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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle.

Ufer der Spree, in welchem Freund Adam heute als leitende Seele waltet;
als Fräulein Albertine mich mit ihrer Bestellung zu dem Phantasiemenschen
mit dem merkwürdigen Blick fürs Praktische schickte, traf ich ihn freilich noch
auf den unteren Stufen der Leiter des Glücks, aber doch schon im Begriff, drei
Staffeln für eine nach der Höhe hinauf zu nehmen.

Nun kam es mir zu tage, weshalb er sich vordem so eingehend mit der
schmutzigen Wäsche des Ödfeldes im allgemeinen und der Schleheugasse im be¬
sondern beschäftigt hatte. Schmurky und Kompagnie hieß die Firma, unter
der er augenblicklich noch seine wissenschaftlichen Erfahrungen im Flcckenreinigen
im Großen genial zur Geltung brachte. Und wenn er selber in der umfang¬
reichen Stadt Berlin noch etwas schwierig zu finden war, so fand ich Schmurky
und Kompagnie doch sofort und mich, gerade wie bei Krickerode, vor go¬
thischen Thoren und Mauern, hinter denen sich ganz etwas andres tummelte
als Ritter, Knappen, Edelfräulein, Falkoniere und Streitrosse.

Betäubt schon durch die sonstigen Erlebnisse meines ersten Tages in der
Hauptstadt, wurde ich willenlos, vom Thürhüter aus, sozusagen von Hand
zu Hand weitergegeben, und zwar durch den größten Tumult und die übelsten
Gerüche, die jemals menschliche Sinne überwältigt hatten. Über Höfe und durch
Säle -- wie selber erfaßt und fortgewirbelt von dem großen Motor, dem Dampfe,
der um mich her die Maschinen -- Zentrifugalen, Appreturzylinder, Roll¬
pressen, Kalander, Jmprägnir-, Kräusel-, Heft-, Nah- und Plisseemaschinen in
Bewegung setzte, taumelte ich; -- durch Wohldüfte, gegen welche meines Vaters
Bach in seinen schlimmsten Tagen, gegen welche die Waschküchen und sonstigen
Ausdünstungen der Schlehenstraße im Odfelde garnichts bedeuteten, mußte ich;
-- und in einem von dem ärgsten Getöse nur durch eine dünne Wand geschie¬
denen Raum fand ich den Freund, nicht mehr über Olgas Unterrock, sondern
über ein zahlen-, buchstaben- und formelnbedecktes Papierblatt mit seinem
Leibe und seiner Seele, mit all seinem Wissen und Können gebeugt und --
richtete ihm Albertine Lippoldes Bestellung aus! ... Ich darf ihm aber das
Zeugnis geben, daß er alles ihm eben Vorliegende beiseite und über den
Haufen warf, als die letzte führende Hand mich ihm in das Allerheiligste
seiner großen -- chemischen Waschanstalt schob. -- --

Mein Telemachos! . . . Ebert -- mein Sohn Ebert Pfister von Pfisters
Mühle! . . . Bengel -- Knabe -- Jüngling, welch ein Hauch und Licht aus
bessern, besten Tagen! Was zum Henker, richtig -- seit einem halben Jahre
schon angemeldet hier im Morast, im Pechsumpf, in Malebolge. Na, so kann
ich dir nun wiederum raten, stehe nicht so dumm da, sondern stürze in meine
Arme, Kind.

Ich stürzte, warf mich in seine Arme, das heißt, wir schüttelten herzhaft
und mit wahrhaftiger Freude einander die Hände, und dann zog mein Exmentor
vor allen Dingen seinen Rock aus und meinte:


Pfisters Mühle.

Ufer der Spree, in welchem Freund Adam heute als leitende Seele waltet;
als Fräulein Albertine mich mit ihrer Bestellung zu dem Phantasiemenschen
mit dem merkwürdigen Blick fürs Praktische schickte, traf ich ihn freilich noch
auf den unteren Stufen der Leiter des Glücks, aber doch schon im Begriff, drei
Staffeln für eine nach der Höhe hinauf zu nehmen.

Nun kam es mir zu tage, weshalb er sich vordem so eingehend mit der
schmutzigen Wäsche des Ödfeldes im allgemeinen und der Schleheugasse im be¬
sondern beschäftigt hatte. Schmurky und Kompagnie hieß die Firma, unter
der er augenblicklich noch seine wissenschaftlichen Erfahrungen im Flcckenreinigen
im Großen genial zur Geltung brachte. Und wenn er selber in der umfang¬
reichen Stadt Berlin noch etwas schwierig zu finden war, so fand ich Schmurky
und Kompagnie doch sofort und mich, gerade wie bei Krickerode, vor go¬
thischen Thoren und Mauern, hinter denen sich ganz etwas andres tummelte
als Ritter, Knappen, Edelfräulein, Falkoniere und Streitrosse.

