Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Marie von Glfers. dazwischen und rettet sie vor des Volkes Wut. Auch er unterliegt dem Zauber
Er kommt indes immer wieder, wirbt von neuem um sie, spricht ihr von seiner
Dem Sohne der Müllerin Klaus gelingt es indes, Simplizitas aus den
Da endlich geschieht die Umwandlung mit Simplizitas -- ihr naiver Egoismus Marie von Glfers. dazwischen und rettet sie vor des Volkes Wut. Auch er unterliegt dem Zauber
Er kommt indes immer wieder, wirbt von neuem um sie, spricht ihr von seiner
Dem Sohne der Müllerin Klaus gelingt es indes, Simplizitas aus den
Da endlich geschieht die Umwandlung mit Simplizitas — ihr naiver Egoismus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157065"/> <fw type="header" place="top"> Marie von Glfers.</fw><lb/> <p xml:id="ID_440" prev="#ID_439"> dazwischen und rettet sie vor des Volkes Wut. Auch er unterliegt dem Zauber<lb/> ihrer Schönheit, er wirbt um sie. Sie aber schenkt ihm zum Danke für die<lb/> Rettung eine Blume und schickt ihn fort mit den Worten:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_8" type="poem"> <l> Doch niemals sollst du wiederkommen,<lb/> Es würde deinem Glück nicht frommen,<lb/> Dasselbe Ende würd' es nehmen<lb/> Mit Sterben und mit Gramm,<lb/> Ich hab es jetzt genug gesehn.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_441"> Er kommt indes immer wieder, wirbt von neuem um sie, spricht ihr von seiner<lb/> Liebe. Da wehrt sie ihn verstört ab:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> Sag' nicht: Du liebst! Das klingt wie Tod und Grab,<lb/> Schon jetzt hat sich dein Blick getrübt, verhüllt,<lb/> Du siehst die Wonne nicht, die rings die Erde füllt —<lb/> Wie Knosp' an Knospe aus der Tiefe quillt,<lb/> Sich labend an der Sonne Schein,<lb/> Laß mich allein I<lb/> Kannst du nicht mit mir fröhlich sein?</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_442"> Dem Sohne der Müllerin Klaus gelingt es indes, Simplizitas aus den<lb/> Mauern des Klosters zu locken: sie soll ihm sterben, die sein Haus vernichtet hat.<lb/> Nur dem Dazwischentreten der Mutter, die die Gerichte fürchtet? verdankt sie<lb/> ihr Leben, doch wird sie in ein häßliches Loch im Walde gefangen gesetzt. Da<lb/> findet sie Graf Sever auf seinen einsamen, melancholischen Wanderungen und<lb/> trägt sie als wahre Märchenprinzessin auf sein Schloß, wo sie sich verbinden<lb/> Zu neuem Unheil: denn er kann nicht mit ihr fröhlich sein! Er haßt die fröh¬<lb/> lichen Gesellen, die sie zu allerlei Lustbarkeit im Schlosse versammelt; die<lb/> Huldigungen der Schmeichler thun ihrem lebensfroher Sinne wohl — die<lb/> Gatten entfremden sich immer mehr. Selbst das Mädchen, das ihnen geboren<lb/> wird, bringt sie nicht näher. Severs Versuche, sich Simplizitas zu höherer<lb/> geistiger Gemeinschaft zu erziehen, mißglücken, er versteht sich nicht darauf. Besser<lb/> trifft es sein älterer Bruder Armin, der ihn selbst als Waise ciuferzogcn. Das<lb/> Kind außer Hause, bei der Amme, die dem Gatten treuer schien als die eigne<lb/> Mutter, nähert sich die kindliche Einfalt zu sehr dem sinnigen Schwager, er liebt<lb/> sie und fühlt sein Unrecht. Auch er geht bei dieser Liebe zu grunde, er stirbt,<lb/> doch vor dem Tode versöhnt er noch Sever, will die Gatten vereinigen, die tief<lb/> erschüttert vor ihm stehen.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_10" type="poem"> <l> Und hoffend blickt Simplizitas herauf;<lb/> Es steigt ein feuchter Glanz in ihren Augen auf.<lb/> Kann ich die Liebe finden, die du meinst?<lb/> Mit der du Trost und Glück vereinst?<lb/> Er aber (Armin) zog sie hin zu sich<lb/> Und frug: Was fürchtst du dich<lb/> Zu lieben und zu leiden?<lb/> Denn in den Beiden<lb/> Ist Schmerz und Wonne so verbunden,<lb/> Daß oft die Wonne ward im Schmerz gefunden,<lb/> Gott weiß das Glück oft wunderbar zu kleiden.<lb/> Sieht aus wie Elend oder Leid<lb/> Und ist doch lauter Seligkeit.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_443"> Da endlich geschieht die Umwandlung mit Simplizitas — ihr naiver Egoismus<lb/> ist gebrochen, oder wie die Dichterin es mystisch ausspricht:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
Marie von Glfers.
