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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle.

Morgen zu Ihnen gekommen, und Sie erlauben Wohl, daß ich mir für einen
Augenblick einen Stuhl nehme, deun es will doch nicht mehr ganz so wie
früher fort mit Ihres frühern alten Schoppeuwirts untern Beweggründen. Mein
Junge da hat Ihnen die Papiere mitgebracht, lieber Herr.

Seinen besten, weichsten Sessel schob Rechtsanwalt Doktor Riechei seinem
neuesten Klienten zu, nahm ihm zärtlich Hut und Stock ab und sagte gedehnt
-- nicht ohne wirklich freundschaftliche Teilnahme:

Jawohl! ja so! el freilich! hin hin -- nicht die größte, aber eine von den
größeren Fragen der Zeit. Deutschlands Ströme und Forellenbäche gegen
Deutschlands Fatal- und andre Stoffe. Germanias grüner Rhein, blaue Donau,
blaugrüner Neckar, gelbe Weser gegen Germanias sonstige Ergießungen. Pfisters
Mühle gegen Krickerode! Und die Papiere für den Spezialfall bringt Ihr so¬
gleich mit, das ist ja sehr schön -- na, dann zeigt 'mal her. Setze dich jeden¬
falls aber auch, Sohn Eberhard, so rasch wird das wohl nicht gehen -- Kinder,
steckt euch vor allen Dingen erst 'mal eine Zigarre an; -- links von deinem
Ellenbogen, würdiges Pennal.

Ich hatte Asches ResumMo in die Hand Riecheis gegeben, und sich von
neuem auf seinen Dreifuß schwingend, fing der an zu blättern.

Eine gute Viertelstunde blätterte er, dann wickelte er plötzlich das Schrift¬
stück in blauer Pappe zu einer Rolle auf, sprang, hoch sie über den etwas kahl
werdenden Scheitel erhebend, in die Mitte seines "Bureaus," klopfte meinen
anscheinend teilnahmlos dasitzenden Vater auf die Schulter und rief:

Und doch -- und abermals und -- zum drittenmal Vivat Pfisters Mühle,
Vater Pfister! Pereat Krickerode! Das ist ja der Fall, auf den ich seit Jahren
warte, um mich in die Mäuler der Leute zu bringen. Also endlich auch 'mal
ein richtiges Fressen für mich! Wären Sie ein andrer, als Sie sind, Vater
Pfister, so würde ich es Ihnen sicherlich nicht so auf die Nase binden, daß ich
mich hierauf seit Lustren hingehungert habe. Kurzum, diese Sache führe ich,
mit Asche in der Tasche, und zwar glänzend, glorreich und zu einem guten Ende.
Vivat Pfisters Mühle!

Wie würde mein Vater sonst in diesen Ruf eingestimmt haben! Heute
sagte er nur gedrückt:

Thun Sie wenigstens Ihr Bestes für uns, Herr Doktor -- für mich und
die alte Mühle. Glanz und Gloria käme wohl bei uns zwei immer an die
Unrechten; aber ein gutes Ende bleibt immerdar etwas recht wünschenswertes,
auch für einen, der seinen Knax für alle Zeit weggekriegt hat, wie der alte
Pfister von Pfisters Mühle.

Für alle Zeit sehe ich das Gesicht vor mir, mit welchem Doktor Riechei
jetzt die Thür seiner Schreiberstube (es saß ein einziger drin, und der bis zu
jenem Tage auch nur mehr zur Zierde als zum Nutzen) zuzog, auf den Zehen
zu uns zurückkam und sprach:


Pfisters Mühle.

Morgen zu Ihnen gekommen, und Sie erlauben Wohl, daß ich mir für einen
Augenblick einen Stuhl nehme, deun es will doch nicht mehr ganz so wie
früher fort mit Ihres frühern alten Schoppeuwirts untern Beweggründen. Mein
Junge da hat Ihnen die Papiere mitgebracht, lieber Herr.

Seinen besten, weichsten Sessel schob Rechtsanwalt Doktor Riechei seinem
neuesten Klienten zu, nahm ihm zärtlich Hut und Stock ab und sagte gedehnt
— nicht ohne wirklich freundschaftliche Teilnahme:

Jawohl! ja so! el freilich! hin hin — nicht die größte, aber eine von den
größeren Fragen der Zeit. Deutschlands Ströme und Forellenbäche gegen
Deutschlands Fatal- und andre Stoffe. Germanias grüner Rhein, blaue Donau,
blaugrüner Neckar, gelbe Weser gegen Germanias sonstige Ergießungen. Pfisters
Mühle gegen Krickerode! Und die Papiere für den Spezialfall bringt Ihr so¬
gleich mit, das ist ja sehr schön — na, dann zeigt 'mal her. Setze dich jeden¬
falls aber auch, Sohn Eberhard, so rasch wird das wohl nicht gehen — Kinder,
steckt euch vor allen Dingen erst 'mal eine Zigarre an; — links von deinem
Ellenbogen, würdiges Pennal.

Ich hatte Asches ResumMo in die Hand Riecheis gegeben, und sich von
neuem auf seinen Dreifuß schwingend, fing der an zu blättern.

