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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.

Katholizismus, soweit er überhaupt zur Geltung kommt, erscheint oder sieht
vielmehr gelegentlich als naives poetisches Element dnrch die Phantastik seiner
Erfindungen hindurch. Aber schon mit der Ansiedelung Brentanos in der da¬
maligen Universitätsstadt Landshut machte sich eine Wendung und Wandlung
seiner Poesie geltend. Die "Romanzen vom Rosenkranz," welche er in dieser
Zeit dichtete, waren der Ausdruck einer wachsenden Überzeugung, daß wahres
Glück wie wahre Poesie nur in Übereinstimmung mit den Lehren der Kirche
gedeihen könnten. Der Held der Romanzen, Doktor Apone, ist der Repräsen¬
tant des toten Wissens und Wisseusdünkels, welcher mit allen seinen Künsten,
seiner Magie und seiner tiefsinnigen Philosophie, die Welt und Teufel zu be¬
zwingen wähnt, doch vom erbärmlichsten Teufel genarrt wird. Die moderne
Weltweisheit erscheint hier schlechthin als das Kind der mittelalterlichen geheimen
Wissenschaft und der aufklärungsstolzen Welt wird die Versicherung erteilt, daß
der Teufel ihre Seelen philosophirend durchs Maul ziehe, wie schlechte Gaukler
Schlangen durch das Maul und um die Kehle schlingen. Gegenüber der bunt'elvolleu,
wifsenstrunkenen Welt thut sich der Rosengarten der Liebe und des Glaubens
auf, der zugleich alle echte Poesie einschließt. Seelische Tiefe, echte Empfindung,
einfache Wahrheit, Kindesnnschuld und höchste Begeisterung eben gedeihen
nur in ihm. Wieder setzt Brentano die Gegensätze falsch, zwischen der vom
Satan angehauchten und beherrschten Welt und dem Rosengarten liegt eine
zweite Welt, die schlechthin geleugnet und mit frevelhafter Willkür dem Reiche
des Teufels hinzugerechnet wird. Obschon die geniale und farbenreiche Dichtung
Brentanos die letzten Konsequenzen nicht mit der Deutlichkeit ausspricht, die
später üblich ward, so läßt sie doch keinen Zweifel, daß der Dichter außerhalb
des Glaubens seiner Kirche kein Heil und keine Zukunft der Kunst erblicken kann.
Die spätern geistlichen Lieder Brentanos und eine Reihe poetischer und halb¬
poetischer Fragmente können zum Zeugnis für die wachsende tendenziöse Neigung
des Romantikers dienen und man hat dabei noch nicht einmal nötig, auf die
Aufzeichnungen vom Leben der Jungfrau Maria, welche er zwischen 1818 und
1824 nach den Betrachtungen und Visionen der Anna Katharina Emmerich zu
Dülmen machte, absonderliches Gewicht zu legen.

Mit welcher unwiderstehlichen Gewalt der neuauflcbende Fanatismus die
poetischen Talente ergriff, in die Bahnen der konfessionellen Einseitigkeit und
der erbitterten Polemik drängte, dafür legt auch die Entwicklungsgeschichte eines
Dichters wie Josef von Eichendorff entscheidendes Zeugnis ab. Aus einer
alten katholischen Familie stammend, hatte sich der jugendliche Poet mit voller
Unbefangenheit und naiver Frische der Romantik angeschlossen. Seine natur-
seligen, sehnsüchtigen und tiefinnerlichen Lieder, voll quellenden Lebens, voll
träumerisch weicher Stimmung, duftig und melodisch zugleich, die reifste und
schönste lhrische Gabe der Romantik, seine prächtige Jdyllnovelle "Aus dem Leben
eines Taugenichts" enthalten kaum einen Laut, welcher einen Nichtkatholiken


Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.

Katholizismus, soweit er überhaupt zur Geltung kommt, erscheint oder sieht
vielmehr gelegentlich als naives poetisches Element dnrch die Phantastik seiner
Erfindungen hindurch. Aber schon mit der Ansiedelung Brentanos in der da¬
maligen Universitätsstadt Landshut machte sich eine Wendung und Wandlung
seiner Poesie geltend. Die „Romanzen vom Rosenkranz," welche er in dieser
Zeit dichtete, waren der Ausdruck einer wachsenden Überzeugung, daß wahres
Glück wie wahre Poesie nur in Übereinstimmung mit den Lehren der Kirche
gedeihen könnten. Der Held der Romanzen, Doktor Apone, ist der Repräsen¬
tant des toten Wissens und Wisseusdünkels, welcher mit allen seinen Künsten,
seiner Magie und seiner tiefsinnigen Philosophie, die Welt und Teufel zu be¬
zwingen wähnt, doch vom erbärmlichsten Teufel genarrt wird. Die moderne
Weltweisheit erscheint hier schlechthin als das Kind der mittelalterlichen geheimen
Wissenschaft und der aufklärungsstolzen Welt wird die Versicherung erteilt, daß
der Teufel ihre Seelen philosophirend durchs Maul ziehe, wie schlechte Gaukler
Schlangen durch das Maul und um die Kehle schlingen. Gegenüber der bunt'elvolleu,
wifsenstrunkenen Welt thut sich der Rosengarten der Liebe und des Glaubens
auf, der zugleich alle echte Poesie einschließt. Seelische Tiefe, echte Empfindung,
einfache Wahrheit, Kindesnnschuld und höchste Begeisterung eben gedeihen
nur in ihm. Wieder setzt Brentano die Gegensätze falsch, zwischen der vom
Satan angehauchten und beherrschten Welt und dem Rosengarten liegt eine
zweite Welt, die schlechthin geleugnet und mit frevelhafter Willkür dem Reiche
des Teufels hinzugerechnet wird. Obschon die geniale und farbenreiche Dichtung
Brentanos die letzten Konsequenzen nicht mit der Deutlichkeit ausspricht, die
später üblich ward, so läßt sie doch keinen Zweifel, daß der Dichter außerhalb
des Glaubens seiner Kirche kein Heil und keine Zukunft der Kunst erblicken kann.
Die spätern geistlichen Lieder Brentanos und eine Reihe poetischer und halb¬
poetischer Fragmente können zum Zeugnis für die wachsende tendenziöse Neigung
des Romantikers dienen und man hat dabei noch nicht einmal nötig, auf die
Aufzeichnungen vom Leben der Jungfrau Maria, welche er zwischen 1818 und
1824 nach den Betrachtungen und Visionen der Anna Katharina Emmerich zu
Dülmen machte, absonderliches Gewicht zu legen.

