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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

keit vorlangend, die nicht meines Vaters Mühlwasser entnommen war. Ich
habe wohl gehört, Herr Doktor --

Recht haben Sie gehört! Alter Praktikus, weshalb haben Sie davon nicht
gleich gesagt? Alle Wetter, selbstverständlich! Lassen Sie riechen -- jawohl,
Vater Pfisters echtester Nordhäuser. Wir brauchen ihm ja das nur zu zeigen,
um ihn gegen jede See von Plagen wenigstens für den Moment mit Wehr und
Waffen auf die Beine zu bringen.

Es verhielt sich leidergottes wirklich so. Der kranke Mensch in dem un¬
seligen, genialen Menschenkinde griff mit einem fast tierischen Laut nach Samses
"Buttel," zog den Inhalt der letztern gierig in sich hinein und -- fühlte sich
wieder als Mensch, wie er sich selber ausdrückte.

Ich gebe dir mein Wort darauf, Eberhardt Pfister, murrte Adam Asche
mir ins Ohr, der Mann geht auch uicht an Krickerode zu Grunde. Ich will es
keine Lüge nennen, wenn er derartiges behauptet, aber er irrt sich unbedingt.
Ich wollte, ich könnte dieses auch von deinem Vater sagen. Nun, komm jetzt
ruhig mit dem Unglück nach; ich werde doch etwas rascher vorausgehen und
dem armen Mädchen ein Wort zur Beruhigung sagen.

Er verschwand im Nebel flußabwärts, und saufe flüsterte schlau, mit
dem Finger an der Nase:

Ebert, ich bin doch nicht umsonst, seit ich vernünftig denken kann, Knappe,
Sommergarten- und Winterpläsir-Gar^on und was sonst so zu unserm Meister
und Anwesen gehört, gewesen! Herr Doktor, na, es ist Ihnen jetzt wohl 'n
bischen besser zu Mute? Also denn, Wenns beliebt, die paar Schritte noch aus¬
halten!.. Ich denke, den Korb mit dem Giftwasser nehmen wir doch lieber
mit, Ebert; -- der Satan trau dem Fabriklervolk da hinter uns, selbst am
hochheiligen Festtage. Es treibt sich immer was von ihnen an unserm ruinirten
Nahrungsquell im Busch und Röhricht um, und wär's auch nur auf dem Au¬
slande nach unserm krepirten Fischstande. Dem Jammervolke muß ja jedwede
Viehseuche, wie Herr Doktor Asche vorhin sagte, reiner Zucker sein. Sie wären
imstande und söffen uns ihre eigne Schandbrühe aus, bloß wegen Vater Pfisters
alten Etiketten an den Flaschen!

Felix Lippoldes hatte weder von dem Gemurr des Chemikers noch von
Samses Zufriedenheit mit sich und seinen klugen Bedenken in betreff Andrer
Notiz genommen; er zitirte aus seinen Dramen und hielt meinen Arm jetzt nur
deshalb fest, um eindringlicher auf mich hineinzitiren zu können. In sonoren
Jamben redete er von Sonnen, Palmen, Zinnen, Türmen, Frauen, Helden und
Heeren, und die Leute, von denen vorhin Adam Asche redete, würden sicherlich
gesagt haben: Wie gut er sich jetzt auf seinen Beinen hält! wenn sie bei uns
gewesen wären unter den Weiden am faulen Strom, auf dem Rückwege von
Krickerode nach Pfisters Mühle. Einige würden sich vielleicht auch des Wortes
"Stelzen" bedient und sich einiges auf den witzigen Doppelsinn zu gute gethan


pfisters Mühle.

keit vorlangend, die nicht meines Vaters Mühlwasser entnommen war. Ich
habe wohl gehört, Herr Doktor —

Recht haben Sie gehört! Alter Praktikus, weshalb haben Sie davon nicht
gleich gesagt? Alle Wetter, selbstverständlich! Lassen Sie riechen — jawohl,
Vater Pfisters echtester Nordhäuser. Wir brauchen ihm ja das nur zu zeigen,
um ihn gegen jede See von Plagen wenigstens für den Moment mit Wehr und
Waffen auf die Beine zu bringen.

Es verhielt sich leidergottes wirklich so. Der kranke Mensch in dem un¬
seligen, genialen Menschenkinde griff mit einem fast tierischen Laut nach Samses
„Buttel," zog den Inhalt der letztern gierig in sich hinein und — fühlte sich
wieder als Mensch, wie er sich selber ausdrückte.

Ich gebe dir mein Wort darauf, Eberhardt Pfister, murrte Adam Asche
mir ins Ohr, der Mann geht auch uicht an Krickerode zu Grunde. Ich will es
keine Lüge nennen, wenn er derartiges behauptet, aber er irrt sich unbedingt.
Ich wollte, ich könnte dieses auch von deinem Vater sagen. Nun, komm jetzt
ruhig mit dem Unglück nach; ich werde doch etwas rascher vorausgehen und
dem armen Mädchen ein Wort zur Beruhigung sagen.

Er verschwand im Nebel flußabwärts, und saufe flüsterte schlau, mit
dem Finger an der Nase:

Ebert, ich bin doch nicht umsonst, seit ich vernünftig denken kann, Knappe,
Sommergarten- und Winterpläsir-Gar^on und was sonst so zu unserm Meister
und Anwesen gehört, gewesen! Herr Doktor, na, es ist Ihnen jetzt wohl 'n
bischen besser zu Mute? Also denn, Wenns beliebt, die paar Schritte noch aus¬
halten!.. Ich denke, den Korb mit dem Giftwasser nehmen wir doch lieber
mit, Ebert; — der Satan trau dem Fabriklervolk da hinter uns, selbst am
hochheiligen Festtage. Es treibt sich immer was von ihnen an unserm ruinirten
Nahrungsquell im Busch und Röhricht um, und wär's auch nur auf dem Au¬
slande nach unserm krepirten Fischstande. Dem Jammervolke muß ja jedwede
Viehseuche, wie Herr Doktor Asche vorhin sagte, reiner Zucker sein. Sie wären
imstande und söffen uns ihre eigne Schandbrühe aus, bloß wegen Vater Pfisters
alten Etiketten an den Flaschen!

Felix Lippoldes hatte weder von dem Gemurr des Chemikers noch von
Samses Zufriedenheit mit sich und seinen klugen Bedenken in betreff Andrer
Notiz genommen; er zitirte aus seinen Dramen und hielt meinen Arm jetzt nur
deshalb fest, um eindringlicher auf mich hineinzitiren zu können. In sonoren
Jamben redete er von Sonnen, Palmen, Zinnen, Türmen, Frauen, Helden und
Heeren, und die Leute, von denen vorhin Adam Asche redete, würden sicherlich
gesagt haben: Wie gut er sich jetzt auf seinen Beinen hält! wenn sie bei uns
gewesen wären unter den Weiden am faulen Strom, auf dem Rückwege von
Krickerode nach Pfisters Mühle. Einige würden sich vielleicht auch des Wortes
„Stelzen" bedient und sich einiges auf den witzigen Doppelsinn zu gute gethan


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/434>, abgerufen am 29.12.2024.