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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian l, als Kunstfreund.

nur soweit davon, als es die Umkvmponirung für den Holzschnitt und die
künstlerische Schaffenskraft des Meisters verlangten. Dagegen wich Albrecht
Dürer vollständig vom Programm und von der Miniatur ab und ging ganz
frei zu Werke. Äußerlich schon unterscheiden sich seine Zeichnungen im "Triumph¬
zuge" von allen übrigen durch die breite Behandlung des Bodens. Während
sich die übrigen Meister ängstlich an das Programm und die Miniatur hielten,
litt es Dürer nicht in dieser Beschränkung, er komponirte alles neu. Hat er so
auf der einen Seite in seinen Zeichnungen bedeutende Kunstwerke geschaffen, so
läßt sich auf der andern Seite nicht leugnen, daß dadurch der einheitliche Gesamtein¬
druck des "Triumphzugcs" zerstört wurde. Während durch die Miniatur ein streng
epischer Hauch weht und die Einheitlichkeit der Komposition trotz der verschiednen
Hände bis zum Ende anhält, leidet das Holzschnittwerk infolge der Freiheiten,
die sich Dürer gestattete, an innerer Ungleichmäßigkeit. Gleich in seinen ersten
Blättern springt Dürer plötzlich aus dem epischen Ton in den dramatischen
über, baut Wagen, auf denen niemand sitzen kann, führt die Allegorie auf den
Schauplatz und verfährt so frei, daß man bei einigen Blättern erst nach langem
Studium den Inhalt der Darstellung entziffern kann.

Die Vorliebe für die Allegorie griff überhaupt, so lange an dem Werke
gearbeitet wurde, mehr und mehr um sich. Hans von Kulmbach, der unter
Dürers Aufsicht mit am "Triumphzug" zeichnete, entwarf die jetzt im königlichen
Kupferstichkabinet in Berlin bewahrte sogenannte Laurea, ein Musterstück spitz¬
findiger allegorischer Spielerei, das sämtliche Tugenden Maximilians von der
Abstinentia an durch das ganze Alphabet hindurch zu einem Lorberkranz ver¬
flochten zeigt, der von zwei Reitern emporgehalten wird. Dürer selbst mußte
auf Anraten Pirkheimers einen neuen Triumphwagen zeichnen, neben und vor
dem zahlreiche weißgekleidete Frauengestalten, alle möglichen Tugenden vorstellend,
einherschreiten und auf dem als Wagenlenkerin Ratio sitzt.

Ohne die Aufzeichnung des Ganzen abzuwarten, übergab man jede Tafel,
sobald sie gezeichnet war, dem Formschneider zum Schneiden. Burgkmairs
Zeichnungen zu Tafel 1 -- 56 wurden vom 12. November 1516 bis zum
8. Mai 1518 in Augsburg von der dortigen Fvrmschneiderschule unter Leitung
Dieneckers geschnitten, gleichzeitig (August 1517 bis Juli 1518) war mau dort
am Schnitt der dem unbekannten Künstler angehörigen Tafeln 57 -- 88 thätig.
Nur die in Nürnberg gezeichneten Holzstöcke Dürers wurden fast sämtlich in
der Nürnberger Formschneiderwerkstatt geschnitten. Auf diese Weise hatte man
bei Maximilians Tode wenigstens den Schnitt des "Triumphzuges" ziemlich
beendet. Nur sechs in der Albertina bewahrte Reiterskizzen Dürers aus dem
Jahre 1518, die Laurea Hansens von Kulmbach und Dürers 1518 entworfene
Federzeichnung des "Triumphwagens" waren nicht geschnitten und blieben unbe¬
nutzt. Freilich der Druck der Hvlzstöckc war noch rückständig, und dieser geriet
durch den Tod des Kaisers ins Stocken. Erst nach sieben Jahren dachte König


Kaiser Maximilian l, als Kunstfreund.

nur soweit davon, als es die Umkvmponirung für den Holzschnitt und die
künstlerische Schaffenskraft des Meisters verlangten. Dagegen wich Albrecht
Dürer vollständig vom Programm und von der Miniatur ab und ging ganz
frei zu Werke. Äußerlich schon unterscheiden sich seine Zeichnungen im „Triumph¬
zuge" von allen übrigen durch die breite Behandlung des Bodens. Während
sich die übrigen Meister ängstlich an das Programm und die Miniatur hielten,
litt es Dürer nicht in dieser Beschränkung, er komponirte alles neu. Hat er so
auf der einen Seite in seinen Zeichnungen bedeutende Kunstwerke geschaffen, so
läßt sich auf der andern Seite nicht leugnen, daß dadurch der einheitliche Gesamtein¬
druck des „Triumphzugcs" zerstört wurde. Während durch die Miniatur ein streng
epischer Hauch weht und die Einheitlichkeit der Komposition trotz der verschiednen
Hände bis zum Ende anhält, leidet das Holzschnittwerk infolge der Freiheiten,
die sich Dürer gestattete, an innerer Ungleichmäßigkeit. Gleich in seinen ersten
Blättern springt Dürer plötzlich aus dem epischen Ton in den dramatischen
über, baut Wagen, auf denen niemand sitzen kann, führt die Allegorie auf den
Schauplatz und verfährt so frei, daß man bei einigen Blättern erst nach langem
Studium den Inhalt der Darstellung entziffern kann.

Die Vorliebe für die Allegorie griff überhaupt, so lange an dem Werke
gearbeitet wurde, mehr und mehr um sich. Hans von Kulmbach, der unter
Dürers Aufsicht mit am „Triumphzug" zeichnete, entwarf die jetzt im königlichen
Kupferstichkabinet in Berlin bewahrte sogenannte Laurea, ein Musterstück spitz¬
findiger allegorischer Spielerei, das sämtliche Tugenden Maximilians von der
Abstinentia an durch das ganze Alphabet hindurch zu einem Lorberkranz ver¬
flochten zeigt, der von zwei Reitern emporgehalten wird. Dürer selbst mußte
auf Anraten Pirkheimers einen neuen Triumphwagen zeichnen, neben und vor
dem zahlreiche weißgekleidete Frauengestalten, alle möglichen Tugenden vorstellend,
einherschreiten und auf dem als Wagenlenkerin Ratio sitzt.

Ohne die Aufzeichnung des Ganzen abzuwarten, übergab man jede Tafel,
sobald sie gezeichnet war, dem Formschneider zum Schneiden. Burgkmairs
Zeichnungen zu Tafel 1 — 56 wurden vom 12. November 1516 bis zum
8. Mai 1518 in Augsburg von der dortigen Fvrmschneiderschule unter Leitung
Dieneckers geschnitten, gleichzeitig (August 1517 bis Juli 1518) war mau dort
am Schnitt der dem unbekannten Künstler angehörigen Tafeln 57 — 88 thätig.
Nur die in Nürnberg gezeichneten Holzstöcke Dürers wurden fast sämtlich in
der Nürnberger Formschneiderwerkstatt geschnitten. Auf diese Weise hatte man
bei Maximilians Tode wenigstens den Schnitt des „Triumphzuges" ziemlich
beendet. Nur sechs in der Albertina bewahrte Reiterskizzen Dürers aus dem
Jahre 1518, die Laurea Hansens von Kulmbach und Dürers 1518 entworfene
Federzeichnung des „Triumphwagens" waren nicht geschnitten und blieben unbe¬
nutzt. Freilich der Druck der Hvlzstöckc war noch rückständig, und dieser geriet
durch den Tod des Kaisers ins Stocken. Erst nach sieben Jahren dachte König


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/199>, abgerufen am 22.07.2024.