Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.ehe die Sonne auf deinem schrecklichen Feldwege erträglich wird und du deinen Selbstverständlich erzählte ich nicht weiter. Spinnen und schnurren wie Es waren ja doch auch noch andre Dinge zu besprechen als die überwun¬ Da hat es Frau Albertine doch gewiß besser, seufzte Emmy, als nun wirk¬ Aber sie hat es vielleicht vorher nicht so gut gehabt wie du, mein Herz! ehe die Sonne auf deinem schrecklichen Feldwege erträglich wird und du deinen Selbstverständlich erzählte ich nicht weiter. Spinnen und schnurren wie Es waren ja doch auch noch andre Dinge zu besprechen als die überwun¬ Da hat es Frau Albertine doch gewiß besser, seufzte Emmy, als nun wirk¬ Aber sie hat es vielleicht vorher nicht so gut gehabt wie du, mein Herz! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157405"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1643" prev="#ID_1642"> ehe die Sonne auf deinem schrecklichen Feldwege erträglich wird und du deinen<lb/> spaßhaften langen Schatten auf dem Felde vor dir herwirfst auf dem Rückwege<lb/> nach deiner närrischen, lieben, armen Mühle. Ja, ihr seid richtig Vögel aus<lb/> einem Nest, du und mein armer, lieber Papa! Schnurren, Miezchen, müßte der<lb/> Mensch können und dabei wiederkäuen; nachher wäre mein Ideal von ihm<lb/> fertig, Pflegte er dann und wann zu bemerken, wenn er mich nach Tische am<lb/> Kinn nahm. Ach, ich fühle seine liebe, arme Hand noch immer um die Mittags¬<lb/> zeit, obgleich ich jetzt freilich dir zuliebe meine eigne Küche habe in Berlin!</p><lb/> <p xml:id="ID_1644"> Selbstverständlich erzählte ich nicht weiter. Spinnen und schnurren wie<lb/> Miez am Ofen oder in der Sonne und wiederkäuen konnte auch ich noch nicht,<lb/> obgleich ich das Ideal meines klugen und vergnügten Schwiegervaters wohl<lb/> begriff und es wirklich vielleicht dann und wann nicht ungern zur Darstellung<lb/> gebracht haben würde. Aber am Kinn konnte ich sein liebes Kind, mein liebstes<lb/> Weibchen, auch nehmen; und am Kinn lassen mußte ich es jetzt beim Hcimchen-<lb/> gezirp, im Thymianduft, in der blühende» Heide im Hagedoruschatten, allem<lb/> verjährten Verdruß und Elend und allen gegenwärtigen Schubkarren, Äxten,<lb/> Schaufeln, Hämmern und Sägen unter den Kastanienbäumen und in der<lb/> leeren Wirtsstube von Pfisters Mühle zum Trotz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1645"> Es waren ja doch auch noch andre Dinge zu besprechen als die überwun¬<lb/> denen Erlebnisse der Leute in und um Pfisters Mühle! Hatten wir denn<lb/> nicht in der lebendigen Wirklichkeit dort in der Ferne, jenseits des grünen<lb/> Schauzenwalles, jenseits des Friedens von Wiese und Ackerfeld unser selbstge¬<lb/> bautes Nest nicht nur so weich als möglich auszufüttern, sondern auch zu<lb/> Zeiten mit Schnabel und Klane im bittersten Sinne des Wortes gegen die<lb/> große unruhige Stadt Berlin zu verteidigen? Waren wir nicht bereits mehrfach<lb/> mit unserm Hauswirt und einmal sogar auch mit der Polizei in Konflikt geraten,<lb/> und hatte nicht Emmy schon das innigste Verlangen, einmal ganz persönlich mit<lb/> dem Präsidenten der letztern zu reden und ihm ihren und seine» Standpunkt zum<lb/> Besten der allgemeinen Behaglichkeit klar zu machen? Und war vor allem nicht<lb/> noch die große Frage zu lösen, wo wir „bei unsern beschränkte» Räumen" einen<lb/> Zuwachs an Raum für einen (sieh mich nicht so närrisch an, bitte, bitte, du<lb/> dummer Peter! flüsterte Emmy) andern ahnungsvolle», glückseligen, wunderbaren<lb/> Zuwachs hernehmen sollten?