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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Runstfreund.

gewesen, so wollte er im "Wcißkunig" in mehr historischer Weise seine ganze
Lebens- und Regiernngsgeschichte erzählen. Im Jahre 1512 hatte der Kaiser
bereits die Hälfte des Werkes seinem Geheimschreiber Trcizsanerwein diktirt; in
der Zeit von Johanni bis Weihnachten 1514 stellte dieser das bis dahin an¬
gesammelte Material vorläufig zusammen. Gleichzeitig schritt man an die Holz-
schnittausstattuug des Werkes, die in noch umfassenderer und prächtigerer Weise
vorbereitet wurde als die des "Theuerdank". Da, mit dem Jahre 1514 blieb
die Arbeit für den Text des "Weißkunig" liegen. Über mancherlei Einzelheiten
waren dem Kaiser Fragen vorgelegt worden, und die von ihm erteilte Auskunft
ward neben sonstigen Erläuterungen den Manuskripten beigeschrieben. Vieles
aber blieb unerledigt, und in Betreff einzelner Punkte erklärte sich der Kaiser
sogar selbst von seiner Erinnerung im Stich gelassen. So war, als Maxi¬
milian im Jahre 1519 starb, der "Weißkunig" ein Torso. Im Jahre 1526 dachte
König Ferdinand an die Herausgabe des Buches. Aber auch sein Unternehmen
geriet ins Stocken. Die Handschriften kamen nach Ambras, die Holzplatten
verschwanden lange Zeit gänzlich. Es hat dann in der folgenden Zeit zwar
nicht an einzelnen Bemühungen um die Arbeit des Kaisers gefehlt, aber mehr
als zwei Jahrhunderte gingen darüber hin, ehe sie endlich aus ihrer Verborgen¬
heit ans Licht gebracht ward. Die Handschriften waren mittlerweile nach Wien
gekommen. Die Holzstöcke hatten sich zu Graz im Herzogtum Steyr wieder
gefunden und waren durch den glücklichen Umstand, daß ein verständiges Auge
sie entdeckte, vor dem Untergänge gerettet worden. So konnte der unverdiente
Bann, der solange ans dem Werke gelastet hatte, endlich noch gelöst werden,
und es erschien in einer sorgfältigen und würdigen Folioausgabe in Wien auf
Kosten Joseph Kurzboeckcns 1775. Durch die Bemühungen des fleißigen Heraus¬
gebers sind dem Texte die Bilder eingeordnet, soweit er ihren Platz aus dem
Inhalt oder aus den darüber vorhandenen, von des Kaisers eigner Hand her-
stammenden Notizen erkennen konnte; nur wenige, die er nicht zu bestimmen
wußte, folgen am Schlüsse des Werkes. Für das Jahr 1884 bereitet mau
in Wien eine zweite Ausgabe vor, und die seitherigen, im Holzhansenschen
Verlage erschienenen Bücher geben uns schon heute die Gewißheit, daß wir auch
im "Weißkuuig" eine Musterpublikation erhalten werden.

Der "Weißkuuig" zerfällt in drei Teile. Der erste Teil ist nur ein vor¬
bereitender. Es wird uns gewissermaßen als Vorgeschichte Maximilians I. erzählt,
wie sein Vater, Kaiser Friedrich III., sich verheiratete und mit seiner jungen
Gemahlin nach Rom zog, um vom Papste die Kaiserkrone zu empfangen. Wir
sehen, wie König Friedrich eine glänzende Gesandtschaft abschickt, damit sie in
seinem Auftrage um die Hand der jugendlichen Prinzessin Eleonora von Portugal
werbe, wie Eleonora ihr Jawort giebt und die Reise nach Italien antritt, um
dort mit Friedrich zusammen zu treffen. Wir beobachten die Zusammenkunft
des Brautpaares in Siena und begleiten beide nach Rom, wo sie an den Stufen


Kaiser Maximilian I. als Runstfreund.

