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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.

erwerb deutlich herzurechnen, nämlich der Gewinn an Geld; das Unterneh¬
mungskapital aber, der Einsatz ist klar und baar. Allein es handelt sich eben
nicht bloß darum, soundsoviel Mark mehr nach Deutschland zu bringen. Ob
Herr Schulze in Berlin eine Million durch ein Aktienunternehmen in Afrika
gewinnt, ist für das Gemeinwohl nur wenig bedeutsamer, als ob Herr Schmidt
in Kalkutta, der sich Mr. Smith nennt, dort seine Million zusammengebracht
hat. Mr. Smith zieht vielleicht nach London und Herr Schulze auch, denn
ihre Millionen sind ja nicht an Deutschland gebunden. Aber etwas andres ist
es, wenn Herr Schulze durch Absatz seiner Kattune nach Kamerun reich wurde
oder Herr Schmidt durch Handel mit Berliner Fabrikaten. Und dazu sollen
die Dampfersubvention und die Kolonialpolitik beitragen. Die direkte regel¬
mäßige Verbindung mit Deutschland soll die Beziehungen erleichtern, beschleu¬
nigen, beleben. Die deutsche Flagge des Postschiffes erscheint alle vier Wochen
in Bombay, auf Samoa, in Korea; Nachrichten, Menschen kommen und gehen,
Waarenprvben werden gewechselt, die Handelsinteressen gemehrt zwischen dem
dortigen Deutschen und der Heimat, die Sicherheit des Zusammenhanges wird
gestärkt, die Sprache selbst, die auf dem Pvstschiffc herrscht, hat ihre Bedeutung.
Wollen wir abwarten, bis Fracht und Rückfracht so vollauf vorhanden sind,
daß jeder Postdampfer schnell und sicher Ladung findet, dann wäre es sehr be¬
rechtigt, die Dampfersubvention zu bekämpfen. Wir warten ab, und inzwischen
erscheint ein Frachtgut nach dem andern auf den Märkten hüben und drüben,
welches wegen mangelnder Verbindung mit Deutschland andre, englische Wege
einschlägt oder nicht die fremde Konkurrenz überwinden kann. Ware die Dampfer¬
linie da, so würde Deutschland wenigstens mit gleichen Mitteln des Verkehrs
die Konkurrenz aufnehmen. Gerade weil unsre Industrie eben jetzt auf manchen
Gebieten erstarkt, müssen wir sorgen, daß ihr der Verkehr in dem Augenblick in ge¬
nügender Weise zu Gebote stehe, wo sich der Waare ein neuer, überseeischer Ab¬
satz öffnet oder ein altes Absatzgebiet sich erweitert. Ist die deutsche Handels-
verbindung im rechten Augenblick nicht fertig zur Stelle, so läuft uns eben
der besser vorbereitete Engländer den Rang ab. Und ohne Zweifel wiro dem
deutschen Postschisfe der deutsche Wechsel folgen dnrch Errichtung überseeischer
Banken.

Ähnlich in der Kolvnialsache. Ich meine, daß Lüderitzlcmd schon heute eiuen
großen Nutzen für uus gehabt hat und chot bloß dadurch, daß es das Bewußtsein
der Kraft und das Vertrauen in die Zukunft sehr gemehrt hat. Der sittliche
Einfluß dieser ersten Kolonie auf die Nation ist offenbar ein günstiger und
großer, der Vorteil dieses wüsten Landstriches für uns bereits gesichert, obgleich
noch kein Pfennig Gewinn in die Tasche des Volkes, noch auch -- soviel ich
weiß -- des Herrn Lüderitz selbst geflossen ist -- ein Gewinn, der freilich außerhalb
der zahlkräftigen Argumentationen unsrer Freihändler steht. Jedes neue Stück
Kolonialland, das hinzukommt, mehrt den erwachten Unternehmungsgeist, Triebe,


