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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

Sie sind es, Vater Pfister? Und der Junge auch? Na -- dann kommt
nur herein und machen Sie auch die Thür zu, wenn das Ihnen lieber ist.

Den Teufel auch! ächzte der alte Herr von Pfisters Mühle. Aber
Asche -- Doktor -- Herr Doktor --

Doktor Asche ließ sich gegenwärtig nicht so rasch stören, wie es für unsern
freien Atem wünschenswert sein mochte.

Mit einem laugen hölzernen Löffel fuhr er in den Kessel vor ihm, ver¬
mehrte durch längeres Suchen und Rühren Gedämpf und Geduft um ein Erkleck¬
liches, holte ein unheimliches Etwas empor, packte das brühheiße scheußliche
mit abgehärtet verwogener Gelehrtenfaust, hielt es, ließ den stinkgiftigen Sud
abtrciufen und sprach wie mit bescheidener Ergebung unter die eben vom
Genius auferlegte Last eines ewigen guten Rufes und unsterblichen Namens:

Meine Herren, Sie kommen zu einem großen Moment gerade recht! Ich
glaube wirklich in diesem Augenblick sagen zu dürfein Bitte, treten Sie leise
auf! . . . Vater Pfister halten Sie sich die Nase zu; aber stören Sie gefälligst
das Mysterium nicht. Und du Bengel -- ich meine dich, Eberhard Pfister,
mein Zögling und mein Freund, tritt heran, glücklicherer Jüngling von Sais,
werde mir bleich, aber nicht besinnungslos -- ekle dich meinetwegen morgen
mehr und soviel du willst, doch gegenwärtig beuge in schaudernder Ehrfurcht
dein Knie: so geht man im zweiten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts zur
Wahrheit! ...

Jedenfalls ging er mir um den Herd herum zwei Schritte näher, schlug
mir den triefenden furchtbaren Lappen, den Fetzen vom Schleier der Isis fast
ums Gesicht und grinste:


Gewichtiger, mein Sohn, als du es meinst,
Ist dieser dünne Flor -- für deine Hand
Zwar leicht, doch zentnerschwer für meinen -- Beutel;

ich meine, Sie meine Herren bei der in diesem Raume obwaltenden Atmosphäre
nicht darauf weiter hinweisen zu dürfen, daß es keine Kleinigkeit ist, der Natur
nicht aus dem Tempel zu laufen, sondern den Stein der Weisen weiter zu
suchen auch auf die Gefahr hin, ihn wieder nicht zu finden.

Vater Pfister, der seit längerer Zeit von seiner Mühle doch schon an
allerlei obwaltende Atmosphäre gewöhnt war, kam vor Atmungsbeschwerden
noch immer nicht dazu, die nötige Frage zu stellen. Ich brachte es zu dem
gekeuchten Wort:

Ich bitte dich um alles in der Welt, Asche -- doch Doktor Asche ließ sich
fürs Erste noch nicht stören.

Er hielt jetzt sein geheimnisvolles Gewandstück zwischen beiden Fäusten.
Er wrang es aus zwischen beiden Knieen -- schweißtriefend. Er entfaltete es,
hielt es gegen eine trübe Petroleumflamme, rollte wie wütend es noch einmal
zusammen und rang von neuem mit ihm, wie der Mensch eben mit der alten


pfisters Mühle.

Sie sind es, Vater Pfister? Und der Junge auch? Na — dann kommt
nur herein und machen Sie auch die Thür zu, wenn das Ihnen lieber ist.

Den Teufel auch! ächzte der alte Herr von Pfisters Mühle. Aber
Asche — Doktor — Herr Doktor —

Doktor Asche ließ sich gegenwärtig nicht so rasch stören, wie es für unsern
freien Atem wünschenswert sein mochte.

Mit einem laugen hölzernen Löffel fuhr er in den Kessel vor ihm, ver¬
mehrte durch längeres Suchen und Rühren Gedämpf und Geduft um ein Erkleck¬
liches, holte ein unheimliches Etwas empor, packte das brühheiße scheußliche
mit abgehärtet verwogener Gelehrtenfaust, hielt es, ließ den stinkgiftigen Sud
abtrciufen und sprach wie mit bescheidener Ergebung unter die eben vom
Genius auferlegte Last eines ewigen guten Rufes und unsterblichen Namens:

Meine Herren, Sie kommen zu einem großen Moment gerade recht! Ich
glaube wirklich in diesem Augenblick sagen zu dürfein Bitte, treten Sie leise
auf! . . . Vater Pfister halten Sie sich die Nase zu; aber stören Sie gefälligst
das Mysterium nicht. Und du Bengel — ich meine dich, Eberhard Pfister,
mein Zögling und mein Freund, tritt heran, glücklicherer Jüngling von Sais,
werde mir bleich, aber nicht besinnungslos — ekle dich meinetwegen morgen
mehr und soviel du willst, doch gegenwärtig beuge in schaudernder Ehrfurcht
dein Knie: so geht man im zweiten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts zur
Wahrheit! ...

Jedenfalls ging er mir um den Herd herum zwei Schritte näher, schlug
mir den triefenden furchtbaren Lappen, den Fetzen vom Schleier der Isis fast
ums Gesicht und grinste:


Gewichtiger, mein Sohn, als du es meinst,
Ist dieser dünne Flor — für deine Hand
Zwar leicht, doch zentnerschwer für meinen — Beutel;

ich meine, Sie meine Herren bei der in diesem Raume obwaltenden Atmosphäre
nicht darauf weiter hinweisen zu dürfen, daß es keine Kleinigkeit ist, der Natur
nicht aus dem Tempel zu laufen, sondern den Stein der Weisen weiter zu
suchen auch auf die Gefahr hin, ihn wieder nicht zu finden.

Vater Pfister, der seit längerer Zeit von seiner Mühle doch schon an
allerlei obwaltende Atmosphäre gewöhnt war, kam vor Atmungsbeschwerden
noch immer nicht dazu, die nötige Frage zu stellen. Ich brachte es zu dem
gekeuchten Wort:

Ich bitte dich um alles in der Welt, Asche — doch Doktor Asche ließ sich
fürs Erste noch nicht stören.

Er hielt jetzt sein geheimnisvolles Gewandstück zwischen beiden Fäusten.
Er wrang es aus zwischen beiden Knieen — schweißtriefend. Er entfaltete es,
hielt es gegen eine trübe Petroleumflamme, rollte wie wütend es noch einmal
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/198>, abgerufen am 29.12.2024.