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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Lin Vorläufer kassalles.

ihre Hand bekommen, würde, unserm Sozialisten zufolge, die Anwendung zweier
Mittel notwendig sein, 1, Belehrung und Aufklärung des Volkes. Hierzu
bedarf es außer dem persönlichen Eifer der Anhänger noch der Freiheit der
Presse und der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen. Auf diese Weise wird
"geraten." 2. Möglichste Sorge dafür, daß die schon bestehende Unordnung
schnell auf den höchsten Gipfel getrieben werde. Auf diese Weise wird "geholfen."
Denn dann wird dem Volke der Geduldsfaden reißen, und es wird die Macht
denjenigen Leuten anvertrauen, die seine Lage wirklich verbessern wollen.

Alsdann wird die Gesellschaft aus dem heutigen Zustande in den Svzialstaat
etwa auf folgende Weise überzuführen sein.

1. Alle unsaubern und stark beschädigten Gebrauchsmittel, die ja nur den
Armen gehören, werden vernichtet, und die letztern einstweilen in die öffentlichen
Gebäude und bei den Reichen einquartiert. 2. Alle Schuldscheine werden ebenso
wie alle Erb- und Adelsrcchte für null und nichtig erklärt. 3. Die Organisation
der Arbeit beginnt durch die Wahlen in jedem Geschäftszweige. Jeder an die
Spitze der Verwaltung Berufene muß sein ganzes Vermögen der Gemeinschaft
übergeben oder auf die Wahl verzichten. 4. Alle Leute, welche der Staat er¬
hält, also besonders die Mitglieder der Verwaltungsbehörden und der Armee,
leben mit einander in Gemeinschaft. Sie erhalten alle -- ohne Unterschied des
Ranges -- die gleichen Lebensmittel. 5. Die Steuern werden in rohen Natur-
Produkten eingeliefert, aus denen die Angestellten erhalte" werden. Keiner von thuen
wird besoldet. 6. Die Güter aller Auswanderer werden konfiszirt, ebenso jeder
Acker, der unbenutzt liegen bleibt, obwohl er recht gut zur Bebauung herangezogen
werden könnte. 7. Alle Staats- und Kirchengüter werden zum Besten der
Gemeinschaft eingezogen. 8. Jeder, der will, kann in die Gemeinschaft ein¬
treten, und zwar zu gleichen Bedingungen wie alle übrigen. Unter denselben
Bedingungen wird jeder darin aufgenommen, der nicht mehr zur Arbeit fähig
ist- 10. Die Verwaltung muß ihre Thätigkeit möglichst auf Verbesserung des
Ackerbaues und der Schulen richte". 11. In jedem Dorfe, jeder Stadt, jedem
Distrikt, wo drei Viertel der Einwohner dafür stimme", ihre Güter in Ge¬
meinschaft zu geben, muß sich das letzte Viertel fügen.

Durch diese und ähnliche Maßregeln kommt dann der Sozialstaat von
selbst. Sollte es aber nicht gelingen, die Verwaltung in die Hände von Wcit-
liugianern zu bringen, so soll man den Besitzern ihr Eigentum selbst zum Ekel
wachen durch einen furchtbaren Krieg gegen dasselbe. Dann müsse eine Moral
gepredigt werden, die noch Niemand zu predigen gewagt habe.

Möglich wäre es übrigens nach Weitling, daß der Umsturz des Bestehenden
auch durch einen Monarchen vor sich ginge. Das wäre kein Übel, meint unser
Kommunist. Wenn er nebst Krone und Szepter die Vorurteile des Egoismus
in den Staub würfe, so möchte er immerhin bis zur völlige" Organisation der
Gesellschaft ein Diktator sein. Ja den Schluß des Werkes über die "Garan-


Lin Vorläufer kassalles.

ihre Hand bekommen, würde, unserm Sozialisten zufolge, die Anwendung zweier
Mittel notwendig sein, 1, Belehrung und Aufklärung des Volkes. Hierzu
bedarf es außer dem persönlichen Eifer der Anhänger noch der Freiheit der
Presse und der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen. Auf diese Weise wird
»geraten." 2. Möglichste Sorge dafür, daß die schon bestehende Unordnung
schnell auf den höchsten Gipfel getrieben werde. Auf diese Weise wird „geholfen."
Denn dann wird dem Volke der Geduldsfaden reißen, und es wird die Macht
denjenigen Leuten anvertrauen, die seine Lage wirklich verbessern wollen.

Alsdann wird die Gesellschaft aus dem heutigen Zustande in den Svzialstaat
etwa auf folgende Weise überzuführen sein.