Grenzboten IV. 1884. 71
Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.

erwerb deutlich herzurechnen, nämlich der Gewinn an Geld; das Unterneh¬
mungskapital aber, der Einsatz ist klar und baar. Allein es handelt sich eben
nicht bloß darum, soundsoviel Mark mehr nach Deutschland zu bringen. Ob
Herr Schulze in Berlin eine Million durch ein Aktienunternehmen in Afrika
gewinnt, ist für das Gemeinwohl nur wenig bedeutsamer, als ob Herr Schmidt
in Kalkutta, der sich Mr. Smith nennt, dort seine Million zusammengebracht
hat. Mr. Smith zieht vielleicht nach London und Herr Schulze auch, denn
ihre Millionen sind ja nicht an Deutschland gebunden. Aber etwas andres ist
es, wenn Herr Schulze durch Absatz seiner Kattune nach Kamerun reich wurde
oder Herr Schmidt durch Handel mit Berliner Fabrikaten. Und dazu sollen
die Dampfersubvention und die Kolonialpolitik beitragen. Die direkte regel¬
mäßige Verbindung mit Deutschland soll die Beziehungen erleichtern, beschleu¬
nigen, beleben. Die deutsche Flagge des Postschiffes erscheint alle vier Wochen
in Bombay, auf Samoa, in Korea; Nachrichten, Menschen kommen und gehen,
Waarenprvben werden gewechselt, die Handelsinteressen gemehrt zwischen dem
dortigen Deutschen und der Heimat, die Sicherheit des Zusammenhanges wird
gestärkt, die Sprache selbst, die auf dem Pvstschiffc herrscht, hat ihre Bedeutung.
Wollen wir abwarten, bis Fracht und Rückfracht so vollauf vorhanden sind,
daß jeder Postdampfer schnell und sicher Ladung findet, dann wäre es sehr be¬
rechtigt, die Dampfersubvention zu bekämpfen. Wir warten ab, und inzwischen
erscheint ein Frachtgut nach dem andern auf den Märkten hüben und drüben,
welches wegen mangelnder Verbindung mit Deutschland andre, englische Wege
einschlägt oder nicht die fremde Konkurrenz überwinden kann. Ware die Dampfer¬
linie da, so würde Deutschland wenigstens mit gleichen Mitteln des Verkehrs
die Konkurrenz aufnehmen. Gerade weil unsre Industrie eben jetzt auf manchen
Gebieten erstarkt, müssen wir sorgen, daß ihr der Verkehr in dem Augenblick in ge¬
nügender Weise zu Gebote stehe, wo sich der Waare ein neuer, überseeischer Ab¬
satz öffnet oder ein altes Absatzgebiet sich erweitert. Ist die deutsche Handels-
verbindung im rechten Augenblick nicht fertig zur Stelle, so läuft uns eben
der besser vorbereitete Engländer den Rang ab. Und ohne Zweifel wiro dem
deutschen Postschisfe der deutsche Wechsel folgen dnrch Errichtung überseeischer
Banken.

Ähnlich in der Kolvnialsache. Ich meine, daß Lüderitzlcmd schon heute eiuen
großen Nutzen für uus gehabt hat und chot bloß dadurch, daß es das Bewußtsein
der Kraft und das Vertrauen in die Zukunft sehr gemehrt hat. Der sittliche
Einfluß dieser ersten Kolonie auf die Nation ist offenbar ein günstiger und
großer, der Vorteil dieses wüsten Landstriches für uns bereits gesichert, obgleich
noch kein Pfennig Gewinn in die Tasche des Volkes, noch auch — soviel ich
weiß — des Herrn Lüderitz selbst geflossen ist — ein Gewinn, der freilich außerhalb
der zahlkräftigen Argumentationen unsrer Freihändler steht. Jedes neue Stück
Kolonialland, das hinzukommt, mehrt den erwachten Unternehmungsgeist, Triebe,