dazwischen und rettet sie vor des Volkes Wut. Auch er unterliegt dem Zauber
ihrer Schönheit, er wirbt um sie. Sie aber schenkt ihm zum Danke für die
Rettung eine Blume und schickt ihn fort mit den Worten:
Doch niemals sollst du wiederkommen,
Es würde deinem Glück nicht frommen,
Dasselbe Ende würd' es nehmen
Mit Sterben und mit Gramm,
Ich hab es jetzt genug gesehn.
Er kommt indes immer wieder, wirbt von neuem um sie, spricht ihr von seiner
Liebe. Da wehrt sie ihn verstört ab:
Sag' nicht: Du liebst! Das klingt wie Tod und Grab,
Schon jetzt hat sich dein Blick getrübt, verhüllt,
Du siehst die Wonne nicht, die rings die Erde füllt —
Wie Knosp' an Knospe aus der Tiefe quillt,
Sich labend an der Sonne Schein,
Laß mich allein I
Kannst du nicht mit mir fröhlich sein?
Dem Sohne der Müllerin Klaus gelingt es indes, Simplizitas aus den
Mauern des Klosters zu locken: sie soll ihm sterben, die sein Haus vernichtet hat.
Nur dem Dazwischentreten der Mutter, die die Gerichte fürchtet? verdankt sie
ihr Leben, doch wird sie in ein häßliches Loch im Walde gefangen gesetzt. Da
findet sie Graf Sever auf seinen einsamen, melancholischen Wanderungen und
trägt sie als wahre Märchenprinzessin auf sein Schloß, wo sie sich verbinden
Zu neuem Unheil: denn er kann nicht mit ihr fröhlich sein! Er haßt die fröh¬
lichen Gesellen, die sie zu allerlei Lustbarkeit im Schlosse versammelt; die
Huldigungen der Schmeichler thun ihrem lebensfroher Sinne wohl — die
Gatten entfremden sich immer mehr. Selbst das Mädchen, das ihnen geboren
wird, bringt sie nicht näher. Severs Versuche, sich Simplizitas zu höherer
geistiger Gemeinschaft zu erziehen, mißglücken, er versteht sich nicht darauf. Besser
trifft es sein älterer Bruder Armin, der ihn selbst als Waise ciuferzogcn. Das
Kind außer Hause, bei der Amme, die dem Gatten treuer schien als die eigne
Mutter, nähert sich die kindliche Einfalt zu sehr dem sinnigen Schwager, er liebt
sie und fühlt sein Unrecht. Auch er geht bei dieser Liebe zu grunde, er stirbt,
doch vor dem Tode versöhnt er noch Sever, will die Gatten vereinigen, die tief
erschüttert vor ihm stehen.
Und hoffend blickt Simplizitas herauf;
Es steigt ein feuchter Glanz in ihren Augen auf.
Kann ich die Liebe finden, die du meinst?
Mit der du Trost und Glück vereinst?
Er aber (Armin) zog sie hin zu sich
Und frug: Was fürchtst du dich
Zu lieben und zu leiden?
Denn in den Beiden
Ist Schmerz und Wonne so verbunden,
Daß oft die Wonne ward im Schmerz gefunden,
Gott weiß das Glück oft wunderbar zu kleiden.
Sieht aus wie Elend oder Leid
Und ist doch lauter Seligkeit.
Da endlich geschieht die Umwandlung mit Simplizitas — ihr naiver Egoismus
ist gebrochen, oder wie die Dichterin es mystisch ausspricht:
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