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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

nicht sechzig Jahre alt und noch in voller Kraft, wie ihn das Bild von Cyriakus
Reder im historischen Museum vorführt, nach einer 33jährigen Regierung. Am
16. März fuhr der Leichenwagen durch den Dom zu Freiberg, wo die Berg¬
geschworenen den Sarg der Gruft übergaben.

Der Sohn und Nachfolger Augusts, Christian I., nahm den Plan seines
Vaters auf. In den Serpentinsteinbrüchcn bei Zöblitz, den Alabasterbrüchen
bei Weißensee und den Marmorbrüchen am Fürstcnberge bei Schwarzenberg ent¬
faltete sich eine lebhafte Thätigkeit. Um Künstler herbeizuschaffen, die den ge¬
wonnenen Marmor zu bearbeiten verstanden, wurde Nosseni 1588 nach Italien
geschickt und gewann in Florenz durch Vermittlung von Giovanni da Bologna
den tüchtigen Carlo de Cesare, der Anfang Oktober 1690 mit seinen Gehilfen
in Freiberg anlangte. Aber auch Christian sah die Fürstengruft nicht mehr
fertig. Erst zwei Jahre nach des Kurfürsten Tode, 1693, wurde der Bau nach
vielen Einschränkungen von Nosseni zu Ende gebracht.

Nur ein, aber ein sehr glänzendes Werk hat Kurfürst Christian während
seiner sechsjährigen Regierung vollendet, den an den Georgenbau des Schlosses
sich anlehnenden Stallhof, zu dem am 6. Juni 1686 der Stallmeister Niloi
von Miltitz und der Zeugmeister Paul Buchner den Grundstein legten.
Christians Prachtliebe wie seine Pferdeliebhaberei konnten an diesem Baue
gleichmäßig zur Geltung kommen. In fünfeinhalb Jahren wurde das Werk, das
mehr einem Prachtpalaste als einem Marstalle ähnlich war, mit einem Kosten-
aufwande von 200000 Thalern errichtet. Die hohe Mauer, welche das Ge¬
bäude außen abschloß, war durch mächtige Portale durchbrochen und durch
Freskomalereien belebt. Im Hofe standen verschiedene von Martin Hilger ge¬
gossene Postamente und Trophäen. Der am Hofe liegende gewölbte und auf
dorischen Säulen ruhende Stall hatte zweihundertsechsundfüufzig Pferdestände.
Der großartigste Teil der Anlage aber war der nach dem Jüdenhof zu gelegene
Flügel, welcher prachtvoll eingerichtete Zimmer für fürstliche Gäste enthielt.
Nosseni und Carlo de Cesare hatten die Ausschmückung mit Büsten und Wappen¬
schildern übernommen. Schöne Malereien, "allerhand romanische Historien dar¬
stellend," schmückten die Decken. Die innere Einrichtung bestand aus marmornen
Tischen und aus Stühlen von Serpentinstein mit Jaspis ausgelegt, aus mar¬
mornen Bettstellen und stattlichen Kredenzen, die viele goldene Pokale und
Trinkgeschirre trugen. An diese Galerie schlössen sich noch eine Reihe von
Zimmern an, die eine Sammlung von Turnier- und Jagdgerätschaften enthielten.
Da war die große Schlittenkammer, die mit stattlichen Rennschlitten und den
dazu gehörigen Geschirren angefüllt war, die Balgenkammer, welche die Nüst-
stücke für die Pferde enthielt, wie man sie zum Scharf- und Balgenrennen
brauchte, die Sattelkammer, in der allerlei prächtige, mit Perlen, Gold und
Silber gestickte Sättel aufgespeichert waren, die Schwertkammer, in der eine
große Anzahl künstlicher Degen prangte, die Türkenkammer mit allerhand


Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

nicht sechzig Jahre alt und noch in voller Kraft, wie ihn das Bild von Cyriakus
Reder im historischen Museum vorführt, nach einer 33jährigen Regierung. Am
16. März fuhr der Leichenwagen durch den Dom zu Freiberg, wo die Berg¬
geschworenen den Sarg der Gruft übergaben.

Der Sohn und Nachfolger Augusts, Christian I., nahm den Plan seines
Vaters auf. In den Serpentinsteinbrüchcn bei Zöblitz, den Alabasterbrüchen
bei Weißensee und den Marmorbrüchen am Fürstcnberge bei Schwarzenberg ent¬
faltete sich eine lebhafte Thätigkeit. Um Künstler herbeizuschaffen, die den ge¬
wonnenen Marmor zu bearbeiten verstanden, wurde Nosseni 1588 nach Italien
geschickt und gewann in Florenz durch Vermittlung von Giovanni da Bologna
den tüchtigen Carlo de Cesare, der Anfang Oktober 1690 mit seinen Gehilfen
in Freiberg anlangte. Aber auch Christian sah die Fürstengruft nicht mehr
fertig. Erst zwei Jahre nach des Kurfürsten Tode, 1693, wurde der Bau nach
vielen Einschränkungen von Nosseni zu Ende gebracht.

