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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Ein Vorläufer kassalles.

Weitling unterscheidet nun, wie schon oben angedeutet, in der Gesellschaft
drei Arten von Arbeiten: 1. Die notwendigen Arbeiten, d. h, alle Arbeiten für
das Gedeihen und den Fortschritt der nützlichen Wissenschaften, für den Unter¬
halt und die Vervollkommnung der Heilanstalten, für die allgemeine Erziehung
der Jugend und den gegenseitigen Austausch der Produkte, sowie die für
Nahrung. Wohnung, Kleidung und Erholung der Glieder der Gesellschaft
nötigen Arbeite". 2. Die nützlichen Arbeiten, d, h, alle die, welche die not¬
wendigen vervollkommnen, z. B. für Bau von Maschinen, Eisenbahnen. 3. Die
angenehmen Arbeiten d. h. alle die, welche zur Verfeinerung der sinnlichen
Genüsse dienen, z. B. für Theater, Bier- und Kaffeehäuser.

Das Trio stellt nun fest, wieviel Produkte des notwendigen und Nütz¬
lichen für das ganze Volk nötig sind. Die zu ihrer Hervorbringung notwendige
Arbeitszeit wird unter alle Arbeitsfähigen gleichmäßig verteilt. Dieselben ar¬
beiten demgemäß auch für die Verwaltungsbeamten, die Kranken, die Greise
und Kinder. Die Wahl der Arbeit bleibt jedem Individuum überlassen. Auch
wird nach Möglichkeit dafür Sorge getragen, daß jeder in den Arbeiten öfters
abwechseln kann.

Mit der Pflicht aller zu einem gleichen Anteil an den Arbeiten für das
Notwendige und Nützliche steht in Verbindung das Recht aller auf einen gleichen
Anteil an den zum notwendigen und Nützlichen gehörigen Produkten. Die
Durchführung hiervon ist die Aufgabe der Werksvorstände.

Anders wird die Produktion und der Verbrauch der Güter des Angenehmen
geregelt. Da zu deren Genuß niemand von der Natur gezwungen ist, so muß es im
Belieben eines jeden stehen, davon zu genießen und dem entsprechend zu arbeiten.
Und zwar wird diese Arbeit in der Produktion des notwendigen geleistet, um
damit diejenigen zu lohnen, welche in der Produktion des Angenehmen beschäftigt
sind. Damit sich Leistung und Lohn decken, müsse" die Produkte des Ange¬
nehmen den zu ihrer Erlangung geleistete" Produkte" des notwendigen genau
wertgleich sein. Dies will Weitling dadurch erreichen, daß 1. jeder angeben
muß. welche Genüsse des Angenehmen er sich zu verschaffen gedächte, wodurch
das Angebot genau der Nachfrage gleichgesetzt werden könne; 2. dadurch, daß
"Kommerzstunden" eingeführt werden. Diese sollen zunächst dazu dienen, de"
Austausch der Produkte des Angenehmen gegen die Arbeitsstunden des not¬
wendigen zu regeln. Kommerzstunden nennt aber Weitling alle Arbeitsstunden,
welche außerhalb der von der Verwaltung bestimmten Arbeitszeit geleistet
werden. Die geleisteten Kommerzstunden erhält jeder in ein "Kommerzbuch"
eingetragen. Auf Prüsentirung desselben erhält er dann in jedem beliebigen
Etablissement die gewünschten Genüsse des Angenehmen, was durch Stemveluug
im Kvmmerzbuche bescheinigt wird. Der Wert der Produkte des Angenehmen
wird genau nach den zu ihrer Herstellung notwendigen Arbeitsstunden bemessen
und ist also auch immer gleich der entsprechenden Zahl von Kommerzstunden. Auf


Ein Vorläufer kassalles.

Weitling unterscheidet nun, wie schon oben angedeutet, in der Gesellschaft
drei Arten von Arbeiten: 1. Die notwendigen Arbeiten, d. h, alle Arbeiten für
das Gedeihen und den Fortschritt der nützlichen Wissenschaften, für den Unter¬
halt und die Vervollkommnung der Heilanstalten, für die allgemeine Erziehung
der Jugend und den gegenseitigen Austausch der Produkte, sowie die für
Nahrung. Wohnung, Kleidung und Erholung der Glieder der Gesellschaft
nötigen Arbeite». 2. Die nützlichen Arbeiten, d, h, alle die, welche die not¬
wendigen vervollkommnen, z. B. für Bau von Maschinen, Eisenbahnen. 3. Die
angenehmen Arbeiten d. h. alle die, welche zur Verfeinerung der sinnlichen
Genüsse dienen, z. B. für Theater, Bier- und Kaffeehäuser.

Das Trio stellt nun fest, wieviel Produkte des notwendigen und Nütz¬
lichen für das ganze Volk nötig sind. Die zu ihrer Hervorbringung notwendige
Arbeitszeit wird unter alle Arbeitsfähigen gleichmäßig verteilt. Dieselben ar¬
beiten demgemäß auch für die Verwaltungsbeamten, die Kranken, die Greise
und Kinder. Die Wahl der Arbeit bleibt jedem Individuum überlassen. Auch
wird nach Möglichkeit dafür Sorge getragen, daß jeder in den Arbeiten öfters
abwechseln kann.

Mit der Pflicht aller zu einem gleichen Anteil an den Arbeiten für das
Notwendige und Nützliche steht in Verbindung das Recht aller auf einen gleichen
Anteil an den zum notwendigen und Nützlichen gehörigen Produkten. Die
Durchführung hiervon ist die Aufgabe der Werksvorstände.

