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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Annstfreund.

bewegen, konnten nur von ihm mit solcher Vorzüglichkeit dargestellt werden.
Vortrefflich gelungen sind ihm auch die Wappen, die bei ihm in reinem Renaissance¬
stil gehalten sind und oft von herrlichen Pudel getragen werden, während sie
aus den Blättern der andern Meister gewöhnlich noch gothisirende Umrahmungen
haben. Gestalten wie die dem heiligen Emmerich erscheinende Madonna, die
heilige Ermelinde, die heilige Reinette vor dem Altar gehören zum Keuschesten
und Lieblichsten, was die Kunst des sechzehnten Jahrhunderts geschaffen hat.
Springinklee ist unruhiger als Burgkmair; die Körper seiner Figuren würden
oft nicht ganz in Ordnung sein, wenn man sie der schweren Gewänder entledigen
konnte, die sie wie eine feste Masse umgeben. Schäufeleins Figuren endlich sind
klein und gedrungen und bewegen sich mit Vorliebe in Landschaften, die über¬
reich mit Laubwald bewachsen sind. Der Schnitt der von diesen Künstlern
gelieferten Zeichnungen wurde in den Jahren 1517 und 1513 von der Augs¬
burger Formschneiderschule ausgeführt. Und zwar haben sich daran acht Meister,
Hans Frank, Hans Liefrink, Alexius Linde, Jost de Regler, Wolfgang Resch,
Hans Taberith, Wilhelm Taberith und Nikolaus Seemann beteiligt, deren
Namen neben den Jahrzahlen 1617 und 1518 mit Tinte auf die Rückseite der
Hvlzstöcke geschrieben sind. Schon zu Lebzeiten des Kaisers wurden einige Ab¬
drücke genommen. Ein solches Exemplar, 124 Tafeln enthaltend, besitzt die
Wiener Bibliothek. Auch die Holzstöcke kamen größtenteils nach Wien. Nur
für zwei Blätter, Se. Wandra, Äbtissin von Monz, die in einem Hospital einen
Fallsüchtigen segnet, und Se. Aldedrude, ihre Tochter, die einem jungen Mädchen
den Teufel austreibt, gingen die Stöcke verloren. Eine Ausgabe der "Heiligen"
veranstaltete Bartsch 1799. Er brachte jedoch von den 122 Tafeln der Wiener
Bibliothek nur 119 zum Abdruck, da 3 zu schadhaft geworden waren. Wenn
wir heutzutage die "Heiligen" durchblättern, müssen wir uns namentlich wundern,
mit welcher Meisterschaft die Künstler es verstanden haben, den ewig gleich¬
bleibenden Situationen immer neue Motive abzugewinnen. Die Darstellung,
wie die einzelnen Heiligen ihre Wunderthaten verrichten, Kranke heilen, Geister
austreiben, zum Heiland beten, in ihrer Kapelle knieen, war im Grunde eine
recht einförmige und unerquickliche. Trotzdem hat jede Gestalt ein individuelles
Gepräge, und namentlich das Beiwerk und die Landschaft sind musterhaft be¬
handelt.

Dies sind die hauptsächlichsten Werke, welche die Kunstliebe Kaiser Maxi¬
milians ins Leben rief.

Bei allen diesen Unternehmungen stand nun Maximilian keineswegs als
hoher, unnahbarer Herrscher den Künstlern gegenüber. Er trat vielmehr zu jedem
einzelnen in persönliche Beziehungen.

Am erquickendsten ist sein Verhältnis zu Dürer. Seine Beziehungen zu
diesem beginnen während seines Aufenthaltes in Nürnberg vom 4. bis zuni
15. Februar 1512, zu der Zeit, als er Dürer mit der Aufzeichnung der Ehren-


Kaiser Maximilian I. als Annstfreund.

bewegen, konnten nur von ihm mit solcher Vorzüglichkeit dargestellt werden.
Vortrefflich gelungen sind ihm auch die Wappen, die bei ihm in reinem Renaissance¬
stil gehalten sind und oft von herrlichen Pudel getragen werden, während sie
aus den Blättern der andern Meister gewöhnlich noch gothisirende Umrahmungen
haben. Gestalten wie die dem heiligen Emmerich erscheinende Madonna, die
heilige Ermelinde, die heilige Reinette vor dem Altar gehören zum Keuschesten
und Lieblichsten, was die Kunst des sechzehnten Jahrhunderts geschaffen hat.
Springinklee ist unruhiger als Burgkmair; die Körper seiner Figuren würden
oft nicht ganz in Ordnung sein, wenn man sie der schweren Gewänder entledigen
konnte, die sie wie eine feste Masse umgeben. Schäufeleins Figuren endlich sind
klein und gedrungen und bewegen sich mit Vorliebe in Landschaften, die über¬
reich mit Laubwald bewachsen sind. Der Schnitt der von diesen Künstlern
gelieferten Zeichnungen wurde in den Jahren 1517 und 1513 von der Augs¬
burger Formschneiderschule ausgeführt. Und zwar haben sich daran acht Meister,
Hans Frank, Hans Liefrink, Alexius Linde, Jost de Regler, Wolfgang Resch,
Hans Taberith, Wilhelm Taberith und Nikolaus Seemann beteiligt, deren
Namen neben den Jahrzahlen 1617 und 1518 mit Tinte auf die Rückseite der
Hvlzstöcke geschrieben sind. Schon zu Lebzeiten des Kaisers wurden einige Ab¬
drücke genommen. Ein solches Exemplar, 124 Tafeln enthaltend, besitzt die
Wiener Bibliothek. Auch die Holzstöcke kamen größtenteils nach Wien. Nur
für zwei Blätter, Se. Wandra, Äbtissin von Monz, die in einem Hospital einen
Fallsüchtigen segnet, und Se. Aldedrude, ihre Tochter, die einem jungen Mädchen
den Teufel austreibt, gingen die Stöcke verloren. Eine Ausgabe der „Heiligen"
veranstaltete Bartsch 1799. Er brachte jedoch von den 122 Tafeln der Wiener
Bibliothek nur 119 zum Abdruck, da 3 zu schadhaft geworden waren. Wenn
wir heutzutage die „Heiligen" durchblättern, müssen wir uns namentlich wundern,
mit welcher Meisterschaft die Künstler es verstanden haben, den ewig gleich¬
bleibenden Situationen immer neue Motive abzugewinnen. Die Darstellung,
wie die einzelnen Heiligen ihre Wunderthaten verrichten, Kranke heilen, Geister
austreiben, zum Heiland beten, in ihrer Kapelle knieen, war im Grunde eine
recht einförmige und unerquickliche. Trotzdem hat jede Gestalt ein individuelles
Gepräge, und namentlich das Beiwerk und die Landschaft sind musterhaft be¬
handelt.

