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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten.

nicht imstande, die Verallgemeinerung der Versicherungsnahme und damit die
Ausdehnung der Wohlthaten derselben auf den kleinen Mann zu erreichen, ja
sie streben garnicht darnach, sie wollen lediglich möglichst hohen Gewinn ein¬
heimsen, mögen sie das auch leugnen oder beschönigen, und sie erreichen auch
in der Regel, was sie bezwecken.

Einige Feuerversicherungsgesellschaften haben den in dem anfangs erwähnten
Reskripte gegen sie erhobenen Vorwurf des zu hohen Geschäftsgewinnes mit
sittlicher Entrüstung zurückgewiesen, aber die regelmäßigen in den Zeitungen
zu lesenden Übersichten und Bilanzen der Gesellschaften bestätigen den Vorwurf.
Die Elberfelder, die Leipziger, die Kölnische, die Aachen-Münchener Gesellschaft
und der Frankfurter Phönix hatten 1882 bei einer Prämieneinnahme von
14 993 096 Mark einen Gewinn von 6 086 805 Mark, und dabei stellte sich
die Dividende 1881 für die Elberfelder auf 37^/z, für die Leipziger auf 50,
für die Kölner auf 55, für den Phönix auf 56 und für die Aachen-Münchener
Gesellschaft auf 70 Prozent, wobei noch zu bemerken ist, daß eine Aktie der
letzteren zu 1000 Thalern jetzt einen Kurs von 8200 Mark hat. Der an¬
gegebene Gewinn der genannten fünf Gesellschaften ist allerdings nicht reiner
Prämiengewinn, er repräsentirt anch die Zinsen für das Aktienkapital, aber
immerhin beträgt der Prämiengewinn allein 3 370 000 Mark, d. h. pro Jahr
und Gesellschaft die sehr respektable Summe von 674 000 Mark. Entgegnet
man, hier seien willkürlich fünf der größten Gesellschaften herausgegriffen, so
läßt sich darauf erwiedern, daß noch gleich bedeutende Sozietäten, z. B. die
Magdeburger, die Schlesische, die Gladbacher, vorhanden sind, und daß die vierzehn
in einen Verband zusammengetretenen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften, die
sich gegen das Bismarcksche Reskript verwahrten, im Jahre 1882 eine Prämien¬
einnahme von 35 189 946 und einen Gewinn von 8 508 337 Mark erzielten.
Berücksichtigen wir auch hier die Zinsen des Aktienkapitals, so ist doch nicht
außer Acht zu lassen, daß so hoher Gewinn möglich war, trotzdem daß die
Prämien neben den Schäden auch die Unkosten zu decken hatten. Schon die
Hälfte jener vierzehn Gesellschaften nämlich zahlte 1882 an Provisionen allein
über 4 600 000, an sonstigen Verwaltungskosten über 3 Millionen Mark, wozu
noch die sehr bedeutenden Ausgaben für Rückversicherungen traten. Wäre es
auch richtig, was die Verbandsgesellschaften behauptet haben, daß der aus den
Prämieneinnahmen herrührende Teil der Dividende für sie alle nach dreijährigem
Durchschnitte nur 2 000 305 Mark betrage, so muß gleichwohl eine Prämie
hoch genannt werden, die so riesige Lasten trägt und dennoch erheblichen Gewinn
abwirft. "Die Aktiengesellschaften sind also sehr teure Versicherungsanstalten.
Sie sind es nicht nur für den Einzelnen, sie sind es für das ganze Volk.
Abgesehen von den hohen Verwaltungskosten, liegt in den kolossalen Ausgaben
sür Provisionen, die alle Versicherten zu tragen haben, geradezu eine Ver¬
geudung von Nationaleigentum,... während der Gewinn der Aktionäre sich als


Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten.

nicht imstande, die Verallgemeinerung der Versicherungsnahme und damit die
Ausdehnung der Wohlthaten derselben auf den kleinen Mann zu erreichen, ja
sie streben garnicht darnach, sie wollen lediglich möglichst hohen Gewinn ein¬
heimsen, mögen sie das auch leugnen oder beschönigen, und sie erreichen auch
in der Regel, was sie bezwecken.

