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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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August von Iochmus' Schriften.

habe mich nie über die Politik dieser Leute und die angewendeten Mittel ge¬
täuscht. Wäre diese Regierung gleich anfangs offen aufgetreten, wir würden
lange schon des Friedens genießen, das vergossene Blut fällt auf sie zurück.
Wären nur Männer in Deutschland, voll Vaterlandsliebe, voll großer Gesin¬
nungen, so würden die Regierungen zusammentreten und ein festes Wort sprechen,
. . . sie würden Preußen mitreißen, statt daß sie sich jetzt durch dasselbe para-
lysiren lassen." Dieselbe Auffassung spricht ein Brief des Erzherzogs vom
2. Januar 1856 aus, wo er sagt: "An der Spree herrscht unverändert der
Neid und die Eifersucht auf Osterreich; wenn bei einer Verhandlung irgend
etwas Günstiges von was immer für einer Art für Österreich sich zeigt, . . . dn
kann man gewiß sein, daß alles Streben dahin geht, es scheitern zu machen;
wenn es sich um die Freiheit der Donaumündungen, wo doch das gesamte
Deutschland große s?^ Vorteile davon ziehen würde, handeln wird, dann wird
meine Voraussetzung ihre Bestätigung finden. . . . Unser armes Deutschland, was
soll daraus werden? . . . Wäre Eintracht an der Tagesordnung, da ließe sich
für die Zukunft etwas hoffen. In Fällen der höchsten Wichtigkeit pflegte man
in Rom eine Diktatur zur Durchführung auf die Zeit der Gefahr zu bestimmen,
denn man ging von der Überzeugung aus, daß die Einheit des Wollens und
der Ausführung unerläßlich zum Heile des Vaterlandes wäre. So etwas ^eine
österreichische Diktatur ist ohne Zweifel gemeint^ in wichtigen Momenten thäte
Deutschland not, unsre Geschichte weist auf die Zeiten der Heinriche, der Ottonen,
des Notbarts, Rudolfs hin."

Diese Auszüge werden genügen, um die Denkart des ehemaligen Reichs¬
verwesers zu charakterisiren. Und nun einiges aus deu Äußerungen Metter-
nichs im Verkehr mit Jochmus. Der letztere hatte Anfang Mai 1850 zu
Brüssel fünf lange Unterredungen mit dem alten Diplomaten, deren Inhalt er
in einer im vierten Bande mitgeteilten Denkschrift resümirte. Metternich sagte
da u. a.: "Deutschland und Italien sind geographische Ausdrücke... In Deutsch¬
land giebt es auch nur Stämme, und solange Österreich und Preußen zu
Deutschland gezählt werden, kann doch wahrlich nicht der alte Rheinbund allein
ans den Namen Deutschland Anspruch machen... Der Staatenbund, nicht der
Bundes- oder Einheitsstaat ist der wahre Ausdruck für die Einigung Deutsch¬
lands. Das Wort Bundesstaat ist unklar, es ist eine Heidelberger oder Ber¬
liner doktrinäre Erfindung. Man zitirt die Schweiz oder die nordamerikanischen
Freistaaten -- aber warum nennen sich denn dieselben nicht Bundesstaat, son¬
dern die Eidgenossenschaft und die Vereinigten Staaten? Bundesstaat war
eigentlich nur das alte Österreich, dort gab es eine Souveränetcit und unter
derselben gewisse Landeshoheiten. Man nehme meinethalben ein andres Wort
als Staatenbund für die große auftro-germanische Konföderation, mau erfinde
eins, wenn es durchaus notwendig ist. Die Sache selbst läßt sich nicht andern,
solange Österreich und Preußen zu Deutschland gehören. Deutschland aber und


August von Iochmus' Schriften.

habe mich nie über die Politik dieser Leute und die angewendeten Mittel ge¬
täuscht. Wäre diese Regierung gleich anfangs offen aufgetreten, wir würden
lange schon des Friedens genießen, das vergossene Blut fällt auf sie zurück.
Wären nur Männer in Deutschland, voll Vaterlandsliebe, voll großer Gesin¬
nungen, so würden die Regierungen zusammentreten und ein festes Wort sprechen,
. . . sie würden Preußen mitreißen, statt daß sie sich jetzt durch dasselbe para-
lysiren lassen." Dieselbe Auffassung spricht ein Brief des Erzherzogs vom
2. Januar 1856 aus, wo er sagt: „An der Spree herrscht unverändert der
Neid und die Eifersucht auf Osterreich; wenn bei einer Verhandlung irgend
etwas Günstiges von was immer für einer Art für Österreich sich zeigt, . . . dn
kann man gewiß sein, daß alles Streben dahin geht, es scheitern zu machen;
wenn es sich um die Freiheit der Donaumündungen, wo doch das gesamte
Deutschland große s?^ Vorteile davon ziehen würde, handeln wird, dann wird
meine Voraussetzung ihre Bestätigung finden. . . . Unser armes Deutschland, was
soll daraus werden? . . . Wäre Eintracht an der Tagesordnung, da ließe sich
für die Zukunft etwas hoffen. In Fällen der höchsten Wichtigkeit pflegte man
in Rom eine Diktatur zur Durchführung auf die Zeit der Gefahr zu bestimmen,
denn man ging von der Überzeugung aus, daß die Einheit des Wollens und
der Ausführung unerläßlich zum Heile des Vaterlandes wäre. So etwas ^eine
österreichische Diktatur ist ohne Zweifel gemeint^ in wichtigen Momenten thäte
Deutschland not, unsre Geschichte weist auf die Zeiten der Heinriche, der Ottonen,
des Notbarts, Rudolfs hin."

Diese Auszüge werden genügen, um die Denkart des ehemaligen Reichs¬
verwesers zu charakterisiren. Und nun einiges aus deu Äußerungen Metter-
nichs im Verkehr mit Jochmus. Der letztere hatte Anfang Mai 1850 zu
Brüssel fünf lange Unterredungen mit dem alten Diplomaten, deren Inhalt er
in einer im vierten Bande mitgeteilten Denkschrift resümirte. Metternich sagte
da u. a.: „Deutschland und Italien sind geographische Ausdrücke... In Deutsch¬
land giebt es auch nur Stämme, und solange Österreich und Preußen zu
Deutschland gezählt werden, kann doch wahrlich nicht der alte Rheinbund allein
ans den Namen Deutschland Anspruch machen... Der Staatenbund, nicht der
Bundes- oder Einheitsstaat ist der wahre Ausdruck für die Einigung Deutsch¬
lands. Das Wort Bundesstaat ist unklar, es ist eine Heidelberger oder Ber¬
liner doktrinäre Erfindung. Man zitirt die Schweiz oder die nordamerikanischen
Freistaaten — aber warum nennen sich denn dieselben nicht Bundesstaat, son¬
dern die Eidgenossenschaft und die Vereinigten Staaten? Bundesstaat war
eigentlich nur das alte Österreich, dort gab es eine Souveränetcit und unter
derselben gewisse Landeshoheiten. Man nehme meinethalben ein andres Wort
als Staatenbund für die große auftro-germanische Konföderation, mau erfinde
eins, wenn es durchaus notwendig ist. Die Sache selbst läßt sich nicht andern,
solange Österreich und Preußen zu Deutschland gehören. Deutschland aber und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/86>, abgerufen am 27.09.2024.