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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

was dazu gehört, von dem größten Einfluß gewesen. Der Umgang mit den
jungen (und auch den alten) Leuten, welche ihm die Stadt und die Universität
tagtäglich herausschickten und in deren mehr oder weniger geräuschvolle Unter¬
haltung er gern auch sein Wort und seine Stimme dreingeben dürfte, hatte ihn
in betreff meiner wohl allerlei in die Phantasie gesetzt, was meinem Lebensgange
jedenfalls eine andre Richtung gab, als Pfisters Mühle seit Generationen an
ihren Erbeigentümern gewohnt war.

Ein weißlicher Müller und ein weiser Mann war er; aber alles auf einmal
konnte auch er nicht bedenken und das einander Ausschließende mit einander in
Gleichklang bringen. So trug denn auch er sein Teil der Schuld, daß der
augenblicklich letzte Pfister nicht mehr als Müller auf Pfisters Mühle sitzt; und
mein einziger Trost ist, daß der Alte, als er auf seinem Sterbebett zum letzten
male seinen Arm mir um den Nacken legte und mich zu sich niederzog, sagen
durfte: Ist's nicht, als ob ich's vorausgerochen hätte, lieber Junge, als ich dich
von der Gänseweide holte und mit der Nase ins Buch steckte? Die Welt wollte
uns nicht mehr, wie wir waren zu ihrem Nutzen und Vergnügen. Aufdrängen
muß man sich keinem; und so ist's wirklich am besten so geworden, wie es sich
gemacht hat....

Es war richtig; auf Schulen ging ich zwar schon, nämlich in die Dorfschule
zum Kantor Busse, und am liebsten um den Kantor und die Schule herum,
als er, Vater Pfister, mich auf dem Gänseanger nacktbeiuig unter den übrigen
flachsköpfigen Barfüßern herauslangte, mich am Kragen nach Hause führte und
mich in genaueste wissenschaftliche Verbindung mit einem andern, etwas älteren
und gebildeteren verwahrlosten Menschenkinde brachte, das er gleichfalls am
Kragen hielt, wenn auch mehr mittelbar, das heißt infolge des Pumpes, den es
seit längerer Zeit bei ihm angelegt hatte.

Wenn Sie auf den Vertrag eingehen, Herr Asche, wird es vielleicht für
beide Partien ein gutes Abkomme" sein, und dünner sollen Sie mir nicht dabei
werden, wenn dies nicht so in Ihrer Natur liegt, und die Weltregierung Sie
nicht schwerer auf der Wagschaale haben will, Adam, sagte mein Vater.

Das aber ist die zweite Gestalt, die von Tisch und Bank, aus Licht und
Schatten, aus alledem Tumult, den Klängen und Studentenliedern um Pfisters
Mühle sich loslöst und, vertraulich seltsam, wie mit Stroh im Haar, wenn auch
keineswegs im Kopfe, in diese Traumbilder hineinschlendert. Gerade als habe
auch sie bis jetzt den Tag auf der Gänseweide hingebracht, oder noch bequem-
licher, auf dem Rücken liegend zwischen den Roggengarben auf dem Felde jen¬
seits der Uferweiden, des Entengeschnatters und des Mühlwasserrauschens von
Pfisters Mühle.

Können das Ding Probiren, Vater Pfister! Geben Sie Ihren Bengel her.
Werden ja bald erfahren, wer die Langweilerei am ersten satt kriegt, Sie, ich
oder dies glückselige, quatschlige, weißfleischige Geschöpf Gottes hier. Braten


pfisters Mühle.

was dazu gehört, von dem größten Einfluß gewesen. Der Umgang mit den
jungen (und auch den alten) Leuten, welche ihm die Stadt und die Universität
tagtäglich herausschickten und in deren mehr oder weniger geräuschvolle Unter¬
haltung er gern auch sein Wort und seine Stimme dreingeben dürfte, hatte ihn
in betreff meiner wohl allerlei in die Phantasie gesetzt, was meinem Lebensgange
jedenfalls eine andre Richtung gab, als Pfisters Mühle seit Generationen an
ihren Erbeigentümern gewohnt war.

Ein weißlicher Müller und ein weiser Mann war er; aber alles auf einmal
konnte auch er nicht bedenken und das einander Ausschließende mit einander in
Gleichklang bringen. So trug denn auch er sein Teil der Schuld, daß der
augenblicklich letzte Pfister nicht mehr als Müller auf Pfisters Mühle sitzt; und
mein einziger Trost ist, daß der Alte, als er auf seinem Sterbebett zum letzten
male seinen Arm mir um den Nacken legte und mich zu sich niederzog, sagen
durfte: Ist's nicht, als ob ich's vorausgerochen hätte, lieber Junge, als ich dich
von der Gänseweide holte und mit der Nase ins Buch steckte? Die Welt wollte
uns nicht mehr, wie wir waren zu ihrem Nutzen und Vergnügen. Aufdrängen
muß man sich keinem; und so ist's wirklich am besten so geworden, wie es sich
gemacht hat....

