, als die betrachtende Zeit schon gekommen war, findet sich in der Grenzlwteu I. 1884. 44
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Gedanken über Goethe.
Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die LiebeI
Unaufhaltsam führen co'ge Stunden
Eure Reihen durch den weiten Himmel.
Welche Reise habt ihr schon vollendet,
Seit ich weilend in dem Arm der Liebsten
Euer und der Mitternacht vergessen!
Derselben Geliebten hatte er einige Jahre vorher, als sie seiner Glut immer
wieder ausgewichen war, entsagend schreiben Müssen (Schöll I, S. 23, Fielitz
Ur. 89): „Ich sehe dich eben künftig, wie man Sterne sieht! Denke das durch!"
Ich kann es nie erwerben, klagt der Liebende in „Trost in Thränen":
— es steht mir gar zu fern,
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
Wie droben jener Stern —
worauf die Freunde erwiedern:
Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitern Nacht —
ganz wie Alexis sich selbst anklagt, nicht früher von Doras Schönheit betroffen
worden zu sein, sondern sie angesehen zu haben, wie man Mond und Sterne
sieht, ohne a» ihren Besitz zu denken. Aber in dem Liede „Sehnsucht" geht
das Mädchen sinnend am Bache hin, die Wiesen entlang, der Abend dämmert,
die Nacht bricht ein; plötzlich blitzt ein schöner Stern ans und verwandelt sich
in den wirklichen Geliebten zu ihren Füßen:
Auf einmal erschein ich,
Ein blinkender Stern.
Was glänzet da droben
So nah und so fern?
Und hast du mit Staunen
Das Leuchten erblickt -
Ich lieg' dir zu Füßen,
Da bin ich beglückt I
Noch spät, als die betrachtende Zeit schon gekommen war, findet sich in der
Novelle „Der Mann von fünfzig Jahren" (vom Jahre 1807) die prächtige
Schilderung des auf der blanken gefrorenen Fläche sich spiegelnden Mond- und
Sternenhimmels und der dadurch erregten Winterluft der Menschen — weit
Phantasievoller, obgleich in Prosa, als Klopstocks rhetorisch figurirte, aber dem
Gehalte nach prosaische und dürftige Schrittschuhode „Der Eislauf." Einige
Bruchstücke mögen hier stehen: „Die schöne Kunst, welche die ersten raschen
Wintertage zu verherrlichen und neues Leben in das Erstarrte zu bringen im
hohen Norden erfunden worden." — „Das hat die Eislnst vor allen andern
körperlichen Bewegungen voraus, daß die Anstrengung nicht erhitzt und die
Grenzlwteu I. 1884. 44
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