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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die jüdische Einmcmdenmg in Deutschland.

der Juden überhaupt in beiden Jahren dort ungefähr die gleiche war, die Zahl
der Rentiers unter ihnen aber in dieser Periode von 25 auf 33, die der
Bankiers von 2 auf 12, die der Großhändler von 28 auf 33, die der Kauf¬
leute mit offenen Läden von 441 auf 605 stieg. Ähnlich war die Entwicklung
im Regierungsbezirke Posen. Nach deu Tabellen, die unsre Schrift enthält,
hat sich die jüdische Bevölkerung innerhalb der alte" Provinzen der preußische"
Monarchie i" dem Zeitraume von 1871 bis 1380 nur in Pose" noch mehr
verringert, in Westpreußen behauptete sie im letztgenannten Jahre ungefähr die
gleiche Höhe wie im erstgenannten, sonst stieg sie mit dem Wachstnme der Be¬
völkerung überhaupt. Dasselbe gilt vom Königreiche Baiern, wo es 1871
51335 und 1880 53 526. von Baden, wo es 1871 26492 und neun Jahre
später 27278, von Hessen, wo es 1871 25 652 und 1880 26 740 Juden gab,
ferner von Würtemberg, wo man deren 1871 12 881 und 1380 13 331, von
Hamburg, wo man deren 1871 13 796 und 1880 16 024, endlich von Sachsen,
wo man deren 1871 5360 und 1880 6516 zählte. Das gesamte Preußen
mit Einschluß der neuerworbenen Provinzen hatte im ersterwähnten Jahre
339 790, im letzterwähnte" 363 790, das deutsche Reich im Jahre 1871 529 211,
im Jahre 1880 562 751 Juden. Nur Elsaß-Lothringen behielt unter deu
nußcrpreußischeu größeren Gebieten ungefähr die gleiche Zahl jüdischer Bewohner,
nämlich rund 39 000.

Von großem Interesse für die an der Spitze unsrer Auszüge gestellten
Fragen ist das, was der Verfasser unsrer Schrift in zwei Anmerkungen mitteilt.
Darnach habe" einen Mehrzuzug von Juden, d. h. eine" Überschuß der zuziehende"
über die Wegziehenden, in der Zeit vo" 1824 bis 1871 zunächst die beiden
Regierungsbezirke der Provinz Ostpreußen aufzuweisen gehabt, und zwar ver¬
mutlich infolge des Überwiegens der Einwanderung polnischer und russischer
Juden über die gleichzeitigen Abzüge von einheimischen oder in der Provinz
seßhaft gewordenen Juden nach Westen, dann Pommern, namentlich der Re¬
gierungsbezirk Stettin, wo mehr Juden aus Westpreußen und Posen ein¬
gewandert sein werden als wegzogen, ferner die Regierungsbezirke Breslau und
Liegnitz, ersterer durch starke Zuwanderung polnischer Juden wie Ostpreußen,
vor allem aber Berlin, wo in der genannte" Periode etwa 26100 Juden mehr
zu- als weggezogen sind. Dagegen verloren in derselben Zeit durch Überwiegen
indischer Wegzuge über die Zuzüge die Provinzen Posen 46 640, Westpreußen
7670, Schlesien 2100, Brandenburg ohne Berlin 1499 und Sachsen 230 Juden.
Im ganze" haben hiernach die östlichen Provinzen der preußischen Monarchie
M den Jahren von 1824 bis 1871 etwa 27 850 Juden mehr abgegeben als
erhalten. Was die Zeit jener Ab- und Zuzüge betrifft, so haben die ersteren
für jenes Gebiet der östlichen Provinzen sich namentlich seit den vierziger
Jahren fühlbar gemacht. Wir sehen insbesondre seit den fünfziger Jahren die
jüdische Bevölkerung Berlins vorzüglich im Mehrzuzug die Christen weit über-


Die jüdische Einmcmdenmg in Deutschland.

der Juden überhaupt in beiden Jahren dort ungefähr die gleiche war, die Zahl
der Rentiers unter ihnen aber in dieser Periode von 25 auf 33, die der
Bankiers von 2 auf 12, die der Großhändler von 28 auf 33, die der Kauf¬
leute mit offenen Läden von 441 auf 605 stieg. Ähnlich war die Entwicklung
im Regierungsbezirke Posen. Nach deu Tabellen, die unsre Schrift enthält,
hat sich die jüdische Bevölkerung innerhalb der alte» Provinzen der preußische»
Monarchie i» dem Zeitraume von 1871 bis 1380 nur in Pose» noch mehr
verringert, in Westpreußen behauptete sie im letztgenannten Jahre ungefähr die
gleiche Höhe wie im erstgenannten, sonst stieg sie mit dem Wachstnme der Be¬
völkerung überhaupt. Dasselbe gilt vom Königreiche Baiern, wo es 1871
51335 und 1880 53 526. von Baden, wo es 1871 26492 und neun Jahre
später 27278, von Hessen, wo es 1871 25 652 und 1880 26 740 Juden gab,
ferner von Würtemberg, wo man deren 1871 12 881 und 1380 13 331, von
Hamburg, wo man deren 1871 13 796 und 1880 16 024, endlich von Sachsen,
wo man deren 1871 5360 und 1880 6516 zählte. Das gesamte Preußen
mit Einschluß der neuerworbenen Provinzen hatte im ersterwähnten Jahre
339 790, im letzterwähnte» 363 790, das deutsche Reich im Jahre 1871 529 211,
im Jahre 1880 562 751 Juden. Nur Elsaß-Lothringen behielt unter deu
nußcrpreußischeu größeren Gebieten ungefähr die gleiche Zahl jüdischer Bewohner,
nämlich rund 39 000.

