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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle,

recht aufkommen gegen Krickervde, trotz aller gewonnenen Prozesse. Aus jed¬
weder Unterhaltung im Gastzimmer und hier unter den Kastanien, zwischen Alt
und Jung, Gelehrten und Umgekehrten, Bürger, Professor, Bauer und Bettel¬
mann, Töeib und Mann, wie das der Herrgott bis zu den Kindern mit dem
Kreisel oder im Kinderwagen herunter durch einander gehen ließ, in Pfisters
Mühle, habe ich allgemächlich abgemerkt, weshalb wir nicht mehr bestehen vor
Krickerode. Und, Fräulein Albertine, meines seligen Freundes Schönfärber Asches
Junge hat mir das letzte Verständnis dafür eröffnet. Denn das ist derjenige,
von dein ich mir am festesten gedacht habe, daß er eher sein Herzblut hergeben
würde, als die Wirtsstnbe und den Garten, die Wiesen, den Fluß und die
Sonne von Pfisters Mühle! Denn ich habe ihn ja aufwachsen und hinbummeln
sehen und auf meinem Konto gehabt von Kindesbeinen an, und es ist keiner
gewesen, auch dein armer seliger Papa nicht, Kind, der mit solchem Sinn fürs
Ideale seine Beine unter meine Tische oder sich ganz der Länge nach auf die
Bänke oder in die Gräserei gestreckt hat, wie meines alten Kumpans, Schön¬
färber Aschen nachgelassener Phantastitns, Adam Asche! Da der Partei ge¬
nommen hat für die neue Welt und Mode und hergekommen ist und den Kopf
nicht nur in die Wissenschaft, souderu auch in die doppelte Buchhaltung, das
Fabrikwesen gesteckt und Krickerode nicht bloß für mich ausgespürt, sondern
es in andrer Art für sich selber an euern Berliner Musterbuch ausgestanzt
hat, so gebe ich klein bei und sage: dann wird es wohl der liebe Gott für
die nächsten Jahre und Zeiten so für's Beste halten. Fräulein Albertine, wer
dieses strubbelköpfige Geschöpfe in seinem seligen Schlummer am Feldwege
unterm Hagedorn bekopfschüttclt und es nachher an der chemischen Wäsche ge¬
sehen hat, und es heute in seinem Wesen und Treiben, Spaß und Ernst sieht,
der muß sich bekennen, der richtige Mensch hat am Ende auch nicht die reine
Luft, die grünen Bäume, die Blütenbüsche und das edle klare Wasser von Quell,
Bach und Fluß nötig, um ein rechter Mann zu sein.

Hast es dem Vater Pfister kurios beigebracht, Freund Adam, wie dein
Menschen alles auf dieser Erde Wasser auf seine Mühle werden kann; und auch
daß du siehst, daß er dir's nicht übelgenommen, wenn du auch mal in betreff
von des alten närrischen Kerls Idealem zu sehr pläsirlich den Gleichmut heraus¬
kehrtest, so will er dir jetzt zu deinem Ideal, höchstem Sehnen und schönstem
Wunsch in deinem Schornsteindampf und Waschkesselqnalm verhelfen -- im
heiligen Ernst! Nämlich es ist wohl vom vorigen Weihnachten bis jetzt in diesen
Oktober zwischen mir und meinem lieben Kinde hier so von Zeit zu Zeit die
Rede auf dich gekommen, Doktor, und da habe ich denn, wie gesagt, manchmal
behauptet, gerade Leute vou deinem Schlage würden wohl noch am ersten die
Traditionen' von Pfisters Mühle auch unter den höchsten Fabrikschvrnsteinen
und an den verschlammtesten Wasserläufen aufrecht erhalten; und, Doktor Asche,
Fräulein Albertine hat wirklich meiner Meinung beigepflichtet, und -- na, was
ist mir denn dieses? Paß auf das Geschirr, Scunse; da fängt's an, heiß herzu¬
gehen unter den Kastanien -- dritter Tisch, Reihe rechts! . . .

Wenn je ein Mensch zu Stein auf einem Stuhle geworden war, so war
das mein guter Freund Doktor A. A. Asche. Aber nur einen Augenblick starrte
er regungslos von dem alten Vater Pfister auf das junge Fräulein, und wenn
je ein Mann ein hübsches, tapferes, kluges Mädchen fest in die Arme gefaßt
hatte, so war das mein närrischer Freund Adam ebenfalls.