Grenzboten IV. 1884. 71
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[0569] Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. erwerb deutlich herzurechnen, nämlich der Gewinn an Geld; das Unterneh¬ mungskapital aber, der Einsatz ist klar und baar. Allein es handelt sich eben nicht bloß darum, soundsoviel Mark mehr nach Deutschland zu bringen. Ob Herr Schulze in Berlin eine Million durch ein Aktienunternehmen in Afrika gewinnt, ist für das Gemeinwohl nur wenig bedeutsamer, als ob Herr Schmidt in Kalkutta, der sich Mr. Smith nennt, dort seine Million zusammengebracht hat. Mr. Smith zieht vielleicht nach London und Herr Schulze auch, denn ihre Millionen sind ja nicht an Deutschland gebunden. Aber etwas andres ist es, wenn Herr Schulze durch Absatz seiner Kattune nach Kamerun reich wurde oder Herr Schmidt durch Handel mit Berliner Fabrikaten. Und dazu sollen die Dampfersubvention und die Kolonialpolitik beitragen. Die direkte regel¬ mäßige Verbindung mit Deutschland soll die Beziehungen erleichtern, beschleu¬ nigen, beleben. Die deutsche Flagge des Postschiffes erscheint alle vier Wochen in Bombay, auf Samoa, in Korea; Nachrichten, Menschen kommen und gehen, Waarenprvben werden gewechselt, die Handelsinteressen gemehrt zwischen dem dortigen Deutschen und der Heimat, die Sicherheit des Zusammenhanges wird gestärkt, die Sprache selbst, die auf dem Pvstschiffc herrscht, hat ihre Bedeutung. Wollen wir abwarten, bis Fracht und Rückfracht so vollauf vorhanden sind, daß jeder Postdampfer schnell und sicher Ladung findet, dann wäre es sehr be¬ rechtigt, die Dampfersubvention zu bekämpfen. Wir warten ab, und inzwischen erscheint ein Frachtgut nach dem andern auf den Märkten hüben und drüben, welches wegen mangelnder Verbindung mit Deutschland andre, englische Wege einschlägt oder nicht die fremde Konkurrenz überwinden kann. Ware die Dampfer¬ linie da, so würde Deutschland wenigstens mit gleichen Mitteln des Verkehrs die Konkurrenz aufnehmen. Gerade weil unsre Industrie eben jetzt auf manchen Gebieten erstarkt, müssen wir sorgen, daß ihr der Verkehr in dem Augenblick in ge¬ nügender Weise zu Gebote stehe, wo sich der Waare ein neuer, überseeischer Ab¬ satz öffnet oder ein altes Absatzgebiet sich erweitert. Ist die deutsche Handels- verbindung im rechten Augenblick nicht fertig zur Stelle, so läuft uns eben der besser vorbereitete Engländer den Rang ab. Und ohne Zweifel wiro dem deutschen Postschisfe der deutsche Wechsel folgen dnrch Errichtung überseeischer Banken. Ähnlich in der Kolvnialsache. Ich meine, daß Lüderitzlcmd schon heute eiuen großen Nutzen für uus gehabt hat und chot bloß dadurch, daß es das Bewußtsein der Kraft und das Vertrauen in die Zukunft sehr gemehrt hat. Der sittliche Einfluß dieser ersten Kolonie auf die Nation ist offenbar ein günstiger und großer, der Vorteil dieses wüsten Landstriches für uns bereits gesichert, obgleich noch kein Pfennig Gewinn in die Tasche des Volkes, noch auch — soviel ich weiß — des Herrn Lüderitz selbst geflossen ist — ein Gewinn, der freilich außerhalb der zahlkräftigen Argumentationen unsrer Freihändler steht. Jedes neue Stück Kolonialland, das hinzukommt, mehrt den erwachten Unternehmungsgeist, Triebe, Grenzboten IV. 1884. 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/569>, abgerufen am 29.12.2024.