Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem neuen Griechenland.

Wenn jemand falsches Gewicht anwendet, so thut er es, um ein größeres Äqui¬
valent zu bekommen, während es für seine Entschließungen ganz gleichgiltig ist,
ob das Äquivalent in Produkten oder in Geld, d. h. in der Anweisung auf
Produkte besteht. Daß die bedeutenden Vorteile, die das Geld mit sich bringt, von
Weitling gänzlich unberücksichtigt gelassen werden, ist nach dem Gesagten ziemlich
selbstverständlich.

Es ist einleuchtend, daß unsre Kritik den Weitlingschen Satz, daß allmählich
aus dem Paradiese der Erde ein Jammerthal geschaffen worden sei, vollständig
verwirft. Im Gegenteil, sie erkennt an, daß die Menschheit auf dem besten
Wege ist, aus dem irdischen Jammerthale zum Paradiese zu gelangen, wenn sie
auch auf ihrem Marsche sehr oft stehen bleibt und sich wehmütig nach der
zurückgelegten Strecke umsieht.

(Schluß folgt.)




Aus dem neuen Griechenland.
von Lonstantin Koliatsos.")

VN Alters her haben die Erlebnisse kaum irgend einer andern
Nation einen so großen Einfluß auf die Schicksale der ganzen
Menschheit ausgeübt wie die der griechischen, ist die Geschichte
keines Volkes so mannichfachen und gründlichen Studien unter¬
worfen worden wie die Geschichte des griechischen Volkes. Eine
"ur natürliche Folge davon war, daß, als in neuerer Zeit das übrige zivilisirte
Europa dem furchtbaren Schauspiele des fast übermenschlichen Kampfes bei¬
wohnte, den die Griechen für die Erlangung ihrer Freiheit ins Werk gesetzt,
viele seiner Söhne voll Begeisterung jenem erwachten und aufgestandenen kleinen
Volke zu Hilfe eilten, zum Kampfe für die Zivilisation gegen die Barbarei, für
die geistige Erhebung gegen die finstere Macht der Sklaverei, zum Kampfe endlich
für das Kreuz gegen den Halbmond. Ganz Europa hat mit Staunen und
immer wachsendem Interesse dem Werke jener Helden zugeschaut, die Muse seiner
Dichter hat ihre Thaten besungen, durch ihr begeisterungsvolles Lied die Herzen
anfeuernd, den Kämpfenden Mut einflößend und ihnen eine spätere Belohnung
für ihre Aufopferung und Vaterlandsliebe zusichernd. Niemals vielleicht ist der



Der Verfasser dieses Aufsatzes ist ein in Leipzig lebender, deutsch schreibender
Grieche.
Grenzboten I, 1384. 23
Aus dem neuen Griechenland.

Wenn jemand falsches Gewicht anwendet, so thut er es, um ein größeres Äqui¬
valent zu bekommen, während es für seine Entschließungen ganz gleichgiltig ist,
ob das Äquivalent in Produkten oder in Geld, d. h. in der Anweisung auf
Produkte besteht. Daß die bedeutenden Vorteile, die das Geld mit sich bringt, von
Weitling gänzlich unberücksichtigt gelassen werden, ist nach dem Gesagten ziemlich
selbstverständlich.

Es ist einleuchtend, daß unsre Kritik den Weitlingschen Satz, daß allmählich
aus dem Paradiese der Erde ein Jammerthal geschaffen worden sei, vollständig
verwirft. Im Gegenteil, sie erkennt an, daß die Menschheit auf dem besten
Wege ist, aus dem irdischen Jammerthale zum Paradiese zu gelangen, wenn sie
auch auf ihrem Marsche sehr oft stehen bleibt und sich wehmütig nach der
zurückgelegten Strecke umsieht.

(Schluß folgt.)




Aus dem neuen Griechenland.
von Lonstantin Koliatsos.»)

VN Alters her haben die Erlebnisse kaum irgend einer andern
Nation einen so großen Einfluß auf die Schicksale der ganzen
Menschheit ausgeübt wie die der griechischen, ist die Geschichte
keines Volkes so mannichfachen und gründlichen Studien unter¬
worfen worden wie die Geschichte des griechischen Volkes. Eine
»ur natürliche Folge davon war, daß, als in neuerer Zeit das übrige zivilisirte
Europa dem furchtbaren Schauspiele des fast übermenschlichen Kampfes bei¬
wohnte, den die Griechen für die Erlangung ihrer Freiheit ins Werk gesetzt,
viele seiner Söhne voll Begeisterung jenem erwachten und aufgestandenen kleinen
Volke zu Hilfe eilten, zum Kampfe für die Zivilisation gegen die Barbarei, für
die geistige Erhebung gegen die finstere Macht der Sklaverei, zum Kampfe endlich
für das Kreuz gegen den Halbmond. Ganz Europa hat mit Staunen und
immer wachsendem Interesse dem Werke jener Helden zugeschaut, die Muse seiner
Dichter hat ihre Thaten besungen, durch ihr begeisterungsvolles Lied die Herzen
anfeuernd, den Kämpfenden Mut einflößend und ihnen eine spätere Belohnung
für ihre Aufopferung und Vaterlandsliebe zusichernd. Niemals vielleicht ist der