Ja, es war so auch meine Meinung, flüsterte das Kind des verloren ge-


Grcnzbvtm IV. 1884. 82
Pfisters Mühle,

recht aufkommen gegen Krickervde, trotz aller gewonnenen Prozesse. Aus jed¬
weder Unterhaltung im Gastzimmer und hier unter den Kastanien, zwischen Alt
und Jung, Gelehrten und Umgekehrten, Bürger, Professor, Bauer und Bettel¬
mann, Töeib und Mann, wie das der Herrgott bis zu den Kindern mit dem
Kreisel oder im Kinderwagen herunter durch einander gehen ließ, in Pfisters
Mühle, habe ich allgemächlich abgemerkt, weshalb wir nicht mehr bestehen vor
Krickerode. Und, Fräulein Albertine, meines seligen Freundes Schönfärber Asches
Junge hat mir das letzte Verständnis dafür eröffnet. Denn das ist derjenige,
von dein ich mir am festesten gedacht habe, daß er eher sein Herzblut hergeben
würde, als die Wirtsstnbe und den Garten, die Wiesen, den Fluß und die
Sonne von Pfisters Mühle! Denn ich habe ihn ja aufwachsen und hinbummeln
sehen und auf meinem Konto gehabt von Kindesbeinen an, und es ist keiner
gewesen, auch dein armer seliger Papa nicht, Kind, der mit solchem Sinn fürs
Ideale seine Beine unter meine Tische oder sich ganz der Länge nach auf die
Bänke oder in die Gräserei gestreckt hat, wie meines alten Kumpans, Schön¬
färber Aschen nachgelassener Phantastitns, Adam Asche! Da der Partei ge¬
nommen hat für die neue Welt und Mode und hergekommen ist und den Kopf
nicht nur in die Wissenschaft, souderu auch in die doppelte Buchhaltung, das
Fabrikwesen gesteckt und Krickerode nicht bloß für mich ausgespürt, sondern
es in andrer Art für sich selber an euern Berliner Musterbuch ausgestanzt
hat, so gebe ich klein bei und sage: dann wird es wohl der liebe Gott für
die nächsten Jahre und Zeiten so für's Beste halten. Fräulein Albertine, wer
dieses strubbelköpfige Geschöpfe in seinem seligen Schlummer am Feldwege
unterm Hagedorn bekopfschüttclt und es nachher an der chemischen Wäsche ge¬
sehen hat, und es heute in seinem Wesen und Treiben, Spaß und Ernst sieht,
der muß sich bekennen, der richtige Mensch hat am Ende auch nicht die reine
Luft, die grünen Bäume, die Blütenbüsche und das edle klare Wasser von Quell,
Bach und Fluß nötig, um ein rechter Mann zu sein.

Hast es dem Vater Pfister kurios beigebracht, Freund Adam, wie dein
Menschen alles auf dieser Erde Wasser auf seine Mühle werden kann; und auch
daß du siehst, daß er dir's nicht übelgenommen, wenn du auch mal in betreff
von des alten närrischen Kerls Idealem zu sehr pläsirlich den Gleichmut heraus¬
kehrtest, so will er dir jetzt zu deinem Ideal, höchstem Sehnen und schönstem
Wunsch in deinem Schornsteindampf und Waschkesselqnalm verhelfen — im
heiligen Ernst! Nämlich es ist wohl vom vorigen Weihnachten bis jetzt in diesen
Oktober zwischen mir und meinem lieben Kinde hier so von Zeit zu Zeit die
Rede auf dich gekommen, Doktor, und da habe ich denn, wie gesagt, manchmal
behauptet, gerade Leute vou deinem Schlage würden wohl noch am ersten die
Traditionen' von Pfisters Mühle auch unter den höchsten Fabrikschvrnsteinen
und an den verschlammtesten Wasserläufen aufrecht erhalten; und, Doktor Asche,
Fräulein Albertine hat wirklich meiner Meinung beigepflichtet, und — na, was
ist mir denn dieses? Paß auf das Geschirr, Scunse; da fängt's an, heiß herzu¬
gehen unter den Kastanien — dritter Tisch, Reihe rechts! . . .

Wenn je ein Mensch zu Stein auf einem Stuhle geworden war, so war
das mein guter Freund Doktor A. A. Asche. Aber nur einen Augenblick starrte
er regungslos von dem alten Vater Pfister auf das junge Fräulein, und wenn
je ein Mann ein hübsches, tapferes, kluges Mädchen fest in die Arme gefaßt
hatte, so war das mein närrischer Freund Adam ebenfalls.

