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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Der Prozeßbetrieb durch die Parteien im Zivilrechtsstreite.

keiner Weise gehindert, der Sache den Lauf zu lassen und den, vielleicht im
vollständigen Rechte befindlichen Kläger im Verhandlungstermine mit seiner Klage
abzuweisen. Im Anwaltsprozesse muß die Ladung zur mündlichen Verhand¬
lung, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Aufforderung
an den Gegner enthalten, einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Anwalt
zu bestellen. Hat der Gegner dieser Aufforderung nicht entsprochen, z. B. weil
er mit seinem eignen Anwälte wegen der Prozeßkosten streitet und nicht begreift,
daß er auch in einer solchen Sache sich wieder durch einen weitern Rechtsan¬
walt vertreten lassen muß, so wird er trotz persönlichen Erscheinens im Ver¬
handlungstermine als nicht vorhanden betrachtet und verurteilt, er mag Recht
haben oder nicht. Wenn in einem Prozesse auf den Eid einer Partei vom
Gerichte erkannt ist, so wird dieser nach der Ansicht des Gerichtes zur Auf¬
klärung des Streites notwendige Eid nicht abgenommen, wenn nicht die Partei
das bedingte Urteil der Gegenpartei "zustellen" läßt; der Prozeß bleibt viel¬
mehr in diesem Stadium liegen, bis dieser Formalität genügt ist, obgleich mit
dem bedingten Urteile weder die Parteien noch das Gericht irgend ein defini¬
tives Resultat erzielt haben. Ebenso verhält es sich mit der Herbeiführung
der Vollstreckbarkeit eines Urteils. Dasselbe wird nicht von selbst mit Ablauf
irgendeiner Frist vollstreckbar, sondern es muß von der Partei, welche ein
Interesse an der Herbeiführung der Rechtskraft hat, dem Gegner "zugestellt"
werden, da erst mit der Zustellung des Urteils die Frist zu laufen beginnt,
deren Ablauf notwendig ist, um die Vollstreckbarkeit herbeizuführen. Dieselbe
Formalität ist endlich beim Arreste zu erfüllen. Es genügt nicht, daß Anspruch
und Arrestgrund vollständig glaubhaft gemacht sind, um die entsprechenden
Gegenstände des Schuldners mit Arrest zu belegen; der Beschluß des Gerichtes,
daß Arrest angeordnet werde, muß vielmehr dem Schuldner von der betreibenden
Partei erst "zugestellt" werden, und erst wenn sie das gethan hat, steht ihr
das Recht zu, nunmehr einen Gerichtsvollzieher mit der Vollziehung des Arrestes
zu beauftragen.

Fragt man sich nun, ob die Vorteile, welche der sogenannte Parteiproze߬
betrieb gewährt, bei den vielen Ausnahmen, welche man jetzt schon zu machen
genötigt war, um die Erreichung des Endzweckes eines brauchbaren Proze߬
verfahrens, den rechtsuchenden Parteien die Erlangung ihres Rechtes zu er¬
möglichen, nicht allzusehr zu erschweren, überhaupt noch Vorteile genannt
werden können, fragt man sich, ob insbesondre die als Hauptgrund für die
Aufnahme dieses Systems geltend gemachte Entlastung der Gerichte von mecha¬
nischen Arbeiten erzielt worden ist und ob die etwa erzielte Entlastung nicht
durch die andrerseits erfolgte, nicht zu bestreitende Erschwerung des Rechts¬
weges, die Erhöhung der Weitläufigkeit, Schwerfälligkeit und Kostspieligkeit der
Prozedur mehr als aufgewogen wird, so wird man ein Urteil zu gunsten der
bestehenden Gesetzgebung nicht abgeben können. Die Entlastung der Gerichte


Der Prozeßbetrieb durch die Parteien im Zivilrechtsstreite.

keiner Weise gehindert, der Sache den Lauf zu lassen und den, vielleicht im
vollständigen Rechte befindlichen Kläger im Verhandlungstermine mit seiner Klage
abzuweisen. Im Anwaltsprozesse muß die Ladung zur mündlichen Verhand¬
lung, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Aufforderung
an den Gegner enthalten, einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Anwalt
zu bestellen. Hat der Gegner dieser Aufforderung nicht entsprochen, z. B. weil
er mit seinem eignen Anwälte wegen der Prozeßkosten streitet und nicht begreift,
daß er auch in einer solchen Sache sich wieder durch einen weitern Rechtsan¬
walt vertreten lassen muß, so wird er trotz persönlichen Erscheinens im Ver¬
handlungstermine als nicht vorhanden betrachtet und verurteilt, er mag Recht
haben oder nicht. Wenn in einem Prozesse auf den Eid einer Partei vom
Gerichte erkannt ist, so wird dieser nach der Ansicht des Gerichtes zur Auf¬
klärung des Streites notwendige Eid nicht abgenommen, wenn nicht die Partei
das bedingte Urteil der Gegenpartei „zustellen" läßt; der Prozeß bleibt viel¬
mehr in diesem Stadium liegen, bis dieser Formalität genügt ist, obgleich mit
dem bedingten Urteile weder die Parteien noch das Gericht irgend ein defini¬
tives Resultat erzielt haben. Ebenso verhält es sich mit der Herbeiführung
der Vollstreckbarkeit eines Urteils. Dasselbe wird nicht von selbst mit Ablauf
irgendeiner Frist vollstreckbar, sondern es muß von der Partei, welche ein
Interesse an der Herbeiführung der Rechtskraft hat, dem Gegner „zugestellt"
werden, da erst mit der Zustellung des Urteils die Frist zu laufen beginnt,
deren Ablauf notwendig ist, um die Vollstreckbarkeit herbeizuführen. Dieselbe
Formalität ist endlich beim Arreste zu erfüllen. Es genügt nicht, daß Anspruch
und Arrestgrund vollständig glaubhaft gemacht sind, um die entsprechenden
Gegenstände des Schuldners mit Arrest zu belegen; der Beschluß des Gerichtes,
daß Arrest angeordnet werde, muß vielmehr dem Schuldner von der betreibenden
Partei erst „zugestellt" werden, und erst wenn sie das gethan hat, steht ihr
das Recht zu, nunmehr einen Gerichtsvollzieher mit der Vollziehung des Arrestes
zu beauftragen.

Fragt man sich nun, ob die Vorteile, welche der sogenannte Parteiproze߬
betrieb gewährt, bei den vielen Ausnahmen, welche man jetzt schon zu machen
genötigt war, um die Erreichung des Endzweckes eines brauchbaren Proze߬
verfahrens, den rechtsuchenden Parteien die Erlangung ihres Rechtes zu er¬
möglichen, nicht allzusehr zu erschweren, überhaupt noch Vorteile genannt
werden können, fragt man sich, ob insbesondre die als Hauptgrund für die
Aufnahme dieses Systems geltend gemachte Entlastung der Gerichte von mecha¬
nischen Arbeiten erzielt worden ist und ob die etwa erzielte Entlastung nicht
durch die andrerseits erfolgte, nicht zu bestreitende Erschwerung des Rechts¬
weges, die Erhöhung der Weitläufigkeit, Schwerfälligkeit und Kostspieligkeit der
Prozedur mehr als aufgewogen wird, so wird man ein Urteil zu gunsten der
bestehenden Gesetzgebung nicht abgeben können. Die Entlastung der Gerichte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/124>, abgerufen am 29.12.2024.