Anders wird die Produktion und der Verbrauch der Güter des Angenehmen
geregelt. Da zu deren Genuß niemand von der Natur gezwungen ist, so muß es im
Belieben eines jeden stehen, davon zu genießen und dem entsprechend zu arbeiten.
Und zwar wird diese Arbeit in der Produktion des notwendigen geleistet, um
damit diejenigen zu lohnen, welche in der Produktion des Angenehmen beschäftigt
sind. Damit sich Leistung und Lohn decken, müsse» die Produkte des Ange¬
nehmen den zu ihrer Erlangung geleistete» Produkte» des notwendigen genau
wertgleich sein. Dies will Weitling dadurch erreichen, daß 1. jeder angeben
muß. welche Genüsse des Angenehmen er sich zu verschaffen gedächte, wodurch
das Angebot genau der Nachfrage gleichgesetzt werden könne; 2. dadurch, daß
»Kommerzstunden" eingeführt werden. Diese sollen zunächst dazu dienen, de»
Austausch der Produkte des Angenehmen gegen die Arbeitsstunden des not¬
wendigen zu regeln. Kommerzstunden nennt aber Weitling alle Arbeitsstunden,
welche außerhalb der von der Verwaltung bestimmten Arbeitszeit geleistet
werden. Die geleisteten Kommerzstunden erhält jeder in ein „Kommerzbuch"
eingetragen. Auf Prüsentirung desselben erhält er dann in jedem beliebigen
Etablissement die gewünschten Genüsse des Angenehmen, was durch Stemveluug
im Kvmmerzbuche bescheinigt wird. Der Wert der Produkte des Angenehmen
wird genau nach den zu ihrer Herstellung notwendigen Arbeitsstunden bemessen
und ist also auch immer gleich der entsprechenden Zahl von Kommerzstunden. Auf


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[0257] Ein Vorläufer kassalles. Weitling unterscheidet nun, wie schon oben angedeutet, in der Gesellschaft drei Arten von Arbeiten: 1. Die notwendigen Arbeiten, d. h, alle Arbeiten für das Gedeihen und den Fortschritt der nützlichen Wissenschaften, für den Unter¬ halt und die Vervollkommnung der Heilanstalten, für die allgemeine Erziehung der Jugend und den gegenseitigen Austausch der Produkte, sowie die für Nahrung. Wohnung, Kleidung und Erholung der Glieder der Gesellschaft nötigen Arbeite». 2. Die nützlichen Arbeiten, d, h, alle die, welche die not¬ wendigen vervollkommnen, z. B. für Bau von Maschinen, Eisenbahnen. 3. Die angenehmen Arbeiten d. h. alle die, welche zur Verfeinerung der sinnlichen Genüsse dienen, z. B. für Theater, Bier- und Kaffeehäuser. Das Trio stellt nun fest, wieviel Produkte des notwendigen und Nütz¬ lichen für das ganze Volk nötig sind. Die zu ihrer Hervorbringung notwendige Arbeitszeit wird unter alle Arbeitsfähigen gleichmäßig verteilt. Dieselben ar¬ beiten demgemäß auch für die Verwaltungsbeamten, die Kranken, die Greise und Kinder. Die Wahl der Arbeit bleibt jedem Individuum überlassen. Auch wird nach Möglichkeit dafür Sorge getragen, daß jeder in den Arbeiten öfters abwechseln kann. Mit der Pflicht aller zu einem gleichen Anteil an den Arbeiten für das Notwendige und Nützliche steht in Verbindung das Recht aller auf einen gleichen Anteil an den zum notwendigen und Nützlichen gehörigen Produkten. Die Durchführung hiervon ist die Aufgabe der Werksvorstände. Anders wird die Produktion und der Verbrauch der Güter des Angenehmen geregelt. Da zu deren Genuß niemand von der Natur gezwungen ist, so muß es im Belieben eines jeden stehen, davon zu genießen und dem entsprechend zu arbeiten. Und zwar wird diese Arbeit in der Produktion des notwendigen geleistet, um damit diejenigen zu lohnen, welche in der Produktion des Angenehmen beschäftigt sind. Damit sich Leistung und Lohn decken, müsse» die Produkte des Ange¬ nehmen den zu ihrer Erlangung geleistete» Produkte» des notwendigen genau wertgleich sein. Dies will Weitling dadurch erreichen, daß 1. jeder angeben muß. welche Genüsse des Angenehmen er sich zu verschaffen gedächte, wodurch das Angebot genau der Nachfrage gleichgesetzt werden könne; 2. dadurch, daß »Kommerzstunden" eingeführt werden. Diese sollen zunächst dazu dienen, de» Austausch der Produkte des Angenehmen gegen die Arbeitsstunden des not¬ wendigen zu regeln. Kommerzstunden nennt aber Weitling alle Arbeitsstunden, welche außerhalb der von der Verwaltung bestimmten Arbeitszeit geleistet werden. Die geleisteten Kommerzstunden erhält jeder in ein „Kommerzbuch" eingetragen. Auf Prüsentirung desselben erhält er dann in jedem beliebigen Etablissement die gewünschten Genüsse des Angenehmen, was durch Stemveluug im Kvmmerzbuche bescheinigt wird. Der Wert der Produkte des Angenehmen wird genau nach den zu ihrer Herstellung notwendigen Arbeitsstunden bemessen und ist also auch immer gleich der entsprechenden Zahl von Kommerzstunden. Auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/257>, abgerufen am 04.07.2024.