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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Sachsens Runstleben im sechzehnten Jahrhundert.

mit Abbildung ihrer zierlichen Behältnisse auf 44 Blättern. Sie sind nach acht
Gängen geordnet, in welchen man sie dem gläubigen Volke zu zeigen pflegte.
Der erste Gang umfaßte die Reliquien der heiligen Jungfrauen, der zweite die
der heiligen Witwen, der dritte die der "Beichtiger," der vierte und fünfte die
der Märtyrer, der sechste die der Apostel und Evangelisten, der siebente die der Pa¬
triarchen und Propheten, der achte die angeblich von Christus selbst stammenden.

Während so die Kirche allmählich ihrer Vollendung entgegenging, wurde
auch am Neubau des Schlosses rüstig weiter gearbeitet, sodaß es im Jahre
1518 vollendet war. Aber auch die andern Schlösser des sächsischen Landes,
Lochau, Colditz, Weimar, Coburg, hielt Friedrich sorgsam in Stand. Er hat,
wie Spalatin sagt, "zuweilen wol an dreien oder vier Enden auf einmal gebauet.
Denn er war ein friedlicher Fürst und der es dafür hielt, daß man vielen
armen leuten damit dienet, wenn man bauet."

Dennoch finden wir seit der Vollendung der Schloßkirche einen gewissen
Stillstand der künstlerischen Thätigkeit in Sachsen. Die Gewitterschwüle, die
den großen Stürmen der folgenden Jahre voranging, lag lähmend auf dem
Lande. Und es dauerte nicht lange, so erdröhnten die Niesenhammerschläge,
welche die Kirche des Mittelalters in Trümmer schlugen. Ein folgenschweres
Ereignis kam nach dem andern. Bald nach dem Anschlag der Thesen, im
Jahre 1519, erfolgte der Tod Kaiser Maximilians, und abermals bald darauf
begannen mit dem Bauernkriege die Verwirrungen in Deutschland, die von nun
an während der nächsten Jahrhunderte nicht enden sollten. Noch einmal, im
Jahre 1523, kam Friedrich auf dem letzten Reichstage zu Nürnberg mit Dürer
zusammen, der damals die Zeichnung zu dem herrlichen Kupferstiche von 1524
anfertigte. Aber es war das letztemal. Der Fürst, den Dürer "ob der Gunst,
die er dem Worte Gottes angedeihen ließ, für würdig hielt, von aller Nach¬
welt verehrt zu werden," sollte den Anbruch der neuen Zeit nicht mehr erleben.
In einem stillen, einsamen Gemache seines Jagdschlosses zu Lochau verschied er
am 5. Mai 1525. Cranach hat in treuer Erinnerung dem Heimgegangenen
Fürsten noch eine Reihe von Bildern gewidmet. Eines, ein vorzügliches Brust¬
bild mit der Jahreszahl 1525, befindet sich in der deffcmischen Galerie zu
Wörlitz, ein zweites besonders schönes mit der Jahreszahl 1527 im großherzog¬
lichen Museum zu Darmstadt.

Friedrichs Bruder, Johann der Beständige (1525 -- 1532), der uns in
einem Cranachschen Porträt aus dem Jahre 1526 vorgeführt wird, fand wäh¬
rend seiner kurzen Regierung wenig Zeit, die Kunstbestrebungen seines Vor¬
gängers aufzunehmen. Zu nennen ist nur das eherne Standbild mit der von
Melanchthon gedichteten Inschrift, das er im Jahre 1527 seineni Bruder von
Peter Bischer in der Wittenberger Schloßkirche errichten ließ. Friedrich ist hier
im fürstlichen Schmucke des faltenreichen Hermelinmantels, auf dem Haupte den
Kurhut, dargestellt und hält mit beiden Händen das schwere Reichsschwert.


Sachsens Runstleben im sechzehnten Jahrhundert.

mit Abbildung ihrer zierlichen Behältnisse auf 44 Blättern. Sie sind nach acht
Gängen geordnet, in welchen man sie dem gläubigen Volke zu zeigen pflegte.
Der erste Gang umfaßte die Reliquien der heiligen Jungfrauen, der zweite die
der heiligen Witwen, der dritte die der „Beichtiger," der vierte und fünfte die
der Märtyrer, der sechste die der Apostel und Evangelisten, der siebente die der Pa¬
triarchen und Propheten, der achte die angeblich von Christus selbst stammenden.

Während so die Kirche allmählich ihrer Vollendung entgegenging, wurde
auch am Neubau des Schlosses rüstig weiter gearbeitet, sodaß es im Jahre
1518 vollendet war. Aber auch die andern Schlösser des sächsischen Landes,
Lochau, Colditz, Weimar, Coburg, hielt Friedrich sorgsam in Stand. Er hat,
wie Spalatin sagt, „zuweilen wol an dreien oder vier Enden auf einmal gebauet.
Denn er war ein friedlicher Fürst und der es dafür hielt, daß man vielen
armen leuten damit dienet, wenn man bauet."