1. Alle unsaubern und stark beschädigten Gebrauchsmittel, die ja nur den
Armen gehören, werden vernichtet, und die letztern einstweilen in die öffentlichen
Gebäude und bei den Reichen einquartiert. 2. Alle Schuldscheine werden ebenso
wie alle Erb- und Adelsrcchte für null und nichtig erklärt. 3. Die Organisation
der Arbeit beginnt durch die Wahlen in jedem Geschäftszweige. Jeder an die
Spitze der Verwaltung Berufene muß sein ganzes Vermögen der Gemeinschaft
übergeben oder auf die Wahl verzichten. 4. Alle Leute, welche der Staat er¬
hält, also besonders die Mitglieder der Verwaltungsbehörden und der Armee,
leben mit einander in Gemeinschaft. Sie erhalten alle — ohne Unterschied des
Ranges — die gleichen Lebensmittel. 5. Die Steuern werden in rohen Natur-
Produkten eingeliefert, aus denen die Angestellten erhalte» werden. Keiner von thuen
wird besoldet. 6. Die Güter aller Auswanderer werden konfiszirt, ebenso jeder
Acker, der unbenutzt liegen bleibt, obwohl er recht gut zur Bebauung herangezogen
werden könnte. 7. Alle Staats- und Kirchengüter werden zum Besten der
Gemeinschaft eingezogen. 8. Jeder, der will, kann in die Gemeinschaft ein¬
treten, und zwar zu gleichen Bedingungen wie alle übrigen. Unter denselben
Bedingungen wird jeder darin aufgenommen, der nicht mehr zur Arbeit fähig
ist- 10. Die Verwaltung muß ihre Thätigkeit möglichst auf Verbesserung des
Ackerbaues und der Schulen richte». 11. In jedem Dorfe, jeder Stadt, jedem
Distrikt, wo drei Viertel der Einwohner dafür stimme», ihre Güter in Ge¬
meinschaft zu geben, muß sich das letzte Viertel fügen.

Durch diese und ähnliche Maßregeln kommt dann der Sozialstaat von
selbst. Sollte es aber nicht gelingen, die Verwaltung in die Hände von Wcit-
liugianern zu bringen, so soll man den Besitzern ihr Eigentum selbst zum Ekel
wachen durch einen furchtbaren Krieg gegen dasselbe. Dann müsse eine Moral
gepredigt werden, die noch Niemand zu predigen gewagt habe.

Möglich wäre es übrigens nach Weitling, daß der Umsturz des Bestehenden
auch durch einen Monarchen vor sich ginge. Das wäre kein Übel, meint unser
Kommunist. Wenn er nebst Krone und Szepter die Vorurteile des Egoismus
in den Staub würfe, so möchte er immerhin bis zur völlige» Organisation der
Gesellschaft ein Diktator sein. Ja den Schluß des Werkes über die „Garan-


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[0265] Lin Vorläufer kassalles. ihre Hand bekommen, würde, unserm Sozialisten zufolge, die Anwendung zweier Mittel notwendig sein, 1, Belehrung und Aufklärung des Volkes. Hierzu bedarf es außer dem persönlichen Eifer der Anhänger noch der Freiheit der Presse und der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen. Auf diese Weise wird »geraten." 2. Möglichste Sorge dafür, daß die schon bestehende Unordnung schnell auf den höchsten Gipfel getrieben werde. Auf diese Weise wird „geholfen." Denn dann wird dem Volke der Geduldsfaden reißen, und es wird die Macht denjenigen Leuten anvertrauen, die seine Lage wirklich verbessern wollen. Alsdann wird die Gesellschaft aus dem heutigen Zustande in den Svzialstaat etwa auf folgende Weise überzuführen sein. 1. Alle unsaubern und stark beschädigten Gebrauchsmittel, die ja nur den Armen gehören, werden vernichtet, und die letztern einstweilen in die öffentlichen Gebäude und bei den Reichen einquartiert. 2. Alle Schuldscheine werden ebenso wie alle Erb- und Adelsrcchte für null und nichtig erklärt. 3. Die Organisation der Arbeit beginnt durch die Wahlen in jedem Geschäftszweige. Jeder an die Spitze der Verwaltung Berufene muß sein ganzes Vermögen der Gemeinschaft übergeben oder auf die Wahl verzichten. 4. Alle Leute, welche der Staat er¬ hält, also besonders die Mitglieder der Verwaltungsbehörden und der Armee, leben mit einander in Gemeinschaft. Sie erhalten alle — ohne Unterschied des Ranges — die gleichen Lebensmittel. 5. Die Steuern werden in rohen Natur- Produkten eingeliefert, aus denen die Angestellten erhalte» werden. Keiner von thuen wird besoldet. 6. Die Güter aller Auswanderer werden konfiszirt, ebenso jeder Acker, der unbenutzt liegen bleibt, obwohl er recht gut zur Bebauung herangezogen werden könnte. 7. Alle Staats- und Kirchengüter werden zum Besten der Gemeinschaft eingezogen. 8. Jeder, der will, kann in die Gemeinschaft ein¬ treten, und zwar zu gleichen Bedingungen wie alle übrigen. Unter denselben Bedingungen wird jeder darin aufgenommen, der nicht mehr zur Arbeit fähig ist- 10. Die Verwaltung muß ihre Thätigkeit möglichst auf Verbesserung des Ackerbaues und der Schulen richte». 11. In jedem Dorfe, jeder Stadt, jedem Distrikt, wo drei Viertel der Einwohner dafür stimme», ihre Güter in Ge¬ meinschaft zu geben, muß sich das letzte Viertel fügen. Durch diese und ähnliche Maßregeln kommt dann der Sozialstaat von selbst. Sollte es aber nicht gelingen, die Verwaltung in die Hände von Wcit- liugianern zu bringen, so soll man den Besitzern ihr Eigentum selbst zum Ekel wachen durch einen furchtbaren Krieg gegen dasselbe. Dann müsse eine Moral gepredigt werden, die noch Niemand zu predigen gewagt habe. Möglich wäre es übrigens nach Weitling, daß der Umsturz des Bestehenden auch durch einen Monarchen vor sich ginge. Das wäre kein Übel, meint unser Kommunist. Wenn er nebst Krone und Szepter die Vorurteile des Egoismus in den Staub würfe, so möchte er immerhin bis zur völlige» Organisation der Gesellschaft ein Diktator sein. Ja den Schluß des Werkes über die „Garan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/265>, abgerufen am 23.07.2024.