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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Englische Sünden in Irland.

ein Lied zu singen, das gen Himmel schrie, und Canada wurde bis vor einigen
Jahrzehnten von der britischen "Mutter" gleichermaßen als Stieftochter be¬
handelt. Und Leute, die soviel Werch am Rocken haben, unterstehen sich, über
Preußens Verhalten gegen seine Unterthanen in Nordschleswig Klage zu führen
und Europa dagegen anzurufen! Die Engländer haben in Irland wiederholt
und noch in diesem Jahrhundert gehaust wie Vandalen und Mongolen, sie
haben das irische Volk, gedrückt und geschädigt nach Möglichkeit, ihm seinen
Grundbesitz geraubt und nochmals und zum dritten male geraubt, es auf dem
Gebiete der Industrie und des Handels zu ihren gunsten aufs schwerste beein¬
trächtigt und Hunderttausende gezwungen, nach dem Bettelstabe zu greifen und
am Hungertuche zu nagen oder auszuwandern. Sie haben endlich die Religion
der Jrländer in empörender Weise verfolgt und zu unterdrücken versucht, und
zwar nicht bloß aus Fanatismus, sondern und unzweifelhaft vorwiegend aus
Egoismus, aus Gier nach guten Pfründen für hochkirchliche Reverends. Kann
uns die lirass auch nur zu einer dieser Sünden John Bulls ein Seitenstück
aus der deutschen Herrschaft in Nordschleswig, ja nur etwas entfernt ähnliches
zeigen? Sie weiß durchaus nichts der Art. Sie weiß überhaupt nichts är¬
geres von dort zu berichten, als daß eine Anzahl Leute, die aus Gründen,
über die sie selbst nicht recht klar sind, gern dänische Unterthanen hießen, durch
klares Kriegsrecht, dem die Kopenhagener Demokratie unklug den Weg bahnte,
Bürger des preußischen Staates und Angehörige des deutschen Reiches geworden
sind. Weiteres Unheil ist ihnen absolut nicht widerfahren, und es giebt dies¬
seits und jenseits der "südjütischen" Grenze, die selbst die von der Aufs ge¬
pachtete Weisheit nicht mit politisch brauchbarer Genauigkeit zu ziehen imstande
sein wird, ganz verständige Köpfe, die darin gar kein Unheil zu erblicken ver¬
mögen.

Kurz, es ist mehr als Dreistigkeit, es ist Dummdreistigkeit von dem
Cityblatte, wenn es solche Artikel in die Welt schickt. Es hat sich damit, wie
schon oft in den letzten Jahren, einfach lächerlich gemacht, und mit bestem Fug
und Recht antwortet auf das Gefasel die "norddeutsche Allgemeine Zeitung"
nach einer Darstellung der wirklichen Sachlage im Norden Schleswigs: "Das
Cityblatt wird uns zugeben, daß in Nordschleswig das Joch der Fremdherrschaft
ein außerordentlich mildes ist, im Vergleich mit dem in Irland notwendig ge¬
wordenen, und wenn man die Leiden der Unterdrückten nach dem Maße ihrer
Reaktion dagegen beurteilt, so machen wir die Minieh darauf aufmerksam, daß
die Erscheinung agrarischer Mordthaten, der Ermordung von Polizisten und
hohen Beamten und alles dessen, was unter den Begriff Lo^oottiriA fällt, im
deutschen Reiche unerhört ist." Das offiziöse Organ des Reichskanzlers meint
schließlich, nicht bloß Irland verdiene das Mitgefühl Europas in weit höherem
Grade als Nordschleswig, auch anderwärts im Bereiche der britischen Macht¬
sphäre finde es Gelegenheit, sich zu bethätigen. Wir setzen hinzu: überall, wo


Englische Sünden in Irland.

ein Lied zu singen, das gen Himmel schrie, und Canada wurde bis vor einigen
Jahrzehnten von der britischen „Mutter" gleichermaßen als Stieftochter be¬
handelt. Und Leute, die soviel Werch am Rocken haben, unterstehen sich, über
Preußens Verhalten gegen seine Unterthanen in Nordschleswig Klage zu führen
und Europa dagegen anzurufen! Die Engländer haben in Irland wiederholt
und noch in diesem Jahrhundert gehaust wie Vandalen und Mongolen, sie
haben das irische Volk, gedrückt und geschädigt nach Möglichkeit, ihm seinen
Grundbesitz geraubt und nochmals und zum dritten male geraubt, es auf dem
Gebiete der Industrie und des Handels zu ihren gunsten aufs schwerste beein¬
trächtigt und Hunderttausende gezwungen, nach dem Bettelstabe zu greifen und
am Hungertuche zu nagen oder auszuwandern. Sie haben endlich die Religion
der Jrländer in empörender Weise verfolgt und zu unterdrücken versucht, und
zwar nicht bloß aus Fanatismus, sondern und unzweifelhaft vorwiegend aus
Egoismus, aus Gier nach guten Pfründen für hochkirchliche Reverends. Kann
uns die lirass auch nur zu einer dieser Sünden John Bulls ein Seitenstück
aus der deutschen Herrschaft in Nordschleswig, ja nur etwas entfernt ähnliches
zeigen? Sie weiß durchaus nichts der Art. Sie weiß überhaupt nichts är¬
geres von dort zu berichten, als daß eine Anzahl Leute, die aus Gründen,
über die sie selbst nicht recht klar sind, gern dänische Unterthanen hießen, durch
klares Kriegsrecht, dem die Kopenhagener Demokratie unklug den Weg bahnte,
Bürger des preußischen Staates und Angehörige des deutschen Reiches geworden
sind. Weiteres Unheil ist ihnen absolut nicht widerfahren, und es giebt dies¬
seits und jenseits der „südjütischen" Grenze, die selbst die von der Aufs ge¬
pachtete Weisheit nicht mit politisch brauchbarer Genauigkeit zu ziehen imstande
sein wird, ganz verständige Köpfe, die darin gar kein Unheil zu erblicken ver¬
mögen.

Kurz, es ist mehr als Dreistigkeit, es ist Dummdreistigkeit von dem
Cityblatte, wenn es solche Artikel in die Welt schickt. Es hat sich damit, wie
schon oft in den letzten Jahren, einfach lächerlich gemacht, und mit bestem Fug
und Recht antwortet auf das Gefasel die „norddeutsche Allgemeine Zeitung"
nach einer Darstellung der wirklichen Sachlage im Norden Schleswigs: „Das
Cityblatt wird uns zugeben, daß in Nordschleswig das Joch der Fremdherrschaft
ein außerordentlich mildes ist, im Vergleich mit dem in Irland notwendig ge¬
wordenen, und wenn man die Leiden der Unterdrückten nach dem Maße ihrer
Reaktion dagegen beurteilt, so machen wir die Minieh darauf aufmerksam, daß
die Erscheinung agrarischer Mordthaten, der Ermordung von Polizisten und
hohen Beamten und alles dessen, was unter den Begriff Lo^oottiriA fällt, im
deutschen Reiche unerhört ist." Das offiziöse Organ des Reichskanzlers meint
schließlich, nicht bloß Irland verdiene das Mitgefühl Europas in weit höherem
Grade als Nordschleswig, auch anderwärts im Bereiche der britischen Macht¬
sphäre finde es Gelegenheit, sich zu bethätigen. Wir setzen hinzu: überall, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/224>, abgerufen am 29.12.2024.