Mit welcher unwiderstehlichen Gewalt der neuauflcbende Fanatismus die
poetischen Talente ergriff, in die Bahnen der konfessionellen Einseitigkeit und
der erbitterten Polemik drängte, dafür legt auch die Entwicklungsgeschichte eines
Dichters wie Josef von Eichendorff entscheidendes Zeugnis ab. Aus einer
alten katholischen Familie stammend, hatte sich der jugendliche Poet mit voller
Unbefangenheit und naiver Frische der Romantik angeschlossen. Seine natur-
seligen, sehnsüchtigen und tiefinnerlichen Lieder, voll quellenden Lebens, voll
träumerisch weicher Stimmung, duftig und melodisch zugleich, die reifste und
schönste lhrische Gabe der Romantik, seine prächtige Jdyllnovelle „Aus dem Leben
eines Taugenichts" enthalten kaum einen Laut, welcher einen Nichtkatholiken


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[0096] Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur. Katholizismus, soweit er überhaupt zur Geltung kommt, erscheint oder sieht vielmehr gelegentlich als naives poetisches Element dnrch die Phantastik seiner Erfindungen hindurch. Aber schon mit der Ansiedelung Brentanos in der da¬ maligen Universitätsstadt Landshut machte sich eine Wendung und Wandlung seiner Poesie geltend. Die „Romanzen vom Rosenkranz," welche er in dieser Zeit dichtete, waren der Ausdruck einer wachsenden Überzeugung, daß wahres Glück wie wahre Poesie nur in Übereinstimmung mit den Lehren der Kirche gedeihen könnten. Der Held der Romanzen, Doktor Apone, ist der Repräsen¬ tant des toten Wissens und Wisseusdünkels, welcher mit allen seinen Künsten, seiner Magie und seiner tiefsinnigen Philosophie, die Welt und Teufel zu be¬ zwingen wähnt, doch vom erbärmlichsten Teufel genarrt wird. Die moderne Weltweisheit erscheint hier schlechthin als das Kind der mittelalterlichen geheimen Wissenschaft und der aufklärungsstolzen Welt wird die Versicherung erteilt, daß der Teufel ihre Seelen philosophirend durchs Maul ziehe, wie schlechte Gaukler Schlangen durch das Maul und um die Kehle schlingen. Gegenüber der bunt'elvolleu, wifsenstrunkenen Welt thut sich der Rosengarten der Liebe und des Glaubens auf, der zugleich alle echte Poesie einschließt. Seelische Tiefe, echte Empfindung, einfache Wahrheit, Kindesnnschuld und höchste Begeisterung eben gedeihen nur in ihm. Wieder setzt Brentano die Gegensätze falsch, zwischen der vom Satan angehauchten und beherrschten Welt und dem Rosengarten liegt eine zweite Welt, die schlechthin geleugnet und mit frevelhafter Willkür dem Reiche des Teufels hinzugerechnet wird. Obschon die geniale und farbenreiche Dichtung Brentanos die letzten Konsequenzen nicht mit der Deutlichkeit ausspricht, die später üblich ward, so läßt sie doch keinen Zweifel, daß der Dichter außerhalb des Glaubens seiner Kirche kein Heil und keine Zukunft der Kunst erblicken kann. Die spätern geistlichen Lieder Brentanos und eine Reihe poetischer und halb¬ poetischer Fragmente können zum Zeugnis für die wachsende tendenziöse Neigung des Romantikers dienen und man hat dabei noch nicht einmal nötig, auf die Aufzeichnungen vom Leben der Jungfrau Maria, welche er zwischen 1818 und 1824 nach den Betrachtungen und Visionen der Anna Katharina Emmerich zu Dülmen machte, absonderliches Gewicht zu legen. Mit welcher unwiderstehlichen Gewalt der neuauflcbende Fanatismus die poetischen Talente ergriff, in die Bahnen der konfessionellen Einseitigkeit und der erbitterten Polemik drängte, dafür legt auch die Entwicklungsgeschichte eines Dichters wie Josef von Eichendorff entscheidendes Zeugnis ab. Aus einer alten katholischen Familie stammend, hatte sich der jugendliche Poet mit voller Unbefangenheit und naiver Frische der Romantik angeschlossen. Seine natur- seligen, sehnsüchtigen und tiefinnerlichen Lieder, voll quellenden Lebens, voll träumerisch weicher Stimmung, duftig und melodisch zugleich, die reifste und schönste lhrische Gabe der Romantik, seine prächtige Jdyllnovelle „Aus dem Leben eines Taugenichts" enthalten kaum einen Laut, welcher einen Nichtkatholiken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/96>, abgerufen am 28.09.2024.