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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Fieber. Er stirbt in Wels am 12. Januar 1619, im 26. Jahre seiner Regierung,
im 59. seines Lebens.

Maximilians Leben ist eins der thätigsten, die man sich denken kann, und
es wäre nicht zu verwundern, wenn es ganz in diesen politischen Arbeiten auf¬
gegangen wäre. Das ist jedoch durchaus nicht der Fall. Nicht nur den po¬
litischen Tageswirren widmete er sich. Sein Leben gehörte auch der Dichtung,
der Wissenschaft und der Kunst. Nicht nur der Geschichtschreiber, auch der
Literarhistoriker, Kulturhistvriker und Kunsthistoriker hat auf Kaiser Maximilian
Anspruch. "Gleich wie unter dem günstigsten Gestirne, wanderten unter Max
alle schonen Künste, alle edeln Wissenschaften, alle Studien nach Deutschland,
welches ihrer in Roheit und Dürftigkeit lange entbehrte." In diesen Worten
hat Cuspinian den Kaiser gefeiert. Und noch bestimmter führt Zasius in einer
ähnlichen Stelle die Vertreibung der Barbarei aus Deutschland und die Blüte
der Wissenschaft und Kunst auf Maximilians Einfluß zurück. Alles, was mit
der Wissenschaft zu thun hatte, war Max gleich lieb. Alles, was Deutschland
an geistigen Großen besaß, in seinen Dienst zu ziehen oder in Beziehung zu sich
zu setzen, galt ihm als eine der wichtigsten Aufgaben. Er berief den Konrad
Celtes, Cuspinian wurde sein Sekretär, Hütten sein gekrönter Poet, Erasmus
sein Rat, Trithemius sein theologischer Beistand, Gener von Kaisersperg sein
Beichtvater. Auch jeder Kunstzweig war dem Schutze und der Förderung des
Kaisers sicher. Er trat in regen Verkehr mit allen kunstsinnigen Männern
Deutschlands, fragte sie um ihren Rat und benutzte sie bei seinen künstlerischen
Unternehmungen. Er hatte zum ersten künstlerischen Beirat den gelehrten
Dr. Konrad Peutinger in Augsburg, der, patrizischen Geschlecht entsprossen und
in Italien zu einer Zeit gebildet, wo gerade Wissenschaft und Kunst sich zu
prachtvoller Blüte entfaltet hatten, seit 1493 als Stadtschreiber in Augsburgischen
Diensten stand und der Stolz seiner Vaterstadt als Gelehrter wie als Staats¬
mann war. Er benutzte als Vertrauensmann bei seinen künstlerischen Unter¬
nehmungen den lustigen Weltweisen Willibald Pirkhehmer in Nürnberg sowie
den vielseitig gebildeten Probst Melchior Pfinzing. Er umgab sich mit den
nicht mir gelehrten, sondern auch künstlerisch angelegten Männern Marx Treiz-
sauerwein und Johannes Stadius. Und er war den Künstlern seiner Zeit
August und Mäcen in einer Person.

Diese Kunstliebe des Kaisers ist für die deutsche Kunst nicht hoch genug
anzuschlagen.

Das fürstliche Mäzenatentum hat in frühern Jahrhunderten eine viel größere
Rolle gespielt als heutzutage, wo die Kunst eine mehr private geworden ist
oder, wenn sie öffentlich ist, mehr von den Städten gepflegt wird. Die griechische
Kunst würde sich trotz Phidias und den Seinen nie zu ihrer erhabenen Höhe
emporgeschwungen haben, wenn nicht Perikles die Künstler in die richtigen Bahnen
gewiesen hätte, ihnen durch die Aufgaben, die er ihnen stellte, Gelegenheit ge-


Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Fieber. Er stirbt in Wels am 12. Januar 1619, im 26. Jahre seiner Regierung,
im 59. seines Lebens.

Maximilians Leben ist eins der thätigsten, die man sich denken kann, und
es wäre nicht zu verwundern, wenn es ganz in diesen politischen Arbeiten auf¬
gegangen wäre. Das ist jedoch durchaus nicht der Fall. Nicht nur den po¬
litischen Tageswirren widmete er sich. Sein Leben gehörte auch der Dichtung,
der Wissenschaft und der Kunst. Nicht nur der Geschichtschreiber, auch der
Literarhistoriker, Kulturhistvriker und Kunsthistoriker hat auf Kaiser Maximilian
Anspruch. „Gleich wie unter dem günstigsten Gestirne, wanderten unter Max
alle schonen Künste, alle edeln Wissenschaften, alle Studien nach Deutschland,
welches ihrer in Roheit und Dürftigkeit lange entbehrte." In diesen Worten
hat Cuspinian den Kaiser gefeiert. Und noch bestimmter führt Zasius in einer
ähnlichen Stelle die Vertreibung der Barbarei aus Deutschland und die Blüte
der Wissenschaft und Kunst auf Maximilians Einfluß zurück. Alles, was mit
der Wissenschaft zu thun hatte, war Max gleich lieb. Alles, was Deutschland
an geistigen Großen besaß, in seinen Dienst zu ziehen oder in Beziehung zu sich
zu setzen, galt ihm als eine der wichtigsten Aufgaben. Er berief den Konrad
Celtes, Cuspinian wurde sein Sekretär, Hütten sein gekrönter Poet, Erasmus
sein Rat, Trithemius sein theologischer Beistand, Gener von Kaisersperg sein
Beichtvater. Auch jeder Kunstzweig war dem Schutze und der Förderung des
Kaisers sicher. Er trat in regen Verkehr mit allen kunstsinnigen Männern
Deutschlands, fragte sie um ihren Rat und benutzte sie bei seinen künstlerischen
Unternehmungen. Er hatte zum ersten künstlerischen Beirat den gelehrten
Dr. Konrad Peutinger in Augsburg, der, patrizischen Geschlecht entsprossen und
in Italien zu einer Zeit gebildet, wo gerade Wissenschaft und Kunst sich zu
prachtvoller Blüte entfaltet hatten, seit 1493 als Stadtschreiber in Augsburgischen
Diensten stand und der Stolz seiner Vaterstadt als Gelehrter wie als Staats¬
mann war. Er benutzte als Vertrauensmann bei seinen künstlerischen Unter¬
nehmungen den lustigen Weltweisen Willibald Pirkhehmer in Nürnberg sowie
den vielseitig gebildeten Probst Melchior Pfinzing. Er umgab sich mit den
nicht mir gelehrten, sondern auch künstlerisch angelegten Männern Marx Treiz-
sauerwein und Johannes Stadius. Und er war den Künstlern seiner Zeit
August und Mäcen in einer Person.

Diese Kunstliebe des Kaisers ist für die deutsche Kunst nicht hoch genug
anzuschlagen.

Das fürstliche Mäzenatentum hat in frühern Jahrhunderten eine viel größere
Rolle gespielt als heutzutage, wo die Kunst eine mehr private geworden ist
oder, wenn sie öffentlich ist, mehr von den Städten gepflegt wird. Die griechische
Kunst würde sich trotz Phidias und den Seinen nie zu ihrer erhabenen Höhe
emporgeschwungen haben, wenn nicht Perikles die Künstler in die richtigen Bahnen
gewiesen hätte, ihnen durch die Aufgaben, die er ihnen stellte, Gelegenheit ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/137>, abgerufen am 23.07.2024.