Es war richtig; auf Schulen ging ich zwar schon, nämlich in die Dorfschule
zum Kantor Busse, und am liebsten um den Kantor und die Schule herum,
als er, Vater Pfister, mich auf dem Gänseanger nacktbeiuig unter den übrigen
flachsköpfigen Barfüßern herauslangte, mich am Kragen nach Hause führte und
mich in genaueste wissenschaftliche Verbindung mit einem andern, etwas älteren
und gebildeteren verwahrlosten Menschenkinde brachte, das er gleichfalls am
Kragen hielt, wenn auch mehr mittelbar, das heißt infolge des Pumpes, den es
seit längerer Zeit bei ihm angelegt hatte.

Wenn Sie auf den Vertrag eingehen, Herr Asche, wird es vielleicht für
beide Partien ein gutes Abkomme» sein, und dünner sollen Sie mir nicht dabei
werden, wenn dies nicht so in Ihrer Natur liegt, und die Weltregierung Sie
nicht schwerer auf der Wagschaale haben will, Adam, sagte mein Vater.

Das aber ist die zweite Gestalt, die von Tisch und Bank, aus Licht und
Schatten, aus alledem Tumult, den Klängen und Studentenliedern um Pfisters
Mühle sich loslöst und, vertraulich seltsam, wie mit Stroh im Haar, wenn auch
keineswegs im Kopfe, in diese Traumbilder hineinschlendert. Gerade als habe
auch sie bis jetzt den Tag auf der Gänseweide hingebracht, oder noch bequem-
licher, auf dem Rücken liegend zwischen den Roggengarben auf dem Felde jen¬
seits der Uferweiden, des Entengeschnatters und des Mühlwasserrauschens von
Pfisters Mühle.

Können das Ding Probiren, Vater Pfister! Geben Sie Ihren Bengel her.
Werden ja bald erfahren, wer die Langweilerei am ersten satt kriegt, Sie, ich
oder dies glückselige, quatschlige, weißfleischige Geschöpf Gottes hier. Braten


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[0056] pfisters Mühle. was dazu gehört, von dem größten Einfluß gewesen. Der Umgang mit den jungen (und auch den alten) Leuten, welche ihm die Stadt und die Universität tagtäglich herausschickten und in deren mehr oder weniger geräuschvolle Unter¬ haltung er gern auch sein Wort und seine Stimme dreingeben dürfte, hatte ihn in betreff meiner wohl allerlei in die Phantasie gesetzt, was meinem Lebensgange jedenfalls eine andre Richtung gab, als Pfisters Mühle seit Generationen an ihren Erbeigentümern gewohnt war. Ein weißlicher Müller und ein weiser Mann war er; aber alles auf einmal konnte auch er nicht bedenken und das einander Ausschließende mit einander in Gleichklang bringen. So trug denn auch er sein Teil der Schuld, daß der augenblicklich letzte Pfister nicht mehr als Müller auf Pfisters Mühle sitzt; und mein einziger Trost ist, daß der Alte, als er auf seinem Sterbebett zum letzten male seinen Arm mir um den Nacken legte und mich zu sich niederzog, sagen durfte: Ist's nicht, als ob ich's vorausgerochen hätte, lieber Junge, als ich dich von der Gänseweide holte und mit der Nase ins Buch steckte? Die Welt wollte uns nicht mehr, wie wir waren zu ihrem Nutzen und Vergnügen. Aufdrängen muß man sich keinem; und so ist's wirklich am besten so geworden, wie es sich gemacht hat.... Es war richtig; auf Schulen ging ich zwar schon, nämlich in die Dorfschule zum Kantor Busse, und am liebsten um den Kantor und die Schule herum, als er, Vater Pfister, mich auf dem Gänseanger nacktbeiuig unter den übrigen flachsköpfigen Barfüßern herauslangte, mich am Kragen nach Hause führte und mich in genaueste wissenschaftliche Verbindung mit einem andern, etwas älteren und gebildeteren verwahrlosten Menschenkinde brachte, das er gleichfalls am Kragen hielt, wenn auch mehr mittelbar, das heißt infolge des Pumpes, den es seit längerer Zeit bei ihm angelegt hatte. Wenn Sie auf den Vertrag eingehen, Herr Asche, wird es vielleicht für beide Partien ein gutes Abkomme» sein, und dünner sollen Sie mir nicht dabei werden, wenn dies nicht so in Ihrer Natur liegt, und die Weltregierung Sie nicht schwerer auf der Wagschaale haben will, Adam, sagte mein Vater. Das aber ist die zweite Gestalt, die von Tisch und Bank, aus Licht und Schatten, aus alledem Tumult, den Klängen und Studentenliedern um Pfisters Mühle sich loslöst und, vertraulich seltsam, wie mit Stroh im Haar, wenn auch keineswegs im Kopfe, in diese Traumbilder hineinschlendert. Gerade als habe auch sie bis jetzt den Tag auf der Gänseweide hingebracht, oder noch bequem- licher, auf dem Rücken liegend zwischen den Roggengarben auf dem Felde jen¬ seits der Uferweiden, des Entengeschnatters und des Mühlwasserrauschens von Pfisters Mühle. Können das Ding Probiren, Vater Pfister! Geben Sie Ihren Bengel her. Werden ja bald erfahren, wer die Langweilerei am ersten satt kriegt, Sie, ich oder dies glückselige, quatschlige, weißfleischige Geschöpf Gottes hier. Braten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/56>, abgerufen am 29.12.2024.