Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Notizen.

liehen Kindheit eine glückliche Jngend in Pfisters Mühle gehabt und würde Bände
schreiben müssen, um ihr auf literarischem Wege gerecht zu werden, und da könnte
am Ende auch das Publikum, wie meine Frau, kommen und fragen: Wozu?

Wenn es nur nicht gar zu verlockend wäre, von jenen Epochen zu plaudern,
zu den Zeitgenossen, zu der Frau, zu jedem beliebigen Ersten Besten, der darauf
hören mag, weil er seinerseits auch davon zu reden wünscht und uns am
Munde hängt, weil er mit zappelnden Verlangen drauf paßt, uns endlich das
Wort in dieser Hinsicht davon abzufangen!

Nachdem ich die erste Stufe meiner wissenschaftlichen Bildung, die ver¬
traulichen gelehrten Unterhaltungen im Hinterstübchen mit A, A> Asche hinter
mir hatte, betrat ich die zweite Staffel der Leiter. Auch die Herren vom städ¬
tischen Gymnasium besuchten Pfisters Mühle: die ältern mit meistens zahlreicher
Familie, die jüngern neben der jungen Frau mit wenigstens einem Kinderwagen
voll, und nur die jüngsten ohne Anhang und höchstens mit ihrem Ideal im
Herzen. Gewöhnlich am Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittag kamen sie und
bildeten dann an einem der längsten Tische des Gartens eine große Familie, und
eines schönen Mittwoch-Nachmittags stellte einer aus derselben, und zwar sogar
das würdige Oberhaupt, der weißlockige Patriarch, nämlich Direktor Doktor
Pottgießer aus blauer Luft eine Art von kursorischen Examen mit mir an, dem
mein Vater, mit sämtlichen Schoppen der jüngern Kollegen in bunter Reihe leer
auf dem Tische, atemlos lauschte, und dessen Resultat das Wort aus dem Munde
des gemütlichen Schultyrannen war: Schicken Sie ihn mir zu Michaelis, Pfister.

Und zu Michaelis wurde ich ihm geschickt; das heißt Vater Pfister von
Pfisters Mühle führte seinen, zu einem höhern Ziel (das heißt einem andern
als auch Vater Pfister auf Pfisters Mühle zu werden) bestimmten Sprößling
zu einem andern, mehr förmlichen und in die Tinte und aufs Papier ver¬
laufenden Examen in die Stadt. Das Resultat hiervon war, daß ich nicht
ein Stück Kuchen aus der Handtasche der Frau Direktor Doktor Pottgießer wie
beim ersten bekam, sondern nnr, daß mich der Doktor einen "mit wunderlichen
Allotriis vollgepfropften Tironen" nannte, mich aber doch in die seiner wackern
Obhut anvertraute Herde germanischer Zukunftsgelehrtheit aufnahm und mich
dem "passenden Pferch junger, in gleichen Tritt zu dringender Böcke" zuwies,
Wie A. A. Asche sich ausdrückte. (Fortsetzung folgt,)




Notizen.

Im Lande der Phäaken. In seinen "Odysseischen Landschaften" entwirft
der gelehrte und geistvolle Freiherr von Warsberg enthusiastische Schilderungen der
Insel Corfu, des alten Kerkyra und homerischen Scheria. Als k. k. österreichischer
Konsul dort ansässig, hat der Poetische Diplomat der wissenschaftlichen Erforschung


Notizen.

liehen Kindheit eine glückliche Jngend in Pfisters Mühle gehabt und würde Bände
schreiben müssen, um ihr auf literarischem Wege gerecht zu werden, und da könnte
am Ende auch das Publikum, wie meine Frau, kommen und fragen: Wozu?

Wenn es nur nicht gar zu verlockend wäre, von jenen Epochen zu plaudern,
zu den Zeitgenossen, zu der Frau, zu jedem beliebigen Ersten Besten, der darauf
hören mag, weil er seinerseits auch davon zu reden wünscht und uns am
Munde hängt, weil er mit zappelnden Verlangen drauf paßt, uns endlich das
Wort in dieser Hinsicht davon abzufangen!