Betäubt schon durch die sonstigen Erlebnisse meines ersten Tages in der
Hauptstadt, wurde ich willenlos, vom Thürhüter aus, sozusagen von Hand
zu Hand weitergegeben, und zwar durch den größten Tumult und die übelsten
Gerüche, die jemals menschliche Sinne überwältigt hatten. Über Höfe und durch
Säle — wie selber erfaßt und fortgewirbelt von dem großen Motor, dem Dampfe,
der um mich her die Maschinen — Zentrifugalen, Appreturzylinder, Roll¬
pressen, Kalander, Jmprägnir-, Kräusel-, Heft-, Nah- und Plisseemaschinen in
Bewegung setzte, taumelte ich; — durch Wohldüfte, gegen welche meines Vaters
Bach in seinen schlimmsten Tagen, gegen welche die Waschküchen und sonstigen
Ausdünstungen der Schlehenstraße im Odfelde garnichts bedeuteten, mußte ich;
— und in einem von dem ärgsten Getöse nur durch eine dünne Wand geschie¬
denen Raum fand ich den Freund, nicht mehr über Olgas Unterrock, sondern
über ein zahlen-, buchstaben- und formelnbedecktes Papierblatt mit seinem
Leibe und seiner Seele, mit all seinem Wissen und Können gebeugt und —
richtete ihm Albertine Lippoldes Bestellung aus! ... Ich darf ihm aber das
Zeugnis geben, daß er alles ihm eben Vorliegende beiseite und über den
Haufen warf, als die letzte führende Hand mich ihm in das Allerheiligste
seiner großen — chemischen Waschanstalt schob. — —

Mein Telemachos! . . . Ebert — mein Sohn Ebert Pfister von Pfisters
Mühle! . . . Bengel — Knabe — Jüngling, welch ein Hauch und Licht aus
bessern, besten Tagen! Was zum Henker, richtig — seit einem halben Jahre
schon angemeldet hier im Morast, im Pechsumpf, in Malebolge. Na, so kann
ich dir nun wiederum raten, stehe nicht so dumm da, sondern stürze in meine
Arme, Kind.

Ich stürzte, warf mich in seine Arme, das heißt, wir schüttelten herzhaft
und mit wahrhaftiger Freude einander die Hände, und dann zog mein Exmentor
vor allen Dingen seinen Rock aus und meinte:


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[0485] Pfisters Mühle. Ufer der Spree, in welchem Freund Adam heute als leitende Seele waltet; als Fräulein Albertine mich mit ihrer Bestellung zu dem Phantasiemenschen mit dem merkwürdigen Blick fürs Praktische schickte, traf ich ihn freilich noch auf den unteren Stufen der Leiter des Glücks, aber doch schon im Begriff, drei Staffeln für eine nach der Höhe hinauf zu nehmen. Nun kam es mir zu tage, weshalb er sich vordem so eingehend mit der schmutzigen Wäsche des Ödfeldes im allgemeinen und der Schleheugasse im be¬ sondern beschäftigt hatte. Schmurky und Kompagnie hieß die Firma, unter der er augenblicklich noch seine wissenschaftlichen Erfahrungen im Flcckenreinigen im Großen genial zur Geltung brachte. Und wenn er selber in der umfang¬ reichen Stadt Berlin noch etwas schwierig zu finden war, so fand ich Schmurky und Kompagnie doch sofort und mich, gerade wie bei Krickerode, vor go¬ thischen Thoren und Mauern, hinter denen sich ganz etwas andres tummelte als Ritter, Knappen, Edelfräulein, Falkoniere und Streitrosse. Betäubt schon durch die sonstigen Erlebnisse meines ersten Tages in der Hauptstadt, wurde ich willenlos, vom Thürhüter aus, sozusagen von Hand zu Hand weitergegeben, und zwar durch den größten Tumult und die übelsten Gerüche, die jemals menschliche Sinne überwältigt hatten. Über Höfe und durch Säle — wie selber erfaßt und fortgewirbelt von dem großen Motor, dem Dampfe, der um mich her die Maschinen — Zentrifugalen, Appreturzylinder, Roll¬ pressen, Kalander, Jmprägnir-, Kräusel-, Heft-, Nah- und Plisseemaschinen in Bewegung setzte, taumelte ich; — durch Wohldüfte, gegen welche meines Vaters Bach in seinen schlimmsten Tagen, gegen welche die Waschküchen und sonstigen Ausdünstungen der Schlehenstraße im Odfelde garnichts bedeuteten, mußte ich; — und in einem von dem ärgsten Getöse nur durch eine dünne Wand geschie¬ denen Raum fand ich den Freund, nicht mehr über Olgas Unterrock, sondern über ein zahlen-, buchstaben- und formelnbedecktes Papierblatt mit seinem Leibe und seiner Seele, mit all seinem Wissen und Können gebeugt und — richtete ihm Albertine Lippoldes Bestellung aus! ... Ich darf ihm aber das Zeugnis geben, daß er alles ihm eben Vorliegende beiseite und über den Haufen warf, als die letzte führende Hand mich ihm in das Allerheiligste seiner großen — chemischen Waschanstalt schob. — — Mein Telemachos! . . . Ebert — mein Sohn Ebert Pfister von Pfisters Mühle! . . . Bengel — Knabe — Jüngling, welch ein Hauch und Licht aus bessern, besten Tagen! Was zum Henker, richtig — seit einem halben Jahre schon angemeldet hier im Morast, im Pechsumpf, in Malebolge. Na, so kann ich dir nun wiederum raten, stehe nicht so dumm da, sondern stürze in meine Arme, Kind. Ich stürzte, warf mich in seine Arme, das heißt, wir schüttelten herzhaft und mit wahrhaftiger Freude einander die Hände, und dann zog mein Exmentor vor allen Dingen seinen Rock aus und meinte:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/485>, abgerufen am 29.12.2024.