Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments. In seinen Grundfesten hat das alte Politische Leben gebebt, und von dem Die deutschen Regierungen und ihr gemeinschaftliches Organ, die Bundesver¬ Es ist bezeichnend für den Geist eines Teils der Versammlung, daß der Bei der nun folgenden Abstimmung über die von dem Advokatanwalt Dies schien zu wirken, doch uicht lange. Der Alterspräsident war nicht Da betritt der Abgeordnete für den 16. rheinpreußischen Wahlbezirk die Grenzboten IV. 1334. 22
Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments. In seinen Grundfesten hat das alte Politische Leben gebebt, und von dem Die deutschen Regierungen und ihr gemeinschaftliches Organ, die Bundesver¬ Es ist bezeichnend für den Geist eines Teils der Versammlung, daß der Bei der nun folgenden Abstimmung über die von dem Advokatanwalt Dies schien zu wirken, doch uicht lange. Der Alterspräsident war nicht Da betritt der Abgeordnete für den 16. rheinpreußischen Wahlbezirk die Grenzboten IV. 1334. 22
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Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments.
In seinen Grundfesten hat das alte Politische Leben gebebt, und von dem
Jubel und dem Vertrauen des ganzen deutschen Volkes begrüßt, erhebt sich eine
neue Größe: das deutsche Parlament.
Die deutschen Regierungen und ihr gemeinschaftliches Organ, die Bundesver¬
sammlung, mit dem deutschen Volke in der gleichen Liebe für unser großes Vater¬
land vereint und aufrichtig huldigend dem neuen Geist der Zeit, reichen den Na-
tivnalvertretern die Hand zum Willkomm und wünschen Ihnen Heil und Segen.
Frankfurt am Main, am 18. Mai 1848. Die deutsche Bundesversammlung und
in deren Namen: der Präsidirende, Colloredo.
Es ist bezeichnend für den Geist eines Teils der Versammlung, daß der
Antrag des Alterspräsidenten, auf dieses Begrüßungsschreiben des Organs der
deutschen Regierungen eine Erwiederung zu erlassen, einen sich mehrfach wieder¬
holenden und verstärkenden Lärm hervorrief. Man konnte sich darüber, ob
das Schreiben gedruckt werden, ob eine Kommission ernannt werden solle, welche
„einen Entwurf des allenfallsigen Rückschreibens machen sollte, der sodann zur
Debatte und Abstimmung gebracht werden möge," nicht einigen, bis Zitz aus
Mainz die Angelegenheit mit den Worten erledigte: „Meine Herren! Wir
sind zu einer ernsten Aufgabe hier versammelt, und unser Zweck kann nicht sein,
Komplimenten zu antworten. Ich finde in diesem Schreiben nichts als Kompli¬
mente. Es ist daher unsrer Würde nicht entsprechend, daß wir darauf ant¬
worten, am allerwenigsten aber, daß wir deshalb eine Kommission ernennen."
Viele in der Versammlung fanden diese Art, einen Gruß der Regierung zu er¬
wiedern, durchaus passend und riefen dem Redner Bravo zu.
Bei der nun folgenden Abstimmung über die von dem Advokatanwalt
Wesendonk aus Düsseldorf vorgeschlagene Geschäftsordnung erhob sich ein
großer Tumult. Manche hatten nicht verstanden, worüber abgestimmt werden
sollte. Der Präsident stellt nochmals eine genau formulirte Frage, die mit aber¬
maligem Lärm beantwortet wird. Einer der Abgeordneten weiß immer noch nicht,
um was es sich handelt; seine Worte aber werden von Lärm und dem Ruf: Zur
Ordnung! unterbrochen. Kaum hatte man einige Redner ausreden lassen, da erhob
sich am Schluß der Rede von Zitz ein sich immer mehr steigernder Lärm und
Tumult, sodaß eine Stimme den Mahnruf ertönen ließ: „Wenn wir anfangen,
so zu beraten, so geht der gesetzgebende Körper seiner Auflösung entgegen!"
Dies schien zu wirken, doch uicht lange. Der Alterspräsident war nicht
imstande, die erregte Menge zu beruhigen; es fehlte ein energischer Steuermann,
das den wilden Wogen preisgegebene Schiff mit kundiger Hand in ruhiges,
sicheres Fahrwasser zu leiten.
Da betritt der Abgeordnete für den 16. rheinpreußischen Wahlbezirk die
Rednerbühne, Ernst Moritz Arndt, „Vater Nrndt," der Sänger unsers Vater¬
landsliedes, „die ansprechendste Erscheinung in der ganzen Versammlung. Lichte,
Weiße Haare umkränzen ihm den Scheitel und streben noch immer lustig empor;
die Wangen lachen vor Gesundheit und das Auge von sonnigen Gedanken."
Grenzboten IV. 1334. 22
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