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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

"Vorzeichnuß und wcirhafftige Contrnfactura aller Scharfs-Rennen und Treffenn,
so Augustus vor und inn seiner Regierung 1543--66 gantz Ritterlich gethan
und verbracht" hatte. Von demselben Künstler stammt eine Sammlung von
Bildnissen der Herzöge von Sachsen, die später unter Augusts Nachfolgern bis
auf Friedrich August I. fortgesetzt wurde. Ein andrer Künstler, Zcicharias
Wehrn endlich, illustrirte ein Buch über die Sitten und Gebräuche der Türken.
Dazu kamen die zahllosen gedruckten Bücher, welche der Kurfürst teils in seiner
eignen Druckerei im Schlosse zu Dresden drucken ließ, teils in Italien und
Deutschland ankaufte. Er sammelte so eifrig, daß sich seine im Jahre 1574
nur aus 1721 Bänden bestehende Bibliothek im Jahre 1580 bis auf 2354 ver¬
mehrt hatte, und bewies seinen Geschmack auch in den Einbänden, welche er
den Büchern geben ließ. Aus Nürnberg wurde 1566 ein geschickter Buchbinder,
Jakob Kraus, berufen, dem außer der Bezahlung dessen, "was er sonst an Arbeit
machen und binden" werde, ein fester Jahresgehalt von fünfzig Gulden zuge¬
sichert wurde. Von diesem rühren die schönen Einbände der Bibliothek her.
Die gewöhnlichsten Bände bestehen aus feinem braunen Kalbleder und sind mit
dem sächsischen und dänischen Wappen und den Buchstaben ^ H ÜI L L (August,
Herzog zu Sachsen, Churfürst) auf den Einbanddecken versehen. Rücken und
Deckel sind reich mit goldnen Einfassungen und Ornamenten verziert, die ebenso
geschmackvoll erfunden als sauber geprägt sind. Auf den Folianten ist ge¬
wöhnlich das in Gold abgedruckte Bildnis des Kurfürsten angebracht, und auch
der vergoldete Schnitt ist mit eingepreßten, oft gemalten Arabesken geschmückt.
Dabei sind die Bücher vorzüglich gut geheftet und so wenig beschnitten, daß
sie ein würdiges Seitenstück zu de Thors und Groliers Einbänden bilden.

Augusts Bauthätigkeit hatte seit dem Jahre 1578 geruht. Erst in seinen
letzten Jahren war er wieder mit einem Baupläne beschäftigt, nämlich mit der
Anlage seiner Familiengruft. Nach dem Tode der Kurfürstin Anna 1585 ent¬
schloß er sich, der verstorbenen Gattin ein würdiges Grabmal und seiner Familie
überhaupt eine prächtige Begräbnisstätte im Dome zu Freiberg zu bereiten.
Ihn reizte dabei noch ein besondrer Umstand. Der Hofmaler Hans Schröer
und der Steindrechsler David Hirschfeld aus Gotha hatten 1573 in einem
Weinberge bei Weißensee in Thüringen Alabaster gefunden. Dieser Entdeckung
war im Spätsommer des folgenden Jahres die Auffindung von Marmor bei
Schwarzenberg im Obererzgebirge durch die Bildhauer Hans und Christoph
Walther gefolgt, und man hatte in verschiedenen Orten Sachsens Marmorbrüche
anlegen können. Hauptsächlich um diese neuen. bisher ungeahnten Marmorschätze
des Landes auszubeuten, unternahm August das umfangreiche Werk. Anfang
Oktober 1S85 sandte er den schon erwähnten Nosseni nach Freiberg, um die
nötigen Vorbereitungen zu treffen. Allein der Kurfürst sollte die Vollendung
der Familiengruft nicht mehr erleben. Am 11. Februar 1586 wurde er in
Moritzburg vom Schlage gerührt und starb desselben Tages in Dresden, noch


Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

„Vorzeichnuß und wcirhafftige Contrnfactura aller Scharfs-Rennen und Treffenn,
so Augustus vor und inn seiner Regierung 1543—66 gantz Ritterlich gethan
und verbracht" hatte. Von demselben Künstler stammt eine Sammlung von
Bildnissen der Herzöge von Sachsen, die später unter Augusts Nachfolgern bis
auf Friedrich August I. fortgesetzt wurde. Ein andrer Künstler, Zcicharias
Wehrn endlich, illustrirte ein Buch über die Sitten und Gebräuche der Türken.
Dazu kamen die zahllosen gedruckten Bücher, welche der Kurfürst teils in seiner
eignen Druckerei im Schlosse zu Dresden drucken ließ, teils in Italien und
Deutschland ankaufte. Er sammelte so eifrig, daß sich seine im Jahre 1574
nur aus 1721 Bänden bestehende Bibliothek im Jahre 1580 bis auf 2354 ver¬
mehrt hatte, und bewies seinen Geschmack auch in den Einbänden, welche er
den Büchern geben ließ. Aus Nürnberg wurde 1566 ein geschickter Buchbinder,
Jakob Kraus, berufen, dem außer der Bezahlung dessen, „was er sonst an Arbeit
machen und binden" werde, ein fester Jahresgehalt von fünfzig Gulden zuge¬
sichert wurde. Von diesem rühren die schönen Einbände der Bibliothek her.
Die gewöhnlichsten Bände bestehen aus feinem braunen Kalbleder und sind mit
dem sächsischen und dänischen Wappen und den Buchstaben ^ H ÜI L L (August,
Herzog zu Sachsen, Churfürst) auf den Einbanddecken versehen. Rücken und
Deckel sind reich mit goldnen Einfassungen und Ornamenten verziert, die ebenso
geschmackvoll erfunden als sauber geprägt sind. Auf den Folianten ist ge¬
wöhnlich das in Gold abgedruckte Bildnis des Kurfürsten angebracht, und auch
der vergoldete Schnitt ist mit eingepreßten, oft gemalten Arabesken geschmückt.
Dabei sind die Bücher vorzüglich gut geheftet und so wenig beschnitten, daß
sie ein würdiges Seitenstück zu de Thors und Groliers Einbänden bilden.

Augusts Bauthätigkeit hatte seit dem Jahre 1578 geruht. Erst in seinen
letzten Jahren war er wieder mit einem Baupläne beschäftigt, nämlich mit der
Anlage seiner Familiengruft. Nach dem Tode der Kurfürstin Anna 1585 ent¬
schloß er sich, der verstorbenen Gattin ein würdiges Grabmal und seiner Familie
überhaupt eine prächtige Begräbnisstätte im Dome zu Freiberg zu bereiten.
Ihn reizte dabei noch ein besondrer Umstand. Der Hofmaler Hans Schröer
und der Steindrechsler David Hirschfeld aus Gotha hatten 1573 in einem
Weinberge bei Weißensee in Thüringen Alabaster gefunden. Dieser Entdeckung
war im Spätsommer des folgenden Jahres die Auffindung von Marmor bei
Schwarzenberg im Obererzgebirge durch die Bildhauer Hans und Christoph
Walther gefolgt, und man hatte in verschiedenen Orten Sachsens Marmorbrüche
anlegen können. Hauptsächlich um diese neuen. bisher ungeahnten Marmorschätze
des Landes auszubeuten, unternahm August das umfangreiche Werk. Anfang
Oktober 1S85 sandte er den schon erwähnten Nosseni nach Freiberg, um die
nötigen Vorbereitungen zu treffen. Allein der Kurfürst sollte die Vollendung
der Familiengruft nicht mehr erleben. Am 11. Februar 1586 wurde er in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/93>, abgerufen am 29.12.2024.