Nachdem ich die erste Stufe meiner wissenschaftlichen Bildung, die ver¬
traulichen gelehrten Unterhaltungen im Hinterstübchen mit A, A> Asche hinter
mir hatte, betrat ich die zweite Staffel der Leiter. Auch die Herren vom städ¬
tischen Gymnasium besuchten Pfisters Mühle: die ältern mit meistens zahlreicher
Familie, die jüngern neben der jungen Frau mit wenigstens einem Kinderwagen
voll, und nur die jüngsten ohne Anhang und höchstens mit ihrem Ideal im
Herzen. Gewöhnlich am Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittag kamen sie und
bildeten dann an einem der längsten Tische des Gartens eine große Familie, und
eines schönen Mittwoch-Nachmittags stellte einer aus derselben, und zwar sogar
das würdige Oberhaupt, der weißlockige Patriarch, nämlich Direktor Doktor
Pottgießer aus blauer Luft eine Art von kursorischen Examen mit mir an, dem
mein Vater, mit sämtlichen Schoppen der jüngern Kollegen in bunter Reihe leer
auf dem Tische, atemlos lauschte, und dessen Resultat das Wort aus dem Munde
des gemütlichen Schultyrannen war: Schicken Sie ihn mir zu Michaelis, Pfister.

Und zu Michaelis wurde ich ihm geschickt; das heißt Vater Pfister von
Pfisters Mühle führte seinen, zu einem höhern Ziel (das heißt einem andern
als auch Vater Pfister auf Pfisters Mühle zu werden) bestimmten Sprößling
zu einem andern, mehr förmlichen und in die Tinte und aufs Papier ver¬
laufenden Examen in die Stadt. Das Resultat hiervon war, daß ich nicht
ein Stück Kuchen aus der Handtasche der Frau Direktor Doktor Pottgießer wie
beim ersten bekam, sondern nnr, daß mich der Doktor einen „mit wunderlichen
Allotriis vollgepfropften Tironen" nannte, mich aber doch in die seiner wackern
Obhut anvertraute Herde germanischer Zukunftsgelehrtheit aufnahm und mich
dem „passenden Pferch junger, in gleichen Tritt zu dringender Böcke" zuwies,
Wie A. A. Asche sich ausdrückte. (Fortsetzung folgt,)




Notizen.

