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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

das Geheimnis bis zu seinem Tode zu bewahren. Hierfür versprach ihm der
Kaiser einen Jahresgehalt von 100 Gulden, und für den Fall, daß er an
den Hof berufen würde, für ihn und seine Genossen Unterhalt und eine be¬
sondre Vergütung für seine Arbeiten.

Über die Wahl der Illustratoren konnte man ebenfalls nicht zweifelhaft
sein. Hans Burglinair, der schon 1510 die "Genealogie" zur größten Zufrieden¬
heit des Kaisers gefertigt hatte, kam natürlich auch für die neuen Unterneh¬
mungen in erster Linie in Betracht. Ein andres aufkeimendes, dem schwabischen
Kunstkreise angehöriges Talent war der junge Hans Schäufelein, der in Nörd-
lingen bei Augsburg seinen Stammsitz, in Augsburg Verwandte hatte und auf
den Ruf des Kaisers in die Stadt übersiedelte. Neben diesen beiden Meistern
wurde noch ein Augsburger Künstler L. B., dessen Name uns unbekannt ist,
herangezogen. Außer Augsburg kam aber auch Nürnberg in Betracht. Es
war selbstverständlich, daß auch der große Albrecht Dürer zu den Unterneh¬
mungen des Kaisers seine Kräfte leihen mußte. Neben dein Altmeister wurde
in Nürnberg besonders Hans Springinklee, der bei Dürer im Hause lebte, be¬
schäftigt.

Um die Zeichnungen dieser Künstler in Holz zu übertragen, war die Grün¬
dung eigner Formschneiderschulen nötig, da man mit den zwei Formschneidern,
die man im Jahre 1510 an der "Genealogie" beschäftigt hatte, nicht weit kommen
konnte. In Augsburg wie in Nürnberg wurden daher Formschneiderschulcn
gegründet.

Bei der Wahl des Mannes, welcher die Augsburger Formschneiderschule
leiten sollte, war Peutinger besonders glücklich. Er berief den vortrefflichen
Jost Dienecker aus Antwerpen. Derselbe kam im Jahre 1510 in Augsburg
an und wurde als "Jost, kaiserlicher Majestät Formschneider" in die Steuer¬
bücher eingetragen. Im Laufe der nächsten Jahre wurden nicht weniger als
zehn Formschneider berufen, die unter Dienecker zu arbeiten hatten: Jan de
Bonn, Cornelius und Wilhelm Liefrink, Alexius Linde, Jakob Rupp, Klaus
Seemann, Hans und Wilhelm Taberith -- also, wie Dienecker selbst, größten¬
teils Niederländer. Dienecker hatte die Oberleitung des Ganzen und die Auf¬
gabe, jede von den einzelnen Holzschneidern gelieferte Arbeit eigenhändig zu
übergehen, damit alle Holzstöcke im Schnitte gleich wurden.

Unabhängig von dieser Augsburger Formschneiderschule war die Rum-.
berger. Die hier beschäftigten Künstler waren Hans Frank, Wolfgang Resch
und Hieronhmus Andree. Wie die Augsburger Formschneider die Arbeiten
Burgkmairs und Schäufeleins zu schneiden hatten, so fiel diesen Nürnbergern
der Schnitt der Dürerschcn und Springinkleeschen Kunstwerke zu. Naturgemäß
war gegenseitige Unterstützung nicht ausgeschlossen. So hat man im Jahre 1516,
als in Nürnberg viel gefertigt worden war, fünf Augsburger Formschneider mit
dem Schnitte Nürnbergischer Zeichnungen beschäftigt.


Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

das Geheimnis bis zu seinem Tode zu bewahren. Hierfür versprach ihm der
Kaiser einen Jahresgehalt von 100 Gulden, und für den Fall, daß er an
den Hof berufen würde, für ihn und seine Genossen Unterhalt und eine be¬
sondre Vergütung für seine Arbeiten.

Über die Wahl der Illustratoren konnte man ebenfalls nicht zweifelhaft
sein. Hans Burglinair, der schon 1510 die „Genealogie" zur größten Zufrieden¬
heit des Kaisers gefertigt hatte, kam natürlich auch für die neuen Unterneh¬
mungen in erster Linie in Betracht. Ein andres aufkeimendes, dem schwabischen
Kunstkreise angehöriges Talent war der junge Hans Schäufelein, der in Nörd-
lingen bei Augsburg seinen Stammsitz, in Augsburg Verwandte hatte und auf
den Ruf des Kaisers in die Stadt übersiedelte. Neben diesen beiden Meistern
wurde noch ein Augsburger Künstler L. B., dessen Name uns unbekannt ist,
herangezogen. Außer Augsburg kam aber auch Nürnberg in Betracht. Es
war selbstverständlich, daß auch der große Albrecht Dürer zu den Unterneh¬
mungen des Kaisers seine Kräfte leihen mußte. Neben dein Altmeister wurde
in Nürnberg besonders Hans Springinklee, der bei Dürer im Hause lebte, be¬
schäftigt.

Um die Zeichnungen dieser Künstler in Holz zu übertragen, war die Grün¬
dung eigner Formschneiderschulen nötig, da man mit den zwei Formschneidern,
die man im Jahre 1510 an der „Genealogie" beschäftigt hatte, nicht weit kommen
konnte. In Augsburg wie in Nürnberg wurden daher Formschneiderschulcn
gegründet.

