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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Sturzes auf der Falkenjagd die Erzherzogin Maria, die belgische Venus, wie
man sie wegen ihrer Schönheit, die burgundische Diana, wie man sie wegen
ihrer Jagdlust nannte, nachdem sie ihrem Gatten zwei Kinder, Philipp und
Margaret", geschenkt hat. Daran schließen sich für Max, der als Vormund
seines Sohnes Regent der Niederlande ist, unsägliche Wirren. Die Städte,
die ihm schon bei Lebzeiten Marias Sorge und Not gemacht haben, lassen ihn
nicht mehr zur Ruhe kommen. Flandern empört sich; Karl VIII., Ludwigs XI.
Nachfolger, unterstützt die Aufrührerischen. Maximilian, damals 26 Jahre alt,
kann nur einen Augenblick der Ruhe benutzen, um nach Deutschland zu reisen
und sich in Frankfurt 1486 zum römischen König erwählen, in Aachen krönen
zu lassen. Kaum ist er in seine Lande zurückgekehrt, als die Unruhen von
neuem beginnen. Man nimmt ihn in Brügge gefangen und läßt ihn nur
unter demütigender Bedingungen frei. Er verläßt, nachdem Friede geschlossen,
freudig die Niederlande und wendet sein Hauptaugenmerk auf seine Erdtaube
Österreich. Sämtliche Ungewitter, welche sich über seinem Haupte zusammenziehen,
werden glücklich von ihm zerstreut, Frankreich, Ungarn und die Niederlande zur
Ruhe gebracht. Während seine Angelegenheiten sich auf diese Weise entwickeln,
wird sein alter Vater 1493 aus dem Leben abgerufen. Maximilian tritt als
römischer König die Regierung an und ruft die größten Hoffnungen in ganz
Deutschland wach. Da er in allen Stücken ein schroffer Gegensatz zu seinem Vater
ist, sieht man in ihm die Bürgschaft für eine bessere Zukunft. Eine tüchtige
Persönlichkeit thut aber auch Not. Es müssen durchgreifende Maßregeln
ergriffen werden, um Deutschland aus der abschüssigen Bahn des Verderbens,
in die es geraten ist, herauszureißen. Mit dem Jahre 1494 beginnt Maxi¬
milians Thätigkeit als Reichsvberhcmpt. Sein erstes Bestreben geht dahin,
dem Reiche eine Kaiserin zu geben. Er wählt die ihm von Lodovico Sforza
mit einer reichen Mitgift angetragene Maria Bianca, mit der er dann 17 Jahre
lang, freilich kinderlos und wenig glücklich, verheiratet ist. Nun wendet er
sich den deutschen Angelegenheiten zu. Er gründet ans dem Reichstage zu
Worms 1495 den ewigen Landfrieden, der dem bisherigen Fehdewesen steuern
soll, und setzt das Reichskammergericht ein. Während er so für das Reich
sorgt, wird seine Aufmerksamkeit nach Italien gelenkt, das von seinem Vater
unbeachtet gelassen worden ist. Es beginnen die italienischen Wirren. Lodovico
Moro von Mailand hat, um sich Neapel vom Halse zu schaffen, Karl VIII.
ins Land gerufen. Dieser hat im Siegestaumel 1494 ganz Italien durchzogen
und bedroht den Moro selbst, der nur durch sein Bündnis mit dem Papste und
Max vom Untergange gerettet wird. So steht Maximilian mit einemmale
mitten in der Löwengrube, in die schon so viele deutsche Kaiser ihre Füße gesetzt
hatten, und macht 1496 einen Zug nach Italien. Unterdessen naht wieder von
einer andern Seite eine Verwicklung. Die Eidgenossen versagen dem Reichs-
kammergericht die Anerkennung und verweigern die ihnen als Reichsgliedern


Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Sturzes auf der Falkenjagd die Erzherzogin Maria, die belgische Venus, wie
man sie wegen ihrer Schönheit, die burgundische Diana, wie man sie wegen
ihrer Jagdlust nannte, nachdem sie ihrem Gatten zwei Kinder, Philipp und
Margaret«, geschenkt hat. Daran schließen sich für Max, der als Vormund
seines Sohnes Regent der Niederlande ist, unsägliche Wirren. Die Städte,
die ihm schon bei Lebzeiten Marias Sorge und Not gemacht haben, lassen ihn
nicht mehr zur Ruhe kommen. Flandern empört sich; Karl VIII., Ludwigs XI.
Nachfolger, unterstützt die Aufrührerischen. Maximilian, damals 26 Jahre alt,
kann nur einen Augenblick der Ruhe benutzen, um nach Deutschland zu reisen
und sich in Frankfurt 1486 zum römischen König erwählen, in Aachen krönen
zu lassen. Kaum ist er in seine Lande zurückgekehrt, als die Unruhen von
neuem beginnen. Man nimmt ihn in Brügge gefangen und läßt ihn nur
unter demütigender Bedingungen frei. Er verläßt, nachdem Friede geschlossen,
freudig die Niederlande und wendet sein Hauptaugenmerk auf seine Erdtaube
Österreich. Sämtliche Ungewitter, welche sich über seinem Haupte zusammenziehen,
werden glücklich von ihm zerstreut, Frankreich, Ungarn und die Niederlande zur
Ruhe gebracht. Während seine Angelegenheiten sich auf diese Weise entwickeln,
wird sein alter Vater 1493 aus dem Leben abgerufen. Maximilian tritt als
römischer König die Regierung an und ruft die größten Hoffnungen in ganz
Deutschland wach. Da er in allen Stücken ein schroffer Gegensatz zu seinem Vater
ist, sieht man in ihm die Bürgschaft für eine bessere Zukunft. Eine tüchtige
Persönlichkeit thut aber auch Not. Es müssen durchgreifende Maßregeln
ergriffen werden, um Deutschland aus der abschüssigen Bahn des Verderbens,
in die es geraten ist, herauszureißen. Mit dem Jahre 1494 beginnt Maxi¬
milians Thätigkeit als Reichsvberhcmpt. Sein erstes Bestreben geht dahin,
dem Reiche eine Kaiserin zu geben. Er wählt die ihm von Lodovico Sforza
mit einer reichen Mitgift angetragene Maria Bianca, mit der er dann 17 Jahre
lang, freilich kinderlos und wenig glücklich, verheiratet ist. Nun wendet er
sich den deutschen Angelegenheiten zu. Er gründet ans dem Reichstage zu
Worms 1495 den ewigen Landfrieden, der dem bisherigen Fehdewesen steuern
soll, und setzt das Reichskammergericht ein. Während er so für das Reich
sorgt, wird seine Aufmerksamkeit nach Italien gelenkt, das von seinem Vater
unbeachtet gelassen worden ist. Es beginnen die italienischen Wirren. Lodovico
Moro von Mailand hat, um sich Neapel vom Halse zu schaffen, Karl VIII.
ins Land gerufen. Dieser hat im Siegestaumel 1494 ganz Italien durchzogen
und bedroht den Moro selbst, der nur durch sein Bündnis mit dem Papste und
Max vom Untergange gerettet wird. So steht Maximilian mit einemmale
mitten in der Löwengrube, in die schon so viele deutsche Kaiser ihre Füße gesetzt
hatten, und macht 1496 einen Zug nach Italien. Unterdessen naht wieder von
einer andern Seite eine Verwicklung. Die Eidgenossen versagen dem Reichs-
kammergericht die Anerkennung und verweigern die ihnen als Reichsgliedern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/135>, abgerufen am 22.07.2024.