Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Pfisters Mühle. keiner Pfeife mehr herunter, dieser Gestank kriegt alles tot! Und wenn wir es Der Alte setzte sich wieder, und ich klopfte ihm zärtlich und so beruhigend So bin ich nun jetzt hereingekommen, um mich an den Laden zu legen, Zum Doktor? fragte ich in einiger Verwunderung. Jawohl! Er ist ja Wohl wieder im Lande, und wenn ein Mensch sich vor Pfisters Mühle. keiner Pfeife mehr herunter, dieser Gestank kriegt alles tot! Und wenn wir es Der Alte setzte sich wieder, und ich klopfte ihm zärtlich und so beruhigend So bin ich nun jetzt hereingekommen, um mich an den Laden zu legen, Zum Doktor? fragte ich in einiger Verwunderung. Jawohl! Er ist ja Wohl wieder im Lande, und wenn ein Mensch sich vor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157075"/> <fw type="header" place="top"> Pfisters Mühle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_493" prev="#ID_492"> keiner Pfeife mehr herunter, dieser Gestank kriegt alles tot! Und wenn wir es<lb/> auch aushielten, Pfister, so will man doch des Sonntags auch gern seine<lb/> Damens mit herausbringen, und es frißt uns das Herz ab, aber — sie danken,<lb/> sobald wir Sie jetzt in Vorschlag bringen, alter Freund. Unsre Weibsleute,<lb/> die doch sonst von Gottes- und Naturwegen jeglichen Übeln Geruch in der Welt<lb/> am besten ausdauern können, werden von einem einzigen Nachmittag bei Ihnen,<lb/> Meister Pfister, ohnmächtig, verlangen unterwegs auf dem Heimwege eine Droschke<lb/> und räsonniren die ganze nächste Woche; und so nehmen Sie es uns wohl<lb/> nicht übel, Pfister, wenn wir am Ende nur können, wie wir müssen, Ihnen vor-<lb/> beipassiren und unsere Unterkunft bei der Konkurrenz im Dorfe suchen, bis die<lb/> Lüfte bei ihnen wieder reiner sind. Sie sollten sich aber wirklich da recht<lb/> bald mal an den Laden legen, die Konkurrenz und der üble Geruch verdirbt<lb/> überall leidergottes nur zu rasch das allerbeste Geschäft.</p><lb/> <p xml:id="ID_494"> Der Alte setzte sich wieder, und ich klopfte ihm zärtlich und so beruhigend<lb/> als möglich den braven, breiten Rücken; aber schwer war's in der That, einen<lb/> Trost für ihn zu finden. Ich kannte ja die jetzigen Düfte um und in Pfisters<lb/> Mühle selber nur zu gut, und wußte, daß sie alle vollkommen Recht hatten,<lb/> der Meister Müller und seine Knappen, wie seine Gäste. Es war schwer aus¬<lb/> zuhalten für einen, der's nicht unbedingt nötig hatte, es zu ertragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_495"> So bin ich nun jetzt hereingekommen, um mich an den Laden zu legen,<lb/> seufzte der Vater. Die Herrn Studiosen sind und bleiben mir zwar allewege<lb/> eine Ehre und ein Vergnügen; aber wenn sie nicht ausbleiben, so pumpen sie<lb/> mir doch alleweile ein bischen zu arg auf der Odeur de Pfister hin, wie sie sich<lb/> ausdrücken. Von den Bauern habe ich nur noch diejenigen, so am wenigsten<lb/> zahlungsfähig sind, und so — wenn der Mensch sich gar nicht mehr zu helfen<lb/> weiß, dann geht er eben zum Doktor, und dieses werde ich jetzt auch besorgen,<lb/> Ebert.</p><lb/> <p xml:id="ID_496"> Zum Doktor? fragte ich in einiger Verwunderung.</p><lb/> <p xml:id="ID_497" next="#ID_498"> Jawohl! Er ist ja Wohl wieder im Lande, und wenn ein Mensch sich vor<lb/> keinem Stank in der Welt fürchtet, so ist er das. Und er kriegt sein Stübchen<lb/> im Oberstock und seine Verpflegung, bis er's herausgebracht hat, was mir mein<lb/> Wasser, meine Ruder und alle meine Lust am Leben so verschimpfirt und schän-<lb/> dirt. In der Stadt hat er ja doch noch immer nicht allzuviel zu verlieren an<lb/> Wohlleben und an Liebe und Vertrauen unter den Leuten. Beides soll er<lb/> aber noch mehr als sonst schon dann und wann in Pfisters Mühle finden,<lb/> solange er sie in der Kur hat. Mein allerletztester Trost ist er! Und er<lb/> muß es mir herauskriegen, an wem ich meine Wut auszulassen habe, wem ich<lb/> in dieser pestilenzialischen Angelegenheit mit einem Advokaten zu Leibe steigen<lb/> kann! Meinen Widerwillen gegen Prozesse kennst du, Junge; aber den infamen<lb/> Halunken, der uns dieses anthut und mir meiner Väter Erbe und ewig An¬<lb/> wesen und Leben so verleidet, den bringe ich mit Freuden an den Galgen. Ein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
Pfisters Mühle.