Der Verfasser dieses Aufsatzes ist ein in Leipzig lebender, deutsch schreibender
Grieche.
Grenzboten I, 1384. 23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155070"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dem neuen Griechenland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_764" prev="#ID_763"> Wenn jemand falsches Gewicht anwendet, so thut er es, um ein größeres Äqui¬<lb/>
valent zu bekommen, während es für seine Entschließungen ganz gleichgiltig ist,<lb/>
ob das Äquivalent in Produkten oder in Geld, d. h. in der Anweisung auf<lb/>
Produkte besteht. Daß die bedeutenden Vorteile, die das Geld mit sich bringt, von<lb/>
Weitling gänzlich unberücksichtigt gelassen werden, ist nach dem Gesagten ziemlich<lb/>
selbstverständlich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_765"> Es ist einleuchtend, daß unsre Kritik den Weitlingschen Satz, daß allmählich<lb/>
aus dem Paradiese der Erde ein Jammerthal geschaffen worden sei, vollständig<lb/>
verwirft. Im Gegenteil, sie erkennt an, daß die Menschheit auf dem besten<lb/>
Wege ist, aus dem irdischen Jammerthale zum Paradiese zu gelangen, wenn sie<lb/>
auch auf ihrem Marsche sehr oft stehen bleibt und sich wehmütig nach der<lb/>
zurückgelegten Strecke umsieht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_766"> (Schluß folgt.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus dem neuen Griechenland.<lb/><note type="byline"> von Lonstantin Koliatsos.»)</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_767" next="#ID_768"> VN Alters her haben die Erlebnisse kaum irgend einer andern<lb/>
Nation einen so großen Einfluß auf die Schicksale der ganzen<lb/>
Menschheit ausgeübt wie die der griechischen, ist die Geschichte<lb/>
keines Volkes so mannichfachen und gründlichen Studien unter¬<lb/>
worfen worden wie die Geschichte des griechischen Volkes. Eine<lb/>
»ur natürliche Folge davon war, daß, als in neuerer Zeit das übrige zivilisirte<lb/>
Europa dem furchtbaren Schauspiele des fast übermenschlichen Kampfes bei¬<lb/>
wohnte, den die Griechen für die Erlangung ihrer Freiheit ins Werk gesetzt,<lb/>
viele seiner Söhne voll Begeisterung jenem erwachten und aufgestandenen kleinen<lb/>
Volke zu Hilfe eilten, zum Kampfe für die Zivilisation gegen die Barbarei, für<lb/>
die geistige Erhebung gegen die finstere Macht der Sklaverei, zum Kampfe endlich<lb/>
für das Kreuz gegen den Halbmond. Ganz Europa hat mit Staunen und<lb/>
immer wachsendem Interesse dem Werke jener Helden zugeschaut, die Muse seiner<lb/>
Dichter hat ihre Thaten besungen, durch ihr begeisterungsvolles Lied die Herzen<lb/>
anfeuernd, den Kämpfenden Mut einflößend und ihnen eine spätere Belohnung<lb/>
für ihre Aufopferung und Vaterlandsliebe zusichernd. Niemals vielleicht ist der</p><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"> Der Verfasser dieses Aufsatzes ist ein in Leipzig lebender, deutsch schreibender<lb/>
Grieche.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I, 1384. 23</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] Aus dem neuen Griechenland. Wenn jemand falsches Gewicht anwendet, so thut er es, um ein größeres Äqui¬ valent zu bekommen, während es für seine Entschließungen ganz gleichgiltig ist, ob das Äquivalent in Produkten oder in Geld, d. h. in der Anweisung auf Produkte besteht. Daß die bedeutenden Vorteile, die das Geld mit sich bringt, von Weitling gänzlich unberücksichtigt gelassen werden, ist nach dem Gesagten ziemlich selbstverständlich. Es ist einleuchtend, daß unsre Kritik den Weitlingschen Satz, daß allmählich aus dem Paradiese der Erde ein Jammerthal geschaffen worden sei, vollständig verwirft. Im Gegenteil, sie erkennt an, daß die Menschheit auf dem besten Wege ist, aus dem irdischen Jammerthale zum Paradiese zu gelangen, wenn sie auch auf ihrem Marsche sehr oft stehen bleibt und sich wehmütig nach der zurückgelegten Strecke umsieht. (Schluß folgt.) Aus dem neuen Griechenland. von Lonstantin Koliatsos.») VN Alters her haben die Erlebnisse kaum irgend einer andern Nation einen so großen Einfluß auf die Schicksale der ganzen Menschheit ausgeübt wie die der griechischen, ist die Geschichte keines Volkes so mannichfachen und gründlichen Studien unter¬ worfen worden wie die Geschichte des griechischen Volkes. Eine »ur natürliche Folge davon war, daß, als in neuerer Zeit das übrige zivilisirte Europa dem furchtbaren Schauspiele des fast übermenschlichen Kampfes bei¬ wohnte, den die Griechen für die Erlangung ihrer Freiheit ins Werk gesetzt, viele seiner Söhne voll Begeisterung jenem erwachten und aufgestandenen kleinen Volke zu Hilfe eilten, zum Kampfe für die Zivilisation gegen die Barbarei, für die geistige Erhebung gegen die finstere Macht der Sklaverei, zum Kampfe endlich für das Kreuz gegen den Halbmond. Ganz Europa hat mit Staunen und immer wachsendem Interesse dem Werke jener Helden zugeschaut, die Muse seiner Dichter hat ihre Thaten besungen, durch ihr begeisterungsvolles Lied die Herzen anfeuernd, den Kämpfenden Mut einflößend und ihnen eine spätere Belohnung für ihre Aufopferung und Vaterlandsliebe zusichernd. Niemals vielleicht ist der Der Verfasser dieses Aufsatzes ist ein in Leipzig lebender, deutsch schreibender Grieche. Grenzboten I, 1384. 23

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/187
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/187>, abgerufen am 23.07.2024.