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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Das südafrikanische Reich der Engländer.

verleibung des Transvaallandes begannen, ist offenbar noch lange nicht zu
tage getreten.

Was ist gegenüber diesem Stande der Dinge in Südafrika zu thun? Man
muß, antworten Londoner Politiker, entweder die Boers für ihre flagranten
Ausschreitungen, für ihre groben Verletzungen der Verträge züchtigen, oder sie,
wie bisher, ungestraft lassen und so zu weiterer Ungebühr ermutigen. Das
erstere aber hat seine Schwierigkeiten. Das Vorgehen jener holländischen Be¬
wohner der Landstriche jenseits des Vaals gegen Häuptlinge und Gebiete, welche
sie zu achten versprochen haben, mußte zunächst mit englischen Truppen und
reichlicher Aufwendung englischer Sovereigns zurückgewiesen werden. Dann aber
ist noch etwas andres zu der Sache erforderlich, und wenn Soldaten und Gold
zu finden sein würden, so fehlt dieses zweite Erfordernis, der gute Wille der
englischen Kolonisten in Südafrika, wie es bisjetzt scheint, vollständig. John
Bull findet, wie selbst die englische Presse eingesteht, unter diesen keine Bundes¬
genossen, und darin liegt die Hauptschwierigkeit bei der Lösung der Frage.
Wenn die britische Regierung Kaffernhciuptlinge gegen die um sich greifenden
Holländer jenseits der Drcichcnberge aufsetzt und ins Feld schickt wie ehedem
Irokesen und Wyandots gegen die aufständischen Uankees, so zwingt sie die¬
selben, sich die Feindschaft der Kolonisten auf den Hals zu ziehen, die nicht
ermangeln werden, sofort, nachdem ihre Alliirten, die englischen Notröcke, den
Rücken gewendet haben, an deren wilden Alliirten mit Feuer und Schwert
Rache zu üben. Vergebens werden die von England aufgesungenen und einige
Zeit unter Schutz genommenen Schwarzen den Namen der Königin Viktoria
anrufen, wenn keine britischen Soldaten und Kanonen oder nicht genug davon
mehr im Lande sind. Der Feldzug wäre also nutzlos gewesen, Blut und Geld
wären im günstigsten Falle für einen nur zeitweiligen Erfolg geopfert worden.
Man müßte von vorn anfangen, wieder und imnier wieder ein Heer den sicher
treffenden Büchsenkugeln der Boers aussetzen, wieder und immer wieder tief in
den Staatsschatz greifen, und das Ende wäre, daß man seine Ohnmacht in
dieser Angelegenheit vor aller Welt konstatirt und einen guten Teil seines An¬
sehens verloren hätte.

Was sich in Südafrika seit Unterzeichnung der Übereinkunft mit den Ge¬
sandten der Boers ereignet hat, ist einer der deutlichsten Beweise für die poli¬
tische Wahrheit, daß Verträge wenig mehr als Papier oder Pergament mit
Tinte darauf und Siegeln darunter sind, wenn hinter ihnen nicht eine Schutz¬
macht mit dem Schwerte, in diesem Falle eine bleibende britische Garnison, steht.
Das Betschuanenland wurde in jener Übereinkunft in aller Form unter eng¬
lischen Schutz gestellt, der Engländer Mackenzie zum Kommissar ernannt, und
englische Richter sollten unter seiner Oberaufsicht den Frieden zwischen den wilden
Stämmen und den europäischen Kolonisten aufrecht erhalten. Alles war, wie
es schien, aufs schönste geordnet. Was begab sich aber? Kaum war die Tinte


Das südafrikanische Reich der Engländer.

verleibung des Transvaallandes begannen, ist offenbar noch lange nicht zu
tage getreten.

Was ist gegenüber diesem Stande der Dinge in Südafrika zu thun? Man
muß, antworten Londoner Politiker, entweder die Boers für ihre flagranten
Ausschreitungen, für ihre groben Verletzungen der Verträge züchtigen, oder sie,
wie bisher, ungestraft lassen und so zu weiterer Ungebühr ermutigen. Das
erstere aber hat seine Schwierigkeiten. Das Vorgehen jener holländischen Be¬
wohner der Landstriche jenseits des Vaals gegen Häuptlinge und Gebiete, welche
sie zu achten versprochen haben, mußte zunächst mit englischen Truppen und
reichlicher Aufwendung englischer Sovereigns zurückgewiesen werden. Dann aber
ist noch etwas andres zu der Sache erforderlich, und wenn Soldaten und Gold
zu finden sein würden, so fehlt dieses zweite Erfordernis, der gute Wille der
englischen Kolonisten in Südafrika, wie es bisjetzt scheint, vollständig. John
Bull findet, wie selbst die englische Presse eingesteht, unter diesen keine Bundes¬
genossen, und darin liegt die Hauptschwierigkeit bei der Lösung der Frage.
Wenn die britische Regierung Kaffernhciuptlinge gegen die um sich greifenden
Holländer jenseits der Drcichcnberge aufsetzt und ins Feld schickt wie ehedem
Irokesen und Wyandots gegen die aufständischen Uankees, so zwingt sie die¬
selben, sich die Feindschaft der Kolonisten auf den Hals zu ziehen, die nicht
ermangeln werden, sofort, nachdem ihre Alliirten, die englischen Notröcke, den
Rücken gewendet haben, an deren wilden Alliirten mit Feuer und Schwert
Rache zu üben. Vergebens werden die von England aufgesungenen und einige
Zeit unter Schutz genommenen Schwarzen den Namen der Königin Viktoria
anrufen, wenn keine britischen Soldaten und Kanonen oder nicht genug davon
mehr im Lande sind. Der Feldzug wäre also nutzlos gewesen, Blut und Geld
wären im günstigsten Falle für einen nur zeitweiligen Erfolg geopfert worden.
Man müßte von vorn anfangen, wieder und imnier wieder ein Heer den sicher
treffenden Büchsenkugeln der Boers aussetzen, wieder und immer wieder tief in
den Staatsschatz greifen, und das Ende wäre, daß man seine Ohnmacht in
dieser Angelegenheit vor aller Welt konstatirt und einen guten Teil seines An¬
sehens verloren hätte.

Was sich in Südafrika seit Unterzeichnung der Übereinkunft mit den Ge¬
sandten der Boers ereignet hat, ist einer der deutlichsten Beweise für die poli¬
tische Wahrheit, daß Verträge wenig mehr als Papier oder Pergament mit
Tinte darauf und Siegeln darunter sind, wenn hinter ihnen nicht eine Schutz¬
macht mit dem Schwerte, in diesem Falle eine bleibende britische Garnison, steht.
Das Betschuanenland wurde in jener Übereinkunft in aller Form unter eng¬
lischen Schutz gestellt, der Engländer Mackenzie zum Kommissar ernannt, und
englische Richter sollten unter seiner Oberaufsicht den Frieden zwischen den wilden
Stämmen und den europäischen Kolonisten aufrecht erhalten. Alles war, wie
es schien, aufs schönste geordnet. Was begab sich aber? Kaum war die Tinte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/114>, abgerufen am 29.12.2024.