Bei der Wahl des Mannes, welcher die Augsburger Formschneiderschule
leiten sollte, war Peutinger besonders glücklich. Er berief den vortrefflichen
Jost Dienecker aus Antwerpen. Derselbe kam im Jahre 1510 in Augsburg
an und wurde als „Jost, kaiserlicher Majestät Formschneider" in die Steuer¬
bücher eingetragen. Im Laufe der nächsten Jahre wurden nicht weniger als
zehn Formschneider berufen, die unter Dienecker zu arbeiten hatten: Jan de
Bonn, Cornelius und Wilhelm Liefrink, Alexius Linde, Jakob Rupp, Klaus
Seemann, Hans und Wilhelm Taberith — also, wie Dienecker selbst, größten¬
teils Niederländer. Dienecker hatte die Oberleitung des Ganzen und die Auf¬
gabe, jede von den einzelnen Holzschneidern gelieferte Arbeit eigenhändig zu
übergehen, damit alle Holzstöcke im Schnitte gleich wurden.

Unabhängig von dieser Augsburger Formschneiderschule war die Rum-.
berger. Die hier beschäftigten Künstler waren Hans Frank, Wolfgang Resch
und Hieronhmus Andree. Wie die Augsburger Formschneider die Arbeiten
Burgkmairs und Schäufeleins zu schneiden hatten, so fiel diesen Nürnbergern
der Schnitt der Dürerschcn und Springinkleeschen Kunstwerke zu. Naturgemäß
war gegenseitige Unterstützung nicht ausgeschlossen. So hat man im Jahre 1516,
als in Nürnberg viel gefertigt worden war, fünf Augsburger Formschneider mit
dem Schnitte Nürnbergischer Zeichnungen beschäftigt.


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[0146] Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund. das Geheimnis bis zu seinem Tode zu bewahren. Hierfür versprach ihm der Kaiser einen Jahresgehalt von 100 Gulden, und für den Fall, daß er an den Hof berufen würde, für ihn und seine Genossen Unterhalt und eine be¬ sondre Vergütung für seine Arbeiten. Über die Wahl der Illustratoren konnte man ebenfalls nicht zweifelhaft sein. Hans Burglinair, der schon 1510 die „Genealogie" zur größten Zufrieden¬ heit des Kaisers gefertigt hatte, kam natürlich auch für die neuen Unterneh¬ mungen in erster Linie in Betracht. Ein andres aufkeimendes, dem schwabischen Kunstkreise angehöriges Talent war der junge Hans Schäufelein, der in Nörd- lingen bei Augsburg seinen Stammsitz, in Augsburg Verwandte hatte und auf den Ruf des Kaisers in die Stadt übersiedelte. Neben diesen beiden Meistern wurde noch ein Augsburger Künstler L. B., dessen Name uns unbekannt ist, herangezogen. Außer Augsburg kam aber auch Nürnberg in Betracht. Es war selbstverständlich, daß auch der große Albrecht Dürer zu den Unterneh¬ mungen des Kaisers seine Kräfte leihen mußte. Neben dein Altmeister wurde in Nürnberg besonders Hans Springinklee, der bei Dürer im Hause lebte, be¬ schäftigt. Um die Zeichnungen dieser Künstler in Holz zu übertragen, war die Grün¬ dung eigner Formschneiderschulen nötig, da man mit den zwei Formschneidern, die man im Jahre 1510 an der „Genealogie" beschäftigt hatte, nicht weit kommen konnte. In Augsburg wie in Nürnberg wurden daher Formschneiderschulcn gegründet. Bei der Wahl des Mannes, welcher die Augsburger Formschneiderschule leiten sollte, war Peutinger besonders glücklich. Er berief den vortrefflichen Jost Dienecker aus Antwerpen. Derselbe kam im Jahre 1510 in Augsburg an und wurde als „Jost, kaiserlicher Majestät Formschneider" in die Steuer¬ bücher eingetragen. Im Laufe der nächsten Jahre wurden nicht weniger als zehn Formschneider berufen, die unter Dienecker zu arbeiten hatten: Jan de Bonn, Cornelius und Wilhelm Liefrink, Alexius Linde, Jakob Rupp, Klaus Seemann, Hans und Wilhelm Taberith — also, wie Dienecker selbst, größten¬ teils Niederländer. Dienecker hatte die Oberleitung des Ganzen und die Auf¬ gabe, jede von den einzelnen Holzschneidern gelieferte Arbeit eigenhändig zu übergehen, damit alle Holzstöcke im Schnitte gleich wurden. Unabhängig von dieser Augsburger Formschneiderschule war die Rum-. berger. Die hier beschäftigten Künstler waren Hans Frank, Wolfgang Resch und Hieronhmus Andree. Wie die Augsburger Formschneider die Arbeiten Burgkmairs und Schäufeleins zu schneiden hatten, so fiel diesen Nürnbergern der Schnitt der Dürerschcn und Springinkleeschen Kunstwerke zu. Naturgemäß war gegenseitige Unterstützung nicht ausgeschlossen. So hat man im Jahre 1516, als in Nürnberg viel gefertigt worden war, fünf Augsburger Formschneider mit dem Schnitte Nürnbergischer Zeichnungen beschäftigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/146>, abgerufen am 28.09.2024.