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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Aus dem neuen Griechenland.

unter, daß man jede Beschäftigung bei Seite schob, die Schickn schloß, den
Handel und die Industrie vernachlässigte.

Die Explosion, welche daraus zu entstehen drohte, hielt der gerade zu
jeuer Zeit abgehaltene Berliner Kongreß zurück, in welchem der griechische Re¬
präsentant die Jmeressen seines Landes mit Geschick und Schürfe verteidigte. Die
Landstriche mit etwa 250 000 Einwohnern, welche man in diesem Kongresse
Griechenland zusagte, entsprachen freilich kaum den Wünschen und Erwartungen
des Gesamtkörpers der Nation, und so geschah es, daß das damalige Ministerium
seine Popularität einbüßte und sein Portefeuille niederlegen mußte.

Es ist begreiflich, daß unter solchen Umständen, wie sie seit den letzten
Jahren über Griechenland walteten, jedes Ergreifen von geeigneten Maßregeln
zur Herstellung eines normalen finanziellen Zustandes sehr schwer, wenn nicht
unmöglich wurde.

So liegt es denn gegenwärtig mehr als in irgend einer andern Zeit der
Regierung und dem Parlamente ob, für die Verbesserung und Aufrichtung des
elenden finanziellen Zustandes ernste Sorge zu tragen. Das jetzt versammelte
griechische Parlament soll vor allem seine volle Aufmerksamkeit auf die Verein¬
barung der griechischen Anleihen richten, damit die Geisel des Landes, der
Zwangskurs der Banknoten, aufgehoben, viele im Budget stehenden überflüssigen
Ausgaben weggeschafft und die Bildung neuer Ämter, welche nur persönlichen
Ansprüchen zu dienen geeignet sind, vermieden werde. Dagegen gilt es, die
Staatseinnahmen durch Besteuerung des Kapitals und der Bankgeschäfte zu
vermehren, die Einkommenlisten einer allgemeinen Revision zu unterziehen und
zuletzt einige Steuern, die niedern Volksklassen betreffend, Steuern, die auch
von der Wissenschaft streng verurteilt werden, ganz oder teilweise aufzuheben.
Die Staatsmänner Griechenlands sollten stets den Ausspruch, den Gortschakoff
nach dem Krimkriege that: 1^ Kussis hö rsousills, im Gedächtnis tragen und
ihr hauptsächlichstes Streben dahin richten, die finanzielle Wirtschaft ihres kleinen
Vaterlandes aufzubessern.

Darf man nun nicht nach alledem, nach all den Bestrebungen, welche das
junge Reich fort und fort an den Tag legt, an eine bessere Zukunft des¬
selben glauben? Ist sein Anspruch auf diejenigen Provinzen des immer mehr
niedersinkenden türkischen Reiches, welche ihm dreitausend Jahre lang angehörten
und noch jetzt meistenteils von Griechen bewohnt sind, ein so durchaus unbe¬
gründeter?. Die den Orient zivilisirende Macht des jungen Staates ist nicht so
ungenügend, als daß er nicht mit Zuversicht der sich ihm weit öffnenden Zukunft
entgegensehen könnte. Es darf nicht übersehen werden, welche Menge von öffent¬
lichen und privaten Unterrichtsanstalten in den letzten fünfzehn Jahren in den
unter türkischer Herrschaft stehenden griechischen Ländern errichtet worden sind,
daß alle diese Länder nicht einen Augenblick aufgehört haben, das kleine Stück
griechischer Freiheit als den Leuchtturm zu betrachten, von welchem sie rede"


Aus dem neuen Griechenland.

unter, daß man jede Beschäftigung bei Seite schob, die Schickn schloß, den
Handel und die Industrie vernachlässigte.

Die Explosion, welche daraus zu entstehen drohte, hielt der gerade zu
jeuer Zeit abgehaltene Berliner Kongreß zurück, in welchem der griechische Re¬
präsentant die Jmeressen seines Landes mit Geschick und Schürfe verteidigte. Die
Landstriche mit etwa 250 000 Einwohnern, welche man in diesem Kongresse
Griechenland zusagte, entsprachen freilich kaum den Wünschen und Erwartungen
des Gesamtkörpers der Nation, und so geschah es, daß das damalige Ministerium
seine Popularität einbüßte und sein Portefeuille niederlegen mußte.

Es ist begreiflich, daß unter solchen Umständen, wie sie seit den letzten
Jahren über Griechenland walteten, jedes Ergreifen von geeigneten Maßregeln
zur Herstellung eines normalen finanziellen Zustandes sehr schwer, wenn nicht
unmöglich wurde.

So liegt es denn gegenwärtig mehr als in irgend einer andern Zeit der
Regierung und dem Parlamente ob, für die Verbesserung und Aufrichtung des
elenden finanziellen Zustandes ernste Sorge zu tragen. Das jetzt versammelte
griechische Parlament soll vor allem seine volle Aufmerksamkeit auf die Verein¬
barung der griechischen Anleihen richten, damit die Geisel des Landes, der
Zwangskurs der Banknoten, aufgehoben, viele im Budget stehenden überflüssigen
Ausgaben weggeschafft und die Bildung neuer Ämter, welche nur persönlichen
Ansprüchen zu dienen geeignet sind, vermieden werde. Dagegen gilt es, die
Staatseinnahmen durch Besteuerung des Kapitals und der Bankgeschäfte zu
vermehren, die Einkommenlisten einer allgemeinen Revision zu unterziehen und
zuletzt einige Steuern, die niedern Volksklassen betreffend, Steuern, die auch
von der Wissenschaft streng verurteilt werden, ganz oder teilweise aufzuheben.
Die Staatsmänner Griechenlands sollten stets den Ausspruch, den Gortschakoff
nach dem Krimkriege that: 1^ Kussis hö rsousills, im Gedächtnis tragen und
ihr hauptsächlichstes Streben dahin richten, die finanzielle Wirtschaft ihres kleinen
Vaterlandes aufzubessern.

Darf man nun nicht nach alledem, nach all den Bestrebungen, welche das
junge Reich fort und fort an den Tag legt, an eine bessere Zukunft des¬
selben glauben? Ist sein Anspruch auf diejenigen Provinzen des immer mehr
niedersinkenden türkischen Reiches, welche ihm dreitausend Jahre lang angehörten
und noch jetzt meistenteils von Griechen bewohnt sind, ein so durchaus unbe¬
gründeter?. Die den Orient zivilisirende Macht des jungen Staates ist nicht so
ungenügend, als daß er nicht mit Zuversicht der sich ihm weit öffnenden Zukunft
entgegensehen könnte. Es darf nicht übersehen werden, welche Menge von öffent¬
lichen und privaten Unterrichtsanstalten in den letzten fünfzehn Jahren in den
unter türkischer Herrschaft stehenden griechischen Ländern errichtet worden sind,
daß alle diese Länder nicht einen Augenblick aufgehört haben, das kleine Stück
griechischer Freiheit als den Leuchtturm zu betrachten, von welchem sie rede»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/300>, abgerufen am 22.07.2024.