</p><lb/> <p xml:id="ID_1646"> Da hat es Frau Albertine doch gewiß besser, seufzte Emmy, als nun wirk¬<lb/> lich auf dem Heimwege und auf dem engen Feldpfade unsre Schatten ganz spa߬<lb/> haft lang, aber glücklicherweise ineinander sielen. Oh, die kann sich ausdehnen!<lb/> oh, wenn ich an die denke und dann an uns, so wird mir ganz schwindlig!...<lb/> Gleich zuerst Zwillinge und jetzt bald das vierte! Aber wenn der das Gelaß<lb/> nicht reicht, so baut der Doktor ganz sicher auf der Stelle an. In dieser Hin¬<lb/> sicht hat die Frau es viel besser als ich!</p><lb/> <p xml:id="ID_1647" next="#ID_1648"> Aber sie hat es vielleicht vorher nicht so gut gehabt wie du, mein Herz!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
ehe die Sonne auf deinem schrecklichen Feldwege erträglich wird und du deinen
spaßhaften langen Schatten auf dem Felde vor dir herwirfst auf dem Rückwege
nach deiner närrischen, lieben, armen Mühle. Ja, ihr seid richtig Vögel aus
einem Nest, du und mein armer, lieber Papa! Schnurren, Miezchen, müßte der
Mensch können und dabei wiederkäuen; nachher wäre mein Ideal von ihm
fertig, Pflegte er dann und wann zu bemerken, wenn er mich nach Tische am
Kinn nahm. Ach, ich fühle seine liebe, arme Hand noch immer um die Mittags¬
zeit, obgleich ich jetzt freilich dir zuliebe meine eigne Küche habe in Berlin!
Selbstverständlich erzählte ich nicht weiter. Spinnen und schnurren wie
Miez am Ofen oder in der Sonne und wiederkäuen konnte auch ich noch nicht,
obgleich ich das Ideal meines klugen und vergnügten Schwiegervaters wohl
begriff und es wirklich vielleicht dann und wann nicht ungern zur Darstellung
gebracht haben würde. Aber am Kinn konnte ich sein liebes Kind, mein liebstes
Weibchen, auch nehmen; und am Kinn lassen mußte ich es jetzt beim Hcimchen-
gezirp, im Thymianduft, in der blühende» Heide im Hagedoruschatten, allem
verjährten Verdruß und Elend und allen gegenwärtigen Schubkarren, Äxten,
Schaufeln, Hämmern und Sägen unter den Kastanienbäumen und in der
leeren Wirtsstube von Pfisters Mühle zum Trotz.
Es waren ja doch auch noch andre Dinge zu besprechen als die überwun¬
denen Erlebnisse der Leute in und um Pfisters Mühle! Hatten wir denn
nicht in der lebendigen Wirklichkeit dort in der Ferne, jenseits des grünen
Schauzenwalles, jenseits des Friedens von Wiese und Ackerfeld unser selbstge¬
bautes Nest nicht nur so weich als möglich auszufüttern, sondern auch zu
Zeiten mit Schnabel und Klane im bittersten Sinne des Wortes gegen die
große unruhige Stadt Berlin zu verteidigen? Waren wir nicht bereits mehrfach
mit unserm Hauswirt und einmal sogar auch mit der Polizei in Konflikt geraten,
und hatte nicht Emmy schon das innigste Verlangen, einmal ganz persönlich mit
dem Präsidenten der letztern zu reden und ihm ihren und seine» Standpunkt zum
Besten der allgemeinen Behaglichkeit klar zu machen? Und war vor allem nicht
noch die große Frage zu lösen, wo wir „bei unsern beschränkte» Räumen" einen
Zuwachs an Raum für einen (sieh mich nicht so närrisch an, bitte, bitte, du
dummer Peter! flüsterte Emmy) andern ahnungsvolle», glückseligen, wunderbaren
Zuwachs hernehmen sollten?
Da hat es Frau Albertine doch gewiß besser, seufzte Emmy, als nun wirk¬
lich auf dem Heimwege und auf dem engen Feldpfade unsre Schatten ganz spa߬
haft lang, aber glücklicherweise ineinander sielen. Oh, die kann sich ausdehnen!
oh, wenn ich an die denke und dann an uns, so wird mir ganz schwindlig!...
Gleich zuerst Zwillinge und jetzt bald das vierte! Aber wenn der das Gelaß
nicht reicht, so baut der Doktor ganz sicher auf der Stelle an. In dieser Hin¬
sicht hat die Frau es viel besser als ich!
Aber sie hat es vielleicht vorher nicht so gut gehabt wie du, mein Herz!
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