Dennoch finden wir seit der Vollendung der Schloßkirche einen gewissen
Stillstand der künstlerischen Thätigkeit in Sachsen. Die Gewitterschwüle, die
den großen Stürmen der folgenden Jahre voranging, lag lähmend auf dem
Lande. Und es dauerte nicht lange, so erdröhnten die Niesenhammerschläge,
welche die Kirche des Mittelalters in Trümmer schlugen. Ein folgenschweres
Ereignis kam nach dem andern. Bald nach dem Anschlag der Thesen, im
Jahre 1519, erfolgte der Tod Kaiser Maximilians, und abermals bald darauf
begannen mit dem Bauernkriege die Verwirrungen in Deutschland, die von nun
an während der nächsten Jahrhunderte nicht enden sollten. Noch einmal, im
Jahre 1523, kam Friedrich auf dem letzten Reichstage zu Nürnberg mit Dürer
zusammen, der damals die Zeichnung zu dem herrlichen Kupferstiche von 1524
anfertigte. Aber es war das letztemal. Der Fürst, den Dürer „ob der Gunst,
die er dem Worte Gottes angedeihen ließ, für würdig hielt, von aller Nach¬
welt verehrt zu werden," sollte den Anbruch der neuen Zeit nicht mehr erleben.
In einem stillen, einsamen Gemache seines Jagdschlosses zu Lochau verschied er
am 5. Mai 1525. Cranach hat in treuer Erinnerung dem Heimgegangenen
Fürsten noch eine Reihe von Bildern gewidmet. Eines, ein vorzügliches Brust¬
bild mit der Jahreszahl 1525, befindet sich in der deffcmischen Galerie zu
Wörlitz, ein zweites besonders schönes mit der Jahreszahl 1527 im großherzog¬
lichen Museum zu Darmstadt.

Friedrichs Bruder, Johann der Beständige (1525 — 1532), der uns in
einem Cranachschen Porträt aus dem Jahre 1526 vorgeführt wird, fand wäh¬
rend seiner kurzen Regierung wenig Zeit, die Kunstbestrebungen seines Vor¬
gängers aufzunehmen. Zu nennen ist nur das eherne Standbild mit der von
Melanchthon gedichteten Inschrift, das er im Jahre 1527 seineni Bruder von
Peter Bischer in der Wittenberger Schloßkirche errichten ließ. Friedrich ist hier
im fürstlichen Schmucke des faltenreichen Hermelinmantels, auf dem Haupte den
Kurhut, dargestellt und hält mit beiden Händen das schwere Reichsschwert.


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[0034] Sachsens Runstleben im sechzehnten Jahrhundert. mit Abbildung ihrer zierlichen Behältnisse auf 44 Blättern. Sie sind nach acht Gängen geordnet, in welchen man sie dem gläubigen Volke zu zeigen pflegte. Der erste Gang umfaßte die Reliquien der heiligen Jungfrauen, der zweite die der heiligen Witwen, der dritte die der „Beichtiger," der vierte und fünfte die der Märtyrer, der sechste die der Apostel und Evangelisten, der siebente die der Pa¬ triarchen und Propheten, der achte die angeblich von Christus selbst stammenden. Während so die Kirche allmählich ihrer Vollendung entgegenging, wurde auch am Neubau des Schlosses rüstig weiter gearbeitet, sodaß es im Jahre 1518 vollendet war. Aber auch die andern Schlösser des sächsischen Landes, Lochau, Colditz, Weimar, Coburg, hielt Friedrich sorgsam in Stand. Er hat, wie Spalatin sagt, „zuweilen wol an dreien oder vier Enden auf einmal gebauet. Denn er war ein friedlicher Fürst und der es dafür hielt, daß man vielen armen leuten damit dienet, wenn man bauet." Dennoch finden wir seit der Vollendung der Schloßkirche einen gewissen Stillstand der künstlerischen Thätigkeit in Sachsen. Die Gewitterschwüle, die den großen Stürmen der folgenden Jahre voranging, lag lähmend auf dem Lande. Und es dauerte nicht lange, so erdröhnten die Niesenhammerschläge, welche die Kirche des Mittelalters in Trümmer schlugen. Ein folgenschweres Ereignis kam nach dem andern. Bald nach dem Anschlag der Thesen, im Jahre 1519, erfolgte der Tod Kaiser Maximilians, und abermals bald darauf begannen mit dem Bauernkriege die Verwirrungen in Deutschland, die von nun an während der nächsten Jahrhunderte nicht enden sollten. Noch einmal, im Jahre 1523, kam Friedrich auf dem letzten Reichstage zu Nürnberg mit Dürer zusammen, der damals die Zeichnung zu dem herrlichen Kupferstiche von 1524 anfertigte. Aber es war das letztemal. Der Fürst, den Dürer „ob der Gunst, die er dem Worte Gottes angedeihen ließ, für würdig hielt, von aller Nach¬ welt verehrt zu werden," sollte den Anbruch der neuen Zeit nicht mehr erleben. In einem stillen, einsamen Gemache seines Jagdschlosses zu Lochau verschied er am 5. Mai 1525. Cranach hat in treuer Erinnerung dem Heimgegangenen Fürsten noch eine Reihe von Bildern gewidmet. Eines, ein vorzügliches Brust¬ bild mit der Jahreszahl 1525, befindet sich in der deffcmischen Galerie zu Wörlitz, ein zweites besonders schönes mit der Jahreszahl 1527 im großherzog¬ lichen Museum zu Darmstadt. Friedrichs Bruder, Johann der Beständige (1525 — 1532), der uns in einem Cranachschen Porträt aus dem Jahre 1526 vorgeführt wird, fand wäh¬ rend seiner kurzen Regierung wenig Zeit, die Kunstbestrebungen seines Vor¬ gängers aufzunehmen. Zu nennen ist nur das eherne Standbild mit der von Melanchthon gedichteten Inschrift, das er im Jahre 1527 seineni Bruder von Peter Bischer in der Wittenberger Schloßkirche errichten ließ. Friedrich ist hier im fürstlichen Schmucke des faltenreichen Hermelinmantels, auf dem Haupte den Kurhut, dargestellt und hält mit beiden Händen das schwere Reichsschwert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/34>, abgerufen am 29.12.2024.