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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Das südafrikanische Reich der Engländer.

Einwanderern in sich aufgenommen, durch deren Zuströmen der französische Teil
der Bevölkerung jedes Jahr im Verhältnis zum Ganzen kleiner wurde. Am
Kap fand kein ähnlicher Hinzutritt andrer Elemente zu den Holländern statt,
und die Ursache davon ist nicht schwer zu finden. Englische Handwerker und
Tagelöhner pflegen nicht gern dahin zu gehen, wo die Eingebornen schon der
Nachfrage nach Arbeit genügend entsprechen. Es ist da kein Raum für Leute,
die bald verdienen und rasch viel Geld machen wollen. Englische Landwirte
besannen sich, in eine Kolonie auszuwandern, wo so viele ihrer Nachbarn
Holländer und als solche von wesentlich andrer Sprache, Sitte und Denkart
waren als sie, und wo dieses andre Volk sie mit Mißtrauen und unverhehlter
Abneigung empfing. So ist die Bevölkerung der Kapländer, soweit sie auf
Einwanderung beruht, vorwiegend holländisch geblieben, und die Zukunft wird
dies schwerlich ändern.

In England aber hört man jetzt aus allen diesen Beobachtungen recht
eigentümliche Schlüsse auf die Politik ziehen, die ihnen gegenüber für die nächste
Zukunft geboten erscheint. "Hätten wir, sagt z. B. der lölsArg-xli, nur
mit den Eingebornen zu thun, so würden wir durch Entsendung englischer
Beamten und durch Ermutigung englischer Landwirte das große südafrikanische'
Reich gründen können, für das Sir Bartle Frere so tapfer kämpfte und von
dein so viele träumten. Aber, wie die Sachen liegen, würden wir damit nur
für die Holländer des Kaps, die uns nur halb mögen, und für die Boers des
Transvaal und Natals arbeiten, welche uns verabscheuen. Beim Aufbau dieser
Herrschaft hätten wir mit der einen Hand die kraftvollsten und zähesten Teutonen
und mit der andern die stattlichsten Wilden der Welt niederzuhalten... Wohl
dürfen wir vor solcher doppelten Schwierigkeit zurückschrecken. Aber fordert uns
nicht die Humanität auf, die Eingebornen gegen die Boers zu schützen? Ja,
und Pflicht und Ehre ebenfalls... Wir müssen die Boers aus dem Betschucmen-
lande hinausjagen und so -- die große Straße frei machen, die ins Innere
Afrikas führt." Soeben hörten wir, die Humanität wäre es, welche die Eng¬
länder aufriefe, Krieg zu führen; jetzt ist es eine Straße für ihre Kaufleute,
die den Feldzug gegen die Boers verlangt. Wir denken, das letztere ist das
Wahre und Eigentliche, aber Herr Gladstone wird sich die Sache wohl über¬
legen, ehe er das Verlangen erfüllt.




Das südafrikanische Reich der Engländer.

Einwanderern in sich aufgenommen, durch deren Zuströmen der französische Teil
der Bevölkerung jedes Jahr im Verhältnis zum Ganzen kleiner wurde. Am
Kap fand kein ähnlicher Hinzutritt andrer Elemente zu den Holländern statt,
und die Ursache davon ist nicht schwer zu finden. Englische Handwerker und
Tagelöhner pflegen nicht gern dahin zu gehen, wo die Eingebornen schon der
Nachfrage nach Arbeit genügend entsprechen. Es ist da kein Raum für Leute,
die bald verdienen und rasch viel Geld machen wollen. Englische Landwirte
besannen sich, in eine Kolonie auszuwandern, wo so viele ihrer Nachbarn
Holländer und als solche von wesentlich andrer Sprache, Sitte und Denkart
waren als sie, und wo dieses andre Volk sie mit Mißtrauen und unverhehlter
Abneigung empfing. So ist die Bevölkerung der Kapländer, soweit sie auf
Einwanderung beruht, vorwiegend holländisch geblieben, und die Zukunft wird
dies schwerlich ändern.