Von großem Interesse für die an der Spitze unsrer Auszüge gestellten
Fragen ist das, was der Verfasser unsrer Schrift in zwei Anmerkungen mitteilt.
Darnach habe» einen Mehrzuzug von Juden, d. h. eine» Überschuß der zuziehende»
über die Wegziehenden, in der Zeit vo» 1824 bis 1871 zunächst die beiden
Regierungsbezirke der Provinz Ostpreußen aufzuweisen gehabt, und zwar ver¬
mutlich infolge des Überwiegens der Einwanderung polnischer und russischer
Juden über die gleichzeitigen Abzüge von einheimischen oder in der Provinz
seßhaft gewordenen Juden nach Westen, dann Pommern, namentlich der Re¬
gierungsbezirk Stettin, wo mehr Juden aus Westpreußen und Posen ein¬
gewandert sein werden als wegzogen, ferner die Regierungsbezirke Breslau und
Liegnitz, ersterer durch starke Zuwanderung polnischer Juden wie Ostpreußen,
vor allem aber Berlin, wo in der genannte» Periode etwa 26100 Juden mehr
zu- als weggezogen sind. Dagegen verloren in derselben Zeit durch Überwiegen
indischer Wegzuge über die Zuzüge die Provinzen Posen 46 640, Westpreußen
7670, Schlesien 2100, Brandenburg ohne Berlin 1499 und Sachsen 230 Juden.
Im ganze« haben hiernach die östlichen Provinzen der preußischen Monarchie
M den Jahren von 1824 bis 1871 etwa 27 850 Juden mehr abgegeben als
erhalten. Was die Zeit jener Ab- und Zuzüge betrifft, so haben die ersteren
für jenes Gebiet der östlichen Provinzen sich namentlich seit den vierziger
Jahren fühlbar gemacht. Wir sehen insbesondre seit den fünfziger Jahren die
jüdische Bevölkerung Berlins vorzüglich im Mehrzuzug die Christen weit über-


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[0293] Die jüdische Einmcmdenmg in Deutschland. der Juden überhaupt in beiden Jahren dort ungefähr die gleiche war, die Zahl der Rentiers unter ihnen aber in dieser Periode von 25 auf 33, die der Bankiers von 2 auf 12, die der Großhändler von 28 auf 33, die der Kauf¬ leute mit offenen Läden von 441 auf 605 stieg. Ähnlich war die Entwicklung im Regierungsbezirke Posen. Nach deu Tabellen, die unsre Schrift enthält, hat sich die jüdische Bevölkerung innerhalb der alte» Provinzen der preußische» Monarchie i» dem Zeitraume von 1871 bis 1380 nur in Pose» noch mehr verringert, in Westpreußen behauptete sie im letztgenannten Jahre ungefähr die gleiche Höhe wie im erstgenannten, sonst stieg sie mit dem Wachstnme der Be¬ völkerung überhaupt. Dasselbe gilt vom Königreiche Baiern, wo es 1871 51335 und 1880 53 526. von Baden, wo es 1871 26492 und neun Jahre später 27278, von Hessen, wo es 1871 25 652 und 1880 26 740 Juden gab, ferner von Würtemberg, wo man deren 1871 12 881 und 1380 13 331, von Hamburg, wo man deren 1871 13 796 und 1880 16 024, endlich von Sachsen, wo man deren 1871 5360 und 1880 6516 zählte. Das gesamte Preußen mit Einschluß der neuerworbenen Provinzen hatte im ersterwähnten Jahre 339 790, im letzterwähnte» 363 790, das deutsche Reich im Jahre 1871 529 211, im Jahre 1880 562 751 Juden. Nur Elsaß-Lothringen behielt unter deu nußcrpreußischeu größeren Gebieten ungefähr die gleiche Zahl jüdischer Bewohner, nämlich rund 39 000. Von großem Interesse für die an der Spitze unsrer Auszüge gestellten Fragen ist das, was der Verfasser unsrer Schrift in zwei Anmerkungen mitteilt. Darnach habe» einen Mehrzuzug von Juden, d. h. eine» Überschuß der zuziehende» über die Wegziehenden, in der Zeit vo» 1824 bis 1871 zunächst die beiden Regierungsbezirke der Provinz Ostpreußen aufzuweisen gehabt, und zwar ver¬ mutlich infolge des Überwiegens der Einwanderung polnischer und russischer Juden über die gleichzeitigen Abzüge von einheimischen oder in der Provinz seßhaft gewordenen Juden nach Westen, dann Pommern, namentlich der Re¬ gierungsbezirk Stettin, wo mehr Juden aus Westpreußen und Posen ein¬ gewandert sein werden als wegzogen, ferner die Regierungsbezirke Breslau und Liegnitz, ersterer durch starke Zuwanderung polnischer Juden wie Ostpreußen, vor allem aber Berlin, wo in der genannte» Periode etwa 26100 Juden mehr zu- als weggezogen sind. Dagegen verloren in derselben Zeit durch Überwiegen indischer Wegzuge über die Zuzüge die Provinzen Posen 46 640, Westpreußen 7670, Schlesien 2100, Brandenburg ohne Berlin 1499 und Sachsen 230 Juden. Im ganze« haben hiernach die östlichen Provinzen der preußischen Monarchie M den Jahren von 1824 bis 1871 etwa 27 850 Juden mehr abgegeben als erhalten. Was die Zeit jener Ab- und Zuzüge betrifft, so haben die ersteren für jenes Gebiet der östlichen Provinzen sich namentlich seit den vierziger Jahren fühlbar gemacht. Wir sehen insbesondre seit den fünfziger Jahren die jüdische Bevölkerung Berlins vorzüglich im Mehrzuzug die Christen weit über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/293>, abgerufen am 23.07.2024.