keiner Pfeife mehr herunter, dieser Gestank kriegt alles tot! Und wenn wir es
auch aushielten, Pfister, so will man doch des Sonntags auch gern seine
Damens mit herausbringen, und es frißt uns das Herz ab, aber — sie danken,
sobald wir Sie jetzt in Vorschlag bringen, alter Freund. Unsre Weibsleute,
die doch sonst von Gottes- und Naturwegen jeglichen Übeln Geruch in der Welt
am besten ausdauern können, werden von einem einzigen Nachmittag bei Ihnen,
Meister Pfister, ohnmächtig, verlangen unterwegs auf dem Heimwege eine Droschke
und räsonniren die ganze nächste Woche; und so nehmen Sie es uns wohl
nicht übel, Pfister, wenn wir am Ende nur können, wie wir müssen, Ihnen vor-
beipassiren und unsere Unterkunft bei der Konkurrenz im Dorfe suchen, bis die
Lüfte bei ihnen wieder reiner sind. Sie sollten sich aber wirklich da recht
bald mal an den Laden legen, die Konkurrenz und der üble Geruch verdirbt
überall leidergottes nur zu rasch das allerbeste Geschäft.
Der Alte setzte sich wieder, und ich klopfte ihm zärtlich und so beruhigend
als möglich den braven, breiten Rücken; aber schwer war's in der That, einen
Trost für ihn zu finden. Ich kannte ja die jetzigen Düfte um und in Pfisters
Mühle selber nur zu gut, und wußte, daß sie alle vollkommen Recht hatten,
der Meister Müller und seine Knappen, wie seine Gäste. Es war schwer aus¬
zuhalten für einen, der's nicht unbedingt nötig hatte, es zu ertragen.
So bin ich nun jetzt hereingekommen, um mich an den Laden zu legen,
seufzte der Vater. Die Herrn Studiosen sind und bleiben mir zwar allewege
eine Ehre und ein Vergnügen; aber wenn sie nicht ausbleiben, so pumpen sie
mir doch alleweile ein bischen zu arg auf der Odeur de Pfister hin, wie sie sich
ausdrücken. Von den Bauern habe ich nur noch diejenigen, so am wenigsten
zahlungsfähig sind, und so — wenn der Mensch sich gar nicht mehr zu helfen
weiß, dann geht er eben zum Doktor, und dieses werde ich jetzt auch besorgen,
Ebert.
Zum Doktor? fragte ich in einiger Verwunderung.
Jawohl! Er ist ja Wohl wieder im Lande, und wenn ein Mensch sich vor
keinem Stank in der Welt fürchtet, so ist er das. Und er kriegt sein Stübchen
im Oberstock und seine Verpflegung, bis er's herausgebracht hat, was mir mein
Wasser, meine Ruder und alle meine Lust am Leben so verschimpfirt und schän-
dirt. In der Stadt hat er ja doch noch immer nicht allzuviel zu verlieren an
Wohlleben und an Liebe und Vertrauen unter den Leuten. Beides soll er
aber noch mehr als sonst schon dann und wann in Pfisters Mühle finden,
solange er sie in der Kur hat. Mein allerletztester Trost ist er! Und er
muß es mir herauskriegen, an wem ich meine Wut auszulassen habe, wem ich
in dieser pestilenzialischen Angelegenheit mit einem Advokaten zu Leibe steigen
kann! Meinen Widerwillen gegen Prozesse kennst du, Junge; aber den infamen
Halunken, der uns dieses anthut und mir meiner Väter Erbe und ewig An¬
wesen und Leben so verleidet, den bringe ich mit Freuden an den Galgen. Ein
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