In England aber hört man jetzt aus allen diesen Beobachtungen recht
eigentümliche Schlüsse auf die Politik ziehen, die ihnen gegenüber für die nächste
Zukunft geboten erscheint. „Hätten wir, sagt z. B. der lölsArg-xli, nur
mit den Eingebornen zu thun, so würden wir durch Entsendung englischer
Beamten und durch Ermutigung englischer Landwirte das große südafrikanische'
Reich gründen können, für das Sir Bartle Frere so tapfer kämpfte und von
dein so viele träumten. Aber, wie die Sachen liegen, würden wir damit nur
für die Holländer des Kaps, die uns nur halb mögen, und für die Boers des
Transvaal und Natals arbeiten, welche uns verabscheuen. Beim Aufbau dieser
Herrschaft hätten wir mit der einen Hand die kraftvollsten und zähesten Teutonen
und mit der andern die stattlichsten Wilden der Welt niederzuhalten... Wohl
dürfen wir vor solcher doppelten Schwierigkeit zurückschrecken. Aber fordert uns
nicht die Humanität auf, die Eingebornen gegen die Boers zu schützen? Ja,
und Pflicht und Ehre ebenfalls... Wir müssen die Boers aus dem Betschucmen-
lande hinausjagen und so — die große Straße frei machen, die ins Innere
Afrikas führt." Soeben hörten wir, die Humanität wäre es, welche die Eng¬
länder aufriefe, Krieg zu führen; jetzt ist es eine Straße für ihre Kaufleute,
die den Feldzug gegen die Boers verlangt. Wir denken, das letztere ist das
Wahre und Eigentliche, aber Herr Gladstone wird sich die Sache wohl über¬
legen, ehe er das Verlangen erfüllt.




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[0119] Das südafrikanische Reich der Engländer. Einwanderern in sich aufgenommen, durch deren Zuströmen der französische Teil der Bevölkerung jedes Jahr im Verhältnis zum Ganzen kleiner wurde. Am Kap fand kein ähnlicher Hinzutritt andrer Elemente zu den Holländern statt, und die Ursache davon ist nicht schwer zu finden. Englische Handwerker und Tagelöhner pflegen nicht gern dahin zu gehen, wo die Eingebornen schon der Nachfrage nach Arbeit genügend entsprechen. Es ist da kein Raum für Leute, die bald verdienen und rasch viel Geld machen wollen. Englische Landwirte besannen sich, in eine Kolonie auszuwandern, wo so viele ihrer Nachbarn Holländer und als solche von wesentlich andrer Sprache, Sitte und Denkart waren als sie, und wo dieses andre Volk sie mit Mißtrauen und unverhehlter Abneigung empfing. So ist die Bevölkerung der Kapländer, soweit sie auf Einwanderung beruht, vorwiegend holländisch geblieben, und die Zukunft wird dies schwerlich ändern. In England aber hört man jetzt aus allen diesen Beobachtungen recht eigentümliche Schlüsse auf die Politik ziehen, die ihnen gegenüber für die nächste Zukunft geboten erscheint. „Hätten wir, sagt z. B. der lölsArg-xli, nur mit den Eingebornen zu thun, so würden wir durch Entsendung englischer Beamten und durch Ermutigung englischer Landwirte das große südafrikanische' Reich gründen können, für das Sir Bartle Frere so tapfer kämpfte und von dein so viele träumten. Aber, wie die Sachen liegen, würden wir damit nur für die Holländer des Kaps, die uns nur halb mögen, und für die Boers des Transvaal und Natals arbeiten, welche uns verabscheuen. Beim Aufbau dieser Herrschaft hätten wir mit der einen Hand die kraftvollsten und zähesten Teutonen und mit der andern die stattlichsten Wilden der Welt niederzuhalten... Wohl dürfen wir vor solcher doppelten Schwierigkeit zurückschrecken. Aber fordert uns nicht die Humanität auf, die Eingebornen gegen die Boers zu schützen? Ja, und Pflicht und Ehre ebenfalls... Wir müssen die Boers aus dem Betschucmen- lande hinausjagen und so — die große Straße frei machen, die ins Innere Afrikas führt." Soeben hörten wir, die Humanität wäre es, welche die Eng¬ länder aufriefe, Krieg zu führen; jetzt ist es eine Straße für ihre Kaufleute, die den Feldzug gegen die Boers verlangt. Wir denken, das letztere ist das Wahre und Eigentliche, aber Herr Gladstone wird sich die Sache wohl über¬ legen, ehe er das Verlangen erfüllt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/119>, abgerufen am 29.12.2024.