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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter de5 Glücks.

Die verständige Mutter ist daher in letzter Zeit ganz vom Hofe ferngeblieben.
Weiter hat die Sache nichts auf sich gehabt.

Liebe Frau, erwiederte der Fabrikant, ich habe nichts dagegen, wenn sich
Berthold in sie verliebt. Sie ist munter, hübsch, gut erzogen, man sieht sich
an ihr nicht satt, auch höre ich sie nie gegen ihre Mutter ein unkindliches Wort
reden. Aber völlig sreie Wahl soll er haben. Und dann -- die Mockritz sind
von Adel. Wir wollen doch womöglich in unsrer Sphäre bleiben.

Frau von Mockritz hat schon zwei ihrer Töchter an Bürgerliche verheiratet.

Ich weiß es; aber wenn sie für gut befunden hat, aus ihrer Sphäre herab¬
zusteigen, finde ich noch keinen Grund darin, umgekehrt aus unsrer Sphäre
uns höher hinauszudrängen.

Als ob du uicht den Adel haben könntest! Major von Stobbe mag manche
Dinge anders ansehen, als sie in Wirklichkeit sind, aber --

Aber wenn ich dem Militärsiskns den bewußten Schießplatz zum Geschenk
machen will --

So heißest dn Tags darauf Herr von Hartig.

Wie ich eben durchaus nicht zu heißen wünsche, gerade so wenig hoffent¬
lich wie du Frau von Hartig.

Du weißt, ich habe keinen Wunsch, als daß dirs wohl geht und du mit
deiner Frau zufrieden bist.

Also, nichts mehr davon. Vielleicht hat Berthold nicht einmal Neigung
zum Heiraten.

Das kaun nicht dein Ernst sein, protestirte Frau Anna.

Auf mich kommt es ja garnicht an.

Mit unsern so vorsorglich eingerichteten Kinder- oder Enkelzimmern! jam¬
merte Frau Anna. Berthold nicht heiraten!

Man heiratet doch nicht einem Baumeister zu Gefallen.

Frau Anna ließ sich nicht irre machen. Sie kannte ihren Kaspar Benedikt.
Er wollte Zeit haben, eine Sache im stillen zu überlegen. Es galt, nichts zu
überstürzen.

So ging der Frühling hin. Die Villa empfing vielen Besuch, hin und
wieder auch den der Frau von Mockritz, in deren Garten auf ihre Bitten einige
Partien unter Anleitung des jetzt schou hinreichend gartenkundigen Nachbars
neu eingerichtet worden waren, sodaß der Fabrikant drüben oft stundenlang Ge¬
legenheit hatte, die Auserwählte seiner Gattin im Hauskleide und bei häuslichen
Arbeiten zu beobachten, nicht minder Frau von Mockritz selbst, gegen die er
bisher ein Vorurteil gehabt hatte.

Im Grunde habe ich ihr Unrecht gethan, sagte er zu Frau Anna; ich
gebe nichts darauf, daß Hermione selbst allen Spargel sticht, der bei den Mockritz
auf den Tisch kommt, so wenig die Finger dabei geschont werden. Spargel ist
ein aristokratisches Gewächs. Das giebt man ungeschickten Händen ungern Preis.


Grenzboten I. 1884. 14
Auf der Leiter de5 Glücks.

Die verständige Mutter ist daher in letzter Zeit ganz vom Hofe ferngeblieben.
Weiter hat die Sache nichts auf sich gehabt.

Liebe Frau, erwiederte der Fabrikant, ich habe nichts dagegen, wenn sich
Berthold in sie verliebt. Sie ist munter, hübsch, gut erzogen, man sieht sich
an ihr nicht satt, auch höre ich sie nie gegen ihre Mutter ein unkindliches Wort
reden. Aber völlig sreie Wahl soll er haben. Und dann — die Mockritz sind
von Adel. Wir wollen doch womöglich in unsrer Sphäre bleiben.

Frau von Mockritz hat schon zwei ihrer Töchter an Bürgerliche verheiratet.

Ich weiß es; aber wenn sie für gut befunden hat, aus ihrer Sphäre herab¬
zusteigen, finde ich noch keinen Grund darin, umgekehrt aus unsrer Sphäre
uns höher hinauszudrängen.

Als ob du uicht den Adel haben könntest! Major von Stobbe mag manche
Dinge anders ansehen, als sie in Wirklichkeit sind, aber —

Aber wenn ich dem Militärsiskns den bewußten Schießplatz zum Geschenk
machen will —

So heißest dn Tags darauf Herr von Hartig.

Wie ich eben durchaus nicht zu heißen wünsche, gerade so wenig hoffent¬
lich wie du Frau von Hartig.

Du weißt, ich habe keinen Wunsch, als daß dirs wohl geht und du mit
deiner Frau zufrieden bist.

Also, nichts mehr davon. Vielleicht hat Berthold nicht einmal Neigung
zum Heiraten.

Das kaun nicht dein Ernst sein, protestirte Frau Anna.

Auf mich kommt es ja garnicht an.

Mit unsern so vorsorglich eingerichteten Kinder- oder Enkelzimmern! jam¬
merte Frau Anna. Berthold nicht heiraten!

Man heiratet doch nicht einem Baumeister zu Gefallen.

Frau Anna ließ sich nicht irre machen. Sie kannte ihren Kaspar Benedikt.
Er wollte Zeit haben, eine Sache im stillen zu überlegen. Es galt, nichts zu
überstürzen.

So ging der Frühling hin. Die Villa empfing vielen Besuch, hin und
wieder auch den der Frau von Mockritz, in deren Garten auf ihre Bitten einige
Partien unter Anleitung des jetzt schou hinreichend gartenkundigen Nachbars
neu eingerichtet worden waren, sodaß der Fabrikant drüben oft stundenlang Ge¬
legenheit hatte, die Auserwählte seiner Gattin im Hauskleide und bei häuslichen
Arbeiten zu beobachten, nicht minder Frau von Mockritz selbst, gegen die er
bisher ein Vorurteil gehabt hatte.

Im Grunde habe ich ihr Unrecht gethan, sagte er zu Frau Anna; ich
gebe nichts darauf, daß Hermione selbst allen Spargel sticht, der bei den Mockritz
auf den Tisch kommt, so wenig die Finger dabei geschont werden. Spargel ist
ein aristokratisches Gewächs. Das giebt man ungeschickten Händen ungern Preis.


Grenzboten I. 1884. 14
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/115>, abgerufen am 24.07.2024.