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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die jüdische Ginwanderung in Deutschland.
unter je 1000 Christen unter je 1000 Juden
in Berlin 2 37,
" Posen 10 35,
" Königshütte 8 33,
" Breslau 2 SS.

Fassen wir aber statt einzelner Städte ganze Regierungsbezirke ins Auge, so
tritt das Eindringen der polnischen Juden über die russische und galizische
Grenze noch weit mehr zu Tage. Denn von der 1880 gezählten Bevölkerung
waren in russischen Provinzen geboren:

uuter je 100" Christen unter je 1000 Juden
im Regierungsbezirke Gumbinnen 6 393,
,, Königsberg 3 252,
,, Marienwerder 10 57,
Danzig I 27,
Posen 4 27.
Bromberg 7 26,
Breslau 1 2S,
Oppeln 3 23.

In den letztgenannten schlesischen Bezirken war ferner ebenso wie in Berlin,
Danzig und verschiednen andern preußischen Städten neben den russisch-polnischen
Juden auch die Zahl der österreichischen, vermutlich der Mehrzahl nach gali-
zischen, eine sehr bedeutende. So stammten z. B. von der 1880 gezählten Be¬
völkerung aus Österreich:

unter je 1000 Christen unter je 1000 Juden
in Königshütte 7 76,
Beuthen 6 33,
im Regierungsbezirke Breslau 8 23,
in der Stadt Breslau 6 25.
im Regierungsbezirke Oppeln 7 36,
" Liegnitz 1 13,
in Berlin 3 17,
" Danzig 1 13.

Wenn also Herr Dr. Salomon Neumann in seiner Broschüre über die Massen¬
einwanderung der Juden ausrief: "Wo in der ganzen preußischen Statistik ist
ein russisch-polnischer oder ein österreichisch-ungarischer Jude anzutreffen? Die
jüdische Masseneinwanderung über die Ostgrenze des Staates ist nichts als eine
Fabel, das wird durch die thatsächlichen Ergebnisse der amtlichen preußischen
Statistik bezeugt," so ist dieser Trumpf jetzt nicht mehr auszuspielen. Das Gegen¬
teil wird mit jenen Ergebnissen bezeugt: die Masseneinwanderung von
Juden aus Russisch-Polen und Galizien ist Thatsache, unleugbar und
unbestreitbar. Herr Neumann hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und
Herr Mommsen hat den Irrtum, der sich bei solchem Verfahren ergab, in vor¬
schnellen und unvorsichtigem Eifer, der einem Geschichtschreiber doppelt übel zu
Gesichte steht, adoptirt und benutzt.


Die jüdische Ginwanderung in Deutschland.
unter je 1000 Christen unter je 1000 Juden
in Berlin 2 37,
„ Posen 10 35,
„ Königshütte 8 33,
„ Breslau 2 SS.

Fassen wir aber statt einzelner Städte ganze Regierungsbezirke ins Auge, so
tritt das Eindringen der polnischen Juden über die russische und galizische
Grenze noch weit mehr zu Tage. Denn von der 1880 gezählten Bevölkerung
waren in russischen Provinzen geboren:

uuter je 100» Christen unter je 1000 Juden
im Regierungsbezirke Gumbinnen 6 393,
,, Königsberg 3 252,
,, Marienwerder 10 57,
Danzig I 27,
Posen 4 27.
Bromberg 7 26,
Breslau 1 2S,
Oppeln 3 23.

In den letztgenannten schlesischen Bezirken war ferner ebenso wie in Berlin,
Danzig und verschiednen andern preußischen Städten neben den russisch-polnischen
Juden auch die Zahl der österreichischen, vermutlich der Mehrzahl nach gali-
zischen, eine sehr bedeutende. So stammten z. B. von der 1880 gezählten Be¬
völkerung aus Österreich:

unter je 1000 Christen unter je 1000 Juden
in Königshütte 7 76,
Beuthen 6 33,
im Regierungsbezirke Breslau 8 23,
in der Stadt Breslau 6 25.
im Regierungsbezirke Oppeln 7 36,
" Liegnitz 1 13,
in Berlin 3 17,
„ Danzig 1 13.