Nur ein, aber ein sehr glänzendes Werk hat Kurfürst Christian während
seiner sechsjährigen Regierung vollendet, den an den Georgenbau des Schlosses
sich anlehnenden Stallhof, zu dem am 6. Juni 1686 der Stallmeister Niloi
von Miltitz und der Zeugmeister Paul Buchner den Grundstein legten.
Christians Prachtliebe wie seine Pferdeliebhaberei konnten an diesem Baue
gleichmäßig zur Geltung kommen. In fünfeinhalb Jahren wurde das Werk, das
mehr einem Prachtpalaste als einem Marstalle ähnlich war, mit einem Kosten-
aufwande von 200000 Thalern errichtet. Die hohe Mauer, welche das Ge¬
bäude außen abschloß, war durch mächtige Portale durchbrochen und durch
Freskomalereien belebt. Im Hofe standen verschiedene von Martin Hilger ge¬
gossene Postamente und Trophäen. Der am Hofe liegende gewölbte und auf
dorischen Säulen ruhende Stall hatte zweihundertsechsundfüufzig Pferdestände.
Der großartigste Teil der Anlage aber war der nach dem Jüdenhof zu gelegene
Flügel, welcher prachtvoll eingerichtete Zimmer für fürstliche Gäste enthielt.
Nosseni und Carlo de Cesare hatten die Ausschmückung mit Büsten und Wappen¬
schildern übernommen. Schöne Malereien, „allerhand romanische Historien dar¬
stellend," schmückten die Decken. Die innere Einrichtung bestand aus marmornen
Tischen und aus Stühlen von Serpentinstein mit Jaspis ausgelegt, aus mar¬
mornen Bettstellen und stattlichen Kredenzen, die viele goldene Pokale und
Trinkgeschirre trugen. An diese Galerie schlössen sich noch eine Reihe von
Zimmern an, die eine Sammlung von Turnier- und Jagdgerätschaften enthielten.
Da war die große Schlittenkammer, die mit stattlichen Rennschlitten und den
dazu gehörigen Geschirren angefüllt war, die Balgenkammer, welche die Nüst-
stücke für die Pferde enthielt, wie man sie zum Scharf- und Balgenrennen
brauchte, die Sattelkammer, in der allerlei prächtige, mit Perlen, Gold und
Silber gestickte Sättel aufgespeichert waren, die Schwertkammer, in der eine
große Anzahl künstlicher Degen prangte, die Türkenkammer mit allerhand


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[0094] Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert. nicht sechzig Jahre alt und noch in voller Kraft, wie ihn das Bild von Cyriakus Reder im historischen Museum vorführt, nach einer 33jährigen Regierung. Am 16. März fuhr der Leichenwagen durch den Dom zu Freiberg, wo die Berg¬ geschworenen den Sarg der Gruft übergaben. Der Sohn und Nachfolger Augusts, Christian I., nahm den Plan seines Vaters auf. In den Serpentinsteinbrüchcn bei Zöblitz, den Alabasterbrüchen bei Weißensee und den Marmorbrüchen am Fürstcnberge bei Schwarzenberg ent¬ faltete sich eine lebhafte Thätigkeit. Um Künstler herbeizuschaffen, die den ge¬ wonnenen Marmor zu bearbeiten verstanden, wurde Nosseni 1588 nach Italien geschickt und gewann in Florenz durch Vermittlung von Giovanni da Bologna den tüchtigen Carlo de Cesare, der Anfang Oktober 1690 mit seinen Gehilfen in Freiberg anlangte. Aber auch Christian sah die Fürstengruft nicht mehr fertig. Erst zwei Jahre nach des Kurfürsten Tode, 1693, wurde der Bau nach vielen Einschränkungen von Nosseni zu Ende gebracht. Nur ein, aber ein sehr glänzendes Werk hat Kurfürst Christian während seiner sechsjährigen Regierung vollendet, den an den Georgenbau des Schlosses sich anlehnenden Stallhof, zu dem am 6. Juni 1686 der Stallmeister Niloi von Miltitz und der Zeugmeister Paul Buchner den Grundstein legten. Christians Prachtliebe wie seine Pferdeliebhaberei konnten an diesem Baue gleichmäßig zur Geltung kommen. In fünfeinhalb Jahren wurde das Werk, das mehr einem Prachtpalaste als einem Marstalle ähnlich war, mit einem Kosten- aufwande von 200000 Thalern errichtet. Die hohe Mauer, welche das Ge¬ bäude außen abschloß, war durch mächtige Portale durchbrochen und durch Freskomalereien belebt. Im Hofe standen verschiedene von Martin Hilger ge¬ gossene Postamente und Trophäen. Der am Hofe liegende gewölbte und auf dorischen Säulen ruhende Stall hatte zweihundertsechsundfüufzig Pferdestände. Der großartigste Teil der Anlage aber war der nach dem Jüdenhof zu gelegene Flügel, welcher prachtvoll eingerichtete Zimmer für fürstliche Gäste enthielt. Nosseni und Carlo de Cesare hatten die Ausschmückung mit Büsten und Wappen¬ schildern übernommen. Schöne Malereien, „allerhand romanische Historien dar¬ stellend," schmückten die Decken. Die innere Einrichtung bestand aus marmornen Tischen und aus Stühlen von Serpentinstein mit Jaspis ausgelegt, aus mar¬ mornen Bettstellen und stattlichen Kredenzen, die viele goldene Pokale und Trinkgeschirre trugen. An diese Galerie schlössen sich noch eine Reihe von Zimmern an, die eine Sammlung von Turnier- und Jagdgerätschaften enthielten. Da war die große Schlittenkammer, die mit stattlichen Rennschlitten und den dazu gehörigen Geschirren angefüllt war, die Balgenkammer, welche die Nüst- stücke für die Pferde enthielt, wie man sie zum Scharf- und Balgenrennen brauchte, die Sattelkammer, in der allerlei prächtige, mit Perlen, Gold und Silber gestickte Sättel aufgespeichert waren, die Schwertkammer, in der eine große Anzahl künstlicher Degen prangte, die Türkenkammer mit allerhand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/94>, abgerufen am 29.12.2024.