Im Lande der Phäaken. In seinen „Odysseischen Landschaften" entwirft
der gelehrte und geistvolle Freiherr von Warsberg enthusiastische Schilderungen der
Insel Corfu, des alten Kerkyra und homerischen Scheria. Als k. k. österreichischer
Konsul dort ansässig, hat der Poetische Diplomat der wissenschaftlichen Erforschung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157032"/>
            <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_348" prev="#ID_347"> liehen Kindheit eine glückliche Jngend in Pfisters Mühle gehabt und würde Bände<lb/>
schreiben müssen, um ihr auf literarischem Wege gerecht zu werden, und da könnte<lb/>
am Ende auch das Publikum, wie meine Frau, kommen und fragen: Wozu?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_349"> Wenn es nur nicht gar zu verlockend wäre, von jenen Epochen zu plaudern,<lb/>
zu den Zeitgenossen, zu der Frau, zu jedem beliebigen Ersten Besten, der darauf<lb/>
hören mag, weil er seinerseits auch davon zu reden wünscht und uns am<lb/>
Munde hängt, weil er mit zappelnden Verlangen drauf paßt, uns endlich das<lb/>
Wort in dieser Hinsicht davon abzufangen!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_350"> Nachdem ich die erste Stufe meiner wissenschaftlichen Bildung, die ver¬<lb/>
traulichen gelehrten Unterhaltungen im Hinterstübchen mit A, A&gt; Asche hinter<lb/>
mir hatte, betrat ich die zweite Staffel der Leiter. Auch die Herren vom städ¬<lb/>
tischen Gymnasium besuchten Pfisters Mühle: die ältern mit meistens zahlreicher<lb/>
Familie, die jüngern neben der jungen Frau mit wenigstens einem Kinderwagen<lb/>
voll, und nur die jüngsten ohne Anhang und höchstens mit ihrem Ideal im<lb/>
Herzen. Gewöhnlich am Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittag kamen sie und<lb/>
bildeten dann an einem der längsten Tische des Gartens eine große Familie, und<lb/>
eines schönen Mittwoch-Nachmittags stellte einer aus derselben, und zwar sogar<lb/>
das würdige Oberhaupt, der weißlockige Patriarch, nämlich Direktor Doktor<lb/>
Pottgießer aus blauer Luft eine Art von kursorischen Examen mit mir an, dem<lb/>
mein Vater, mit sämtlichen Schoppen der jüngern Kollegen in bunter Reihe leer<lb/>
auf dem Tische, atemlos lauschte, und dessen Resultat das Wort aus dem Munde<lb/>
des gemütlichen Schultyrannen war: Schicken Sie ihn mir zu Michaelis, Pfister.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_351"> Und zu Michaelis wurde ich ihm geschickt; das heißt Vater Pfister von<lb/>
Pfisters Mühle führte seinen, zu einem höhern Ziel (das heißt einem andern<lb/>
als auch Vater Pfister auf Pfisters Mühle zu werden) bestimmten Sprößling<lb/>
zu einem andern, mehr förmlichen und in die Tinte und aufs Papier ver¬<lb/>
laufenden Examen in die Stadt. Das Resultat hiervon war, daß ich nicht<lb/>
ein Stück Kuchen aus der Handtasche der Frau Direktor Doktor Pottgießer wie<lb/>
beim ersten bekam, sondern nnr, daß mich der Doktor einen &#x201E;mit wunderlichen<lb/>
Allotriis vollgepfropften Tironen" nannte, mich aber doch in die seiner wackern<lb/>
Obhut anvertraute Herde germanischer Zukunftsgelehrtheit aufnahm und mich<lb/>
dem &#x201E;passenden Pferch junger, in gleichen Tritt zu dringender Böcke" zuwies,<lb/>
Wie A. A. Asche sich ausdrückte. (Fortsetzung folgt,)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Notizen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_352" next="#ID_353"> Im Lande der Phäaken. In seinen &#x201E;Odysseischen Landschaften" entwirft<lb/>
der gelehrte und geistvolle Freiherr von Warsberg enthusiastische Schilderungen der<lb/>
Insel Corfu, des alten Kerkyra und homerischen Scheria. Als k. k. österreichischer<lb/>
Konsul dort ansässig, hat der Poetische Diplomat der wissenschaftlichen Erforschung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107] Notizen. liehen Kindheit eine glückliche Jngend in Pfisters Mühle gehabt und würde Bände schreiben müssen, um ihr auf literarischem Wege gerecht zu werden, und da könnte am Ende auch das Publikum, wie meine Frau, kommen und fragen: Wozu? Wenn es nur nicht gar zu verlockend wäre, von jenen Epochen zu plaudern, zu den Zeitgenossen, zu der Frau, zu jedem beliebigen Ersten Besten, der darauf hören mag, weil er seinerseits auch davon zu reden wünscht und uns am Munde hängt, weil er mit zappelnden Verlangen drauf paßt, uns endlich das Wort in dieser Hinsicht davon abzufangen! Nachdem ich die erste Stufe meiner wissenschaftlichen Bildung, die ver¬ traulichen gelehrten Unterhaltungen im Hinterstübchen mit A, A> Asche hinter mir hatte, betrat ich die zweite Staffel der Leiter. Auch die Herren vom städ¬ tischen Gymnasium besuchten Pfisters Mühle: die ältern mit meistens zahlreicher Familie, die jüngern neben der jungen Frau mit wenigstens einem Kinderwagen voll, und nur die jüngsten ohne Anhang und höchstens mit ihrem Ideal im Herzen. Gewöhnlich am Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittag kamen sie und bildeten dann an einem der längsten Tische des Gartens eine große Familie, und eines schönen Mittwoch-Nachmittags stellte einer aus derselben, und zwar sogar das würdige Oberhaupt, der weißlockige Patriarch, nämlich Direktor Doktor Pottgießer aus blauer Luft eine Art von kursorischen Examen mit mir an, dem mein Vater, mit sämtlichen Schoppen der jüngern Kollegen in bunter Reihe leer auf dem Tische, atemlos lauschte, und dessen Resultat das Wort aus dem Munde des gemütlichen Schultyrannen war: Schicken Sie ihn mir zu Michaelis, Pfister. Und zu Michaelis wurde ich ihm geschickt; das heißt Vater Pfister von Pfisters Mühle führte seinen, zu einem höhern Ziel (das heißt einem andern als auch Vater Pfister auf Pfisters Mühle zu werden) bestimmten Sprößling zu einem andern, mehr förmlichen und in die Tinte und aufs Papier ver¬ laufenden Examen in die Stadt. Das Resultat hiervon war, daß ich nicht ein Stück Kuchen aus der Handtasche der Frau Direktor Doktor Pottgießer wie beim ersten bekam, sondern nnr, daß mich der Doktor einen „mit wunderlichen Allotriis vollgepfropften Tironen" nannte, mich aber doch in die seiner wackern Obhut anvertraute Herde germanischer Zukunftsgelehrtheit aufnahm und mich dem „passenden Pferch junger, in gleichen Tritt zu dringender Böcke" zuwies, Wie A. A. Asche sich ausdrückte. (Fortsetzung folgt,) Notizen. Im Lande der Phäaken. In seinen „Odysseischen Landschaften" entwirft der gelehrte und geistvolle Freiherr von Warsberg enthusiastische Schilderungen der Insel Corfu, des alten Kerkyra und homerischen Scheria. Als k. k. österreichischer Konsul dort ansässig, hat der Poetische Diplomat der wissenschaftlichen Erforschung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/107
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/107>, abgerufen am 29.12.2024.