Wenn also Herr Dr. Salomon Neumann in seiner Broschüre über die Massen¬
einwanderung der Juden ausrief: „Wo in der ganzen preußischen Statistik ist
ein russisch-polnischer oder ein österreichisch-ungarischer Jude anzutreffen? Die
jüdische Masseneinwanderung über die Ostgrenze des Staates ist nichts als eine
Fabel, das wird durch die thatsächlichen Ergebnisse der amtlichen preußischen
Statistik bezeugt," so ist dieser Trumpf jetzt nicht mehr auszuspielen. Das Gegen¬
teil wird mit jenen Ergebnissen bezeugt: die Masseneinwanderung von
Juden aus Russisch-Polen und Galizien ist Thatsache, unleugbar und
unbestreitbar. Herr Neumann hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und
Herr Mommsen hat den Irrtum, der sich bei solchem Verfahren ergab, in vor¬
schnellen und unvorsichtigem Eifer, der einem Geschichtschreiber doppelt übel zu
Gesichte steht, adoptirt und benutzt.


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[0295] Die jüdische Ginwanderung in Deutschland. unter je 1000 Christen unter je 1000 Juden in Berlin 2 37, „ Posen 10 35, „ Königshütte 8 33, „ Breslau 2 SS. Fassen wir aber statt einzelner Städte ganze Regierungsbezirke ins Auge, so tritt das Eindringen der polnischen Juden über die russische und galizische Grenze noch weit mehr zu Tage. Denn von der 1880 gezählten Bevölkerung waren in russischen Provinzen geboren: uuter je 100» Christen unter je 1000 Juden im Regierungsbezirke Gumbinnen 6 393, ,, Königsberg 3 252, ,, Marienwerder 10 57, Danzig I 27, Posen 4 27. Bromberg 7 26, Breslau 1 2S, Oppeln 3 23. In den letztgenannten schlesischen Bezirken war ferner ebenso wie in Berlin, Danzig und verschiednen andern preußischen Städten neben den russisch-polnischen Juden auch die Zahl der österreichischen, vermutlich der Mehrzahl nach gali- zischen, eine sehr bedeutende. So stammten z. B. von der 1880 gezählten Be¬ völkerung aus Österreich: unter je 1000 Christen unter je 1000 Juden in Königshütte 7 76, Beuthen 6 33, im Regierungsbezirke Breslau 8 23, in der Stadt Breslau 6 25. im Regierungsbezirke Oppeln 7 36, " Liegnitz 1 13, in Berlin 3 17, „ Danzig 1 13. Wenn also Herr Dr. Salomon Neumann in seiner Broschüre über die Massen¬ einwanderung der Juden ausrief: „Wo in der ganzen preußischen Statistik ist ein russisch-polnischer oder ein österreichisch-ungarischer Jude anzutreffen? Die jüdische Masseneinwanderung über die Ostgrenze des Staates ist nichts als eine Fabel, das wird durch die thatsächlichen Ergebnisse der amtlichen preußischen Statistik bezeugt," so ist dieser Trumpf jetzt nicht mehr auszuspielen. Das Gegen¬ teil wird mit jenen Ergebnissen bezeugt: die Masseneinwanderung von Juden aus Russisch-Polen und Galizien ist Thatsache, unleugbar und unbestreitbar. Herr Neumann hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und Herr Mommsen hat den Irrtum, der sich bei solchem Verfahren ergab, in vor¬ schnellen und unvorsichtigem Eifer, der einem Geschichtschreiber doppelt übel zu Gesichte steht, adoptirt und benutzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/295>, abgerufen am 22.07.2024.