Eine gute Viertelstunde blätterte er, dann wickelte er plötzlich das Schrift¬
stück in blauer Pappe zu einer Rolle auf, sprang, hoch sie über den etwas kahl
werdenden Scheitel erhebend, in die Mitte seines „Bureaus," klopfte meinen
anscheinend teilnahmlos dasitzenden Vater auf die Schulter und rief:

Und doch — und abermals und — zum drittenmal Vivat Pfisters Mühle,
Vater Pfister! Pereat Krickerode! Das ist ja der Fall, auf den ich seit Jahren
warte, um mich in die Mäuler der Leute zu bringen. Also endlich auch 'mal
ein richtiges Fressen für mich! Wären Sie ein andrer, als Sie sind, Vater
Pfister, so würde ich es Ihnen sicherlich nicht so auf die Nase binden, daß ich
mich hierauf seit Lustren hingehungert habe. Kurzum, diese Sache führe ich,
mit Asche in der Tasche, und zwar glänzend, glorreich und zu einem guten Ende.
Vivat Pfisters Mühle!

Wie würde mein Vater sonst in diesen Ruf eingestimmt haben! Heute
sagte er nur gedrückt:

Thun Sie wenigstens Ihr Bestes für uns, Herr Doktor — für mich und
die alte Mühle. Glanz und Gloria käme wohl bei uns zwei immer an die
Unrechten; aber ein gutes Ende bleibt immerdar etwas recht wünschenswertes,
auch für einen, der seinen Knax für alle Zeit weggekriegt hat, wie der alte
Pfister von Pfisters Mühle.

Für alle Zeit sehe ich das Gesicht vor mir, mit welchem Doktor Riechei
jetzt die Thür seiner Schreiberstube (es saß ein einziger drin, und der bis zu
jenem Tage auch nur mehr zur Zierde als zum Nutzen) zuzog, auf den Zehen
zu uns zurückkam und sprach:


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[0442] Pfisters Mühle. Morgen zu Ihnen gekommen, und Sie erlauben Wohl, daß ich mir für einen Augenblick einen Stuhl nehme, deun es will doch nicht mehr ganz so wie früher fort mit Ihres frühern alten Schoppeuwirts untern Beweggründen. Mein Junge da hat Ihnen die Papiere mitgebracht, lieber Herr. Seinen besten, weichsten Sessel schob Rechtsanwalt Doktor Riechei seinem neuesten Klienten zu, nahm ihm zärtlich Hut und Stock ab und sagte gedehnt — nicht ohne wirklich freundschaftliche Teilnahme: Jawohl! ja so! el freilich! hin hin — nicht die größte, aber eine von den größeren Fragen der Zeit. Deutschlands Ströme und Forellenbäche gegen Deutschlands Fatal- und andre Stoffe. Germanias grüner Rhein, blaue Donau, blaugrüner Neckar, gelbe Weser gegen Germanias sonstige Ergießungen. Pfisters Mühle gegen Krickerode! Und die Papiere für den Spezialfall bringt Ihr so¬ gleich mit, das ist ja sehr schön — na, dann zeigt 'mal her. Setze dich jeden¬ falls aber auch, Sohn Eberhard, so rasch wird das wohl nicht gehen — Kinder, steckt euch vor allen Dingen erst 'mal eine Zigarre an; — links von deinem Ellenbogen, würdiges Pennal. Ich hatte Asches ResumMo in die Hand Riecheis gegeben, und sich von neuem auf seinen Dreifuß schwingend, fing der an zu blättern. Eine gute Viertelstunde blätterte er, dann wickelte er plötzlich das Schrift¬ stück in blauer Pappe zu einer Rolle auf, sprang, hoch sie über den etwas kahl werdenden Scheitel erhebend, in die Mitte seines „Bureaus," klopfte meinen anscheinend teilnahmlos dasitzenden Vater auf die Schulter und rief: Und doch — und abermals und — zum drittenmal Vivat Pfisters Mühle, Vater Pfister! Pereat Krickerode! Das ist ja der Fall, auf den ich seit Jahren warte, um mich in die Mäuler der Leute zu bringen. Also endlich auch 'mal ein richtiges Fressen für mich! Wären Sie ein andrer, als Sie sind, Vater Pfister, so würde ich es Ihnen sicherlich nicht so auf die Nase binden, daß ich mich hierauf seit Lustren hingehungert habe. Kurzum, diese Sache führe ich, mit Asche in der Tasche, und zwar glänzend, glorreich und zu einem guten Ende. Vivat Pfisters Mühle! Wie würde mein Vater sonst in diesen Ruf eingestimmt haben! Heute sagte er nur gedrückt: Thun Sie wenigstens Ihr Bestes für uns, Herr Doktor — für mich und die alte Mühle. Glanz und Gloria käme wohl bei uns zwei immer an die Unrechten; aber ein gutes Ende bleibt immerdar etwas recht wünschenswertes, auch für einen, der seinen Knax für alle Zeit weggekriegt hat, wie der alte Pfister von Pfisters Mühle. Für alle Zeit sehe ich das Gesicht vor mir, mit welchem Doktor Riechei jetzt die Thür seiner Schreiberstube (es saß ein einziger drin, und der bis zu jenem Tage auch nur mehr zur Zierde als zum Nutzen) zuzog, auf den Zehen zu uns zurückkam und sprach:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/442>, abgerufen am 29.12.2024.