Einige Feuerversicherungsgesellschaften haben den in dem anfangs erwähnten
Reskripte gegen sie erhobenen Vorwurf des zu hohen Geschäftsgewinnes mit
sittlicher Entrüstung zurückgewiesen, aber die regelmäßigen in den Zeitungen
zu lesenden Übersichten und Bilanzen der Gesellschaften bestätigen den Vorwurf.
Die Elberfelder, die Leipziger, die Kölnische, die Aachen-Münchener Gesellschaft
und der Frankfurter Phönix hatten 1882 bei einer Prämieneinnahme von
14 993 096 Mark einen Gewinn von 6 086 805 Mark, und dabei stellte sich
die Dividende 1881 für die Elberfelder auf 37^/z, für die Leipziger auf 50,
für die Kölner auf 55, für den Phönix auf 56 und für die Aachen-Münchener
Gesellschaft auf 70 Prozent, wobei noch zu bemerken ist, daß eine Aktie der
letzteren zu 1000 Thalern jetzt einen Kurs von 8200 Mark hat. Der an¬
gegebene Gewinn der genannten fünf Gesellschaften ist allerdings nicht reiner
Prämiengewinn, er repräsentirt anch die Zinsen für das Aktienkapital, aber
immerhin beträgt der Prämiengewinn allein 3 370 000 Mark, d. h. pro Jahr
und Gesellschaft die sehr respektable Summe von 674 000 Mark. Entgegnet
man, hier seien willkürlich fünf der größten Gesellschaften herausgegriffen, so
läßt sich darauf erwiedern, daß noch gleich bedeutende Sozietäten, z. B. die
Magdeburger, die Schlesische, die Gladbacher, vorhanden sind, und daß die vierzehn
in einen Verband zusammengetretenen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften, die
sich gegen das Bismarcksche Reskript verwahrten, im Jahre 1882 eine Prämien¬
einnahme von 35 189 946 und einen Gewinn von 8 508 337 Mark erzielten.
Berücksichtigen wir auch hier die Zinsen des Aktienkapitals, so ist doch nicht
außer Acht zu lassen, daß so hoher Gewinn möglich war, trotzdem daß die
Prämien neben den Schäden auch die Unkosten zu decken hatten. Schon die
Hälfte jener vierzehn Gesellschaften nämlich zahlte 1882 an Provisionen allein
über 4 600 000, an sonstigen Verwaltungskosten über 3 Millionen Mark, wozu
noch die sehr bedeutenden Ausgaben für Rückversicherungen traten. Wäre es
auch richtig, was die Verbandsgesellschaften behauptet haben, daß der aus den
Prämieneinnahmen herrührende Teil der Dividende für sie alle nach dreijährigem
Durchschnitte nur 2 000 305 Mark betrage, so muß gleichwohl eine Prämie
hoch genannt werden, die so riesige Lasten trägt und dennoch erheblichen Gewinn
abwirft. „Die Aktiengesellschaften sind also sehr teure Versicherungsanstalten.
Sie sind es nicht nur für den Einzelnen, sie sind es für das ganze Volk.
Abgesehen von den hohen Verwaltungskosten, liegt in den kolossalen Ausgaben
sür Provisionen, die alle Versicherten zu tragen haben, geradezu eine Ver¬
geudung von Nationaleigentum,... während der Gewinn der Aktionäre sich als


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[0311] Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten. nicht imstande, die Verallgemeinerung der Versicherungsnahme und damit die Ausdehnung der Wohlthaten derselben auf den kleinen Mann zu erreichen, ja sie streben garnicht darnach, sie wollen lediglich möglichst hohen Gewinn ein¬ heimsen, mögen sie das auch leugnen oder beschönigen, und sie erreichen auch in der Regel, was sie bezwecken. Einige Feuerversicherungsgesellschaften haben den in dem anfangs erwähnten Reskripte gegen sie erhobenen Vorwurf des zu hohen Geschäftsgewinnes mit sittlicher Entrüstung zurückgewiesen, aber die regelmäßigen in den Zeitungen zu lesenden Übersichten und Bilanzen der Gesellschaften bestätigen den Vorwurf. Die Elberfelder, die Leipziger, die Kölnische, die Aachen-Münchener Gesellschaft und der Frankfurter Phönix hatten 1882 bei einer Prämieneinnahme von 14 993 096 Mark einen Gewinn von 6 086 805 Mark, und dabei stellte sich die Dividende 1881 für die Elberfelder auf 37^/z, für die Leipziger auf 50, für die Kölner auf 55, für den Phönix auf 56 und für die Aachen-Münchener Gesellschaft auf 70 Prozent, wobei noch zu bemerken ist, daß eine Aktie der letzteren zu 1000 Thalern jetzt einen Kurs von 8200 Mark hat. Der an¬ gegebene Gewinn der genannten fünf Gesellschaften ist allerdings nicht reiner Prämiengewinn, er repräsentirt anch die Zinsen für das Aktienkapital, aber immerhin beträgt der Prämiengewinn allein 3 370 000 Mark, d. h. pro Jahr und Gesellschaft die sehr respektable Summe von 674 000 Mark. Entgegnet man, hier seien willkürlich fünf der größten Gesellschaften herausgegriffen, so läßt sich darauf erwiedern, daß noch gleich bedeutende Sozietäten, z. B. die Magdeburger, die Schlesische, die Gladbacher, vorhanden sind, und daß die vierzehn in einen Verband zusammengetretenen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften, die sich gegen das Bismarcksche Reskript verwahrten, im Jahre 1882 eine Prämien¬ einnahme von 35 189 946 und einen Gewinn von 8 508 337 Mark erzielten. Berücksichtigen wir auch hier die Zinsen des Aktienkapitals, so ist doch nicht außer Acht zu lassen, daß so hoher Gewinn möglich war, trotzdem daß die Prämien neben den Schäden auch die Unkosten zu decken hatten. Schon die Hälfte jener vierzehn Gesellschaften nämlich zahlte 1882 an Provisionen allein über 4 600 000, an sonstigen Verwaltungskosten über 3 Millionen Mark, wozu noch die sehr bedeutenden Ausgaben für Rückversicherungen traten. Wäre es auch richtig, was die Verbandsgesellschaften behauptet haben, daß der aus den Prämieneinnahmen herrührende Teil der Dividende für sie alle nach dreijährigem Durchschnitte nur 2 000 305 Mark betrage, so muß gleichwohl eine Prämie hoch genannt werden, die so riesige Lasten trägt und dennoch erheblichen Gewinn abwirft. „Die Aktiengesellschaften sind also sehr teure Versicherungsanstalten. Sie sind es nicht nur für den Einzelnen, sie sind es für das ganze Volk. Abgesehen von den hohen Verwaltungskosten, liegt in den kolossalen Ausgaben sür Provisionen, die alle Versicherten zu tragen haben, geradezu eine Ver¬ geudung von Nationaleigentum,... während der Gewinn der Aktionäre sich als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/311>, abgerufen am 29.12.2024.