Dies sind die hauptsächlichsten Werke, welche die Kunstliebe Kaiser Maxi¬
milians ins Leben rief.

Bei allen diesen Unternehmungen stand nun Maximilian keineswegs als
hoher, unnahbarer Herrscher den Künstlern gegenüber. Er trat vielmehr zu jedem
einzelnen in persönliche Beziehungen.

Am erquickendsten ist sein Verhältnis zu Dürer. Seine Beziehungen zu
diesem beginnen während seines Aufenthaltes in Nürnberg vom 4. bis zuni
15. Februar 1512, zu der Zeit, als er Dürer mit der Aufzeichnung der Ehren-


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[0202] Kaiser Maximilian I. als Annstfreund. bewegen, konnten nur von ihm mit solcher Vorzüglichkeit dargestellt werden. Vortrefflich gelungen sind ihm auch die Wappen, die bei ihm in reinem Renaissance¬ stil gehalten sind und oft von herrlichen Pudel getragen werden, während sie aus den Blättern der andern Meister gewöhnlich noch gothisirende Umrahmungen haben. Gestalten wie die dem heiligen Emmerich erscheinende Madonna, die heilige Ermelinde, die heilige Reinette vor dem Altar gehören zum Keuschesten und Lieblichsten, was die Kunst des sechzehnten Jahrhunderts geschaffen hat. Springinklee ist unruhiger als Burgkmair; die Körper seiner Figuren würden oft nicht ganz in Ordnung sein, wenn man sie der schweren Gewänder entledigen konnte, die sie wie eine feste Masse umgeben. Schäufeleins Figuren endlich sind klein und gedrungen und bewegen sich mit Vorliebe in Landschaften, die über¬ reich mit Laubwald bewachsen sind. Der Schnitt der von diesen Künstlern gelieferten Zeichnungen wurde in den Jahren 1517 und 1513 von der Augs¬ burger Formschneiderschule ausgeführt. Und zwar haben sich daran acht Meister, Hans Frank, Hans Liefrink, Alexius Linde, Jost de Regler, Wolfgang Resch, Hans Taberith, Wilhelm Taberith und Nikolaus Seemann beteiligt, deren Namen neben den Jahrzahlen 1617 und 1518 mit Tinte auf die Rückseite der Hvlzstöcke geschrieben sind. Schon zu Lebzeiten des Kaisers wurden einige Ab¬ drücke genommen. Ein solches Exemplar, 124 Tafeln enthaltend, besitzt die Wiener Bibliothek. Auch die Holzstöcke kamen größtenteils nach Wien. Nur für zwei Blätter, Se. Wandra, Äbtissin von Monz, die in einem Hospital einen Fallsüchtigen segnet, und Se. Aldedrude, ihre Tochter, die einem jungen Mädchen den Teufel austreibt, gingen die Stöcke verloren. Eine Ausgabe der „Heiligen" veranstaltete Bartsch 1799. Er brachte jedoch von den 122 Tafeln der Wiener Bibliothek nur 119 zum Abdruck, da 3 zu schadhaft geworden waren. Wenn wir heutzutage die „Heiligen" durchblättern, müssen wir uns namentlich wundern, mit welcher Meisterschaft die Künstler es verstanden haben, den ewig gleich¬ bleibenden Situationen immer neue Motive abzugewinnen. Die Darstellung, wie die einzelnen Heiligen ihre Wunderthaten verrichten, Kranke heilen, Geister austreiben, zum Heiland beten, in ihrer Kapelle knieen, war im Grunde eine recht einförmige und unerquickliche. Trotzdem hat jede Gestalt ein individuelles Gepräge, und namentlich das Beiwerk und die Landschaft sind musterhaft be¬ handelt. Dies sind die hauptsächlichsten Werke, welche die Kunstliebe Kaiser Maxi¬ milians ins Leben rief. Bei allen diesen Unternehmungen stand nun Maximilian keineswegs als hoher, unnahbarer Herrscher den Künstlern gegenüber. Er trat vielmehr zu jedem einzelnen in persönliche Beziehungen. Am erquickendsten ist sein Verhältnis zu Dürer. Seine Beziehungen zu diesem beginnen während seines Aufenthaltes in Nürnberg vom 4. bis zuni 15. Februar 1512, zu der Zeit, als er Dürer mit der Aufzeichnung der Ehren-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/202>, abgerufen am 22.07.2024.