gewesen, so wollte er im „Wcißkunig" in mehr historischer Weise seine ganze
Lebens- und Regiernngsgeschichte erzählen. Im Jahre 1512 hatte der Kaiser
bereits die Hälfte des Werkes seinem Geheimschreiber Trcizsanerwein diktirt; in
der Zeit von Johanni bis Weihnachten 1514 stellte dieser das bis dahin an¬
gesammelte Material vorläufig zusammen. Gleichzeitig schritt man an die Holz-
schnittausstattuug des Werkes, die in noch umfassenderer und prächtigerer Weise
vorbereitet wurde als die des „Theuerdank". Da, mit dem Jahre 1514 blieb
die Arbeit für den Text des „Weißkunig" liegen. Über mancherlei Einzelheiten
waren dem Kaiser Fragen vorgelegt worden, und die von ihm erteilte Auskunft
ward neben sonstigen Erläuterungen den Manuskripten beigeschrieben. Vieles
aber blieb unerledigt, und in Betreff einzelner Punkte erklärte sich der Kaiser
sogar selbst von seiner Erinnerung im Stich gelassen. So war, als Maxi¬
milian im Jahre 1519 starb, der „Weißkunig" ein Torso. Im Jahre 1526 dachte
König Ferdinand an die Herausgabe des Buches. Aber auch sein Unternehmen
geriet ins Stocken. Die Handschriften kamen nach Ambras, die Holzplatten
verschwanden lange Zeit gänzlich. Es hat dann in der folgenden Zeit zwar
nicht an einzelnen Bemühungen um die Arbeit des Kaisers gefehlt, aber mehr
als zwei Jahrhunderte gingen darüber hin, ehe sie endlich aus ihrer Verborgen¬
heit ans Licht gebracht ward. Die Handschriften waren mittlerweile nach Wien
gekommen. Die Holzstöcke hatten sich zu Graz im Herzogtum Steyr wieder
gefunden und waren durch den glücklichen Umstand, daß ein verständiges Auge
sie entdeckte, vor dem Untergänge gerettet worden. So konnte der unverdiente
Bann, der solange ans dem Werke gelastet hatte, endlich noch gelöst werden,
und es erschien in einer sorgfältigen und würdigen Folioausgabe in Wien auf
Kosten Joseph Kurzboeckcns 1775. Durch die Bemühungen des fleißigen Heraus¬
gebers sind dem Texte die Bilder eingeordnet, soweit er ihren Platz aus dem
Inhalt oder aus den darüber vorhandenen, von des Kaisers eigner Hand her-
stammenden Notizen erkennen konnte; nur wenige, die er nicht zu bestimmen
wußte, folgen am Schlüsse des Werkes. Für das Jahr 1884 bereitet mau
in Wien eine zweite Ausgabe vor, und die seitherigen, im Holzhansenschen
Verlage erschienenen Bücher geben uns schon heute die Gewißheit, daß wir auch
im „Weißkuuig" eine Musterpublikation erhalten werden.

Der „Weißkuuig" zerfällt in drei Teile. Der erste Teil ist nur ein vor¬
bereitender. Es wird uns gewissermaßen als Vorgeschichte Maximilians I. erzählt,
wie sein Vater, Kaiser Friedrich III., sich verheiratete und mit seiner jungen
Gemahlin nach Rom zog, um vom Papste die Kaiserkrone zu empfangen. Wir
sehen, wie König Friedrich eine glänzende Gesandtschaft abschickt, damit sie in
seinem Auftrage um die Hand der jugendlichen Prinzessin Eleonora von Portugal
werbe, wie Eleonora ihr Jawort giebt und die Reise nach Italien antritt, um
dort mit Friedrich zusammen zu treffen. Wir beobachten die Zusammenkunft
des Brautpaares in Siena und begleiten beide nach Rom, wo sie an den Stufen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/149>, abgerufen am 28.09.2024.