Ja, es war so auch meine Meinung, flüsterte das Kind des verloren ge-


Grcnzbvtm IV. 1884. 82
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[0657] Pfisters Mühle, recht aufkommen gegen Krickervde, trotz aller gewonnenen Prozesse. Aus jed¬ weder Unterhaltung im Gastzimmer und hier unter den Kastanien, zwischen Alt und Jung, Gelehrten und Umgekehrten, Bürger, Professor, Bauer und Bettel¬ mann, Töeib und Mann, wie das der Herrgott bis zu den Kindern mit dem Kreisel oder im Kinderwagen herunter durch einander gehen ließ, in Pfisters Mühle, habe ich allgemächlich abgemerkt, weshalb wir nicht mehr bestehen vor Krickerode. Und, Fräulein Albertine, meines seligen Freundes Schönfärber Asches Junge hat mir das letzte Verständnis dafür eröffnet. Denn das ist derjenige, von dein ich mir am festesten gedacht habe, daß er eher sein Herzblut hergeben würde, als die Wirtsstnbe und den Garten, die Wiesen, den Fluß und die Sonne von Pfisters Mühle! Denn ich habe ihn ja aufwachsen und hinbummeln sehen und auf meinem Konto gehabt von Kindesbeinen an, und es ist keiner gewesen, auch dein armer seliger Papa nicht, Kind, der mit solchem Sinn fürs Ideale seine Beine unter meine Tische oder sich ganz der Länge nach auf die Bänke oder in die Gräserei gestreckt hat, wie meines alten Kumpans, Schön¬ färber Aschen nachgelassener Phantastitns, Adam Asche! Da der Partei ge¬ nommen hat für die neue Welt und Mode und hergekommen ist und den Kopf nicht nur in die Wissenschaft, souderu auch in die doppelte Buchhaltung, das Fabrikwesen gesteckt und Krickerode nicht bloß für mich ausgespürt, sondern es in andrer Art für sich selber an euern Berliner Musterbuch ausgestanzt hat, so gebe ich klein bei und sage: dann wird es wohl der liebe Gott für die nächsten Jahre und Zeiten so für's Beste halten. Fräulein Albertine, wer dieses strubbelköpfige Geschöpfe in seinem seligen Schlummer am Feldwege unterm Hagedorn bekopfschüttclt und es nachher an der chemischen Wäsche ge¬ sehen hat, und es heute in seinem Wesen und Treiben, Spaß und Ernst sieht, der muß sich bekennen, der richtige Mensch hat am Ende auch nicht die reine Luft, die grünen Bäume, die Blütenbüsche und das edle klare Wasser von Quell, Bach und Fluß nötig, um ein rechter Mann zu sein. Hast es dem Vater Pfister kurios beigebracht, Freund Adam, wie dein Menschen alles auf dieser Erde Wasser auf seine Mühle werden kann; und auch daß du siehst, daß er dir's nicht übelgenommen, wenn du auch mal in betreff von des alten närrischen Kerls Idealem zu sehr pläsirlich den Gleichmut heraus¬ kehrtest, so will er dir jetzt zu deinem Ideal, höchstem Sehnen und schönstem Wunsch in deinem Schornsteindampf und Waschkesselqnalm verhelfen — im heiligen Ernst! Nämlich es ist wohl vom vorigen Weihnachten bis jetzt in diesen Oktober zwischen mir und meinem lieben Kinde hier so von Zeit zu Zeit die Rede auf dich gekommen, Doktor, und da habe ich denn, wie gesagt, manchmal behauptet, gerade Leute vou deinem Schlage würden wohl noch am ersten die Traditionen' von Pfisters Mühle auch unter den höchsten Fabrikschvrnsteinen und an den verschlammtesten Wasserläufen aufrecht erhalten; und, Doktor Asche, Fräulein Albertine hat wirklich meiner Meinung beigepflichtet, und — na, was ist mir denn dieses? Paß auf das Geschirr, Scunse; da fängt's an, heiß herzu¬ gehen unter den Kastanien — dritter Tisch, Reihe rechts! . . . Wenn je ein Mensch zu Stein auf einem Stuhle geworden war, so war das mein guter Freund Doktor A. A. Asche. Aber nur einen Augenblick starrte er regungslos von dem alten Vater Pfister auf das junge Fräulein, und wenn je ein Mann ein hübsches, tapferes, kluges Mädchen fest in die Arme gefaßt hatte, so war das mein närrischer Freund Adam ebenfalls. Ja, es war so auch meine Meinung, flüsterte das Kind des verloren ge- Grcnzbvtm IV. 1884. 82

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/657